Reportage
Tagesausflüge nach Formentera durch wilde Dünenlandschaften und feine Sandstrände dank guter Fährverbindung möglich
Radtour im Paradies: Gute Fährverbindungen ermöglichen das Buchtenhopping per Velo durch Formenteras wilde Dünenlandschaften und die karibischen Sandstrände
Glasklares, türkisfarbenes Wasser, wilde Dünenlandschaften, traumhafte Buchten, steile Klippen und endlose weiße Strände – das klingt nach Urlaub in der Karibik. Wer bei solchen Bildern Fernweh bekommt, muss keinesfalls Trübsal blasen, sondern lediglich ein Fährticket buchen. Denn das karibische Flair macht die kleine Baleareninsel Formentera aus. Wie schön wäre es, die Insel einen Tag lang mit dem Fahrrad zu erkunden?
Von Dénia aus ist es fast nur ein Katzensprung bis Formentera. Mit der großen Fähre von Baleària dauert es zweieinhalb Stunden. Morgens hin, abends zurück ist dank der guten Abfahrtszeiten möglich. Allerdings bedeutet das: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Das Schiff verlässt Dénia um 9 Uhr, das Boarding beginnt eine Stunde früher – und das an einem Samstagmorgen.
Doch die Aussicht auf Baden im türkisfarbenen Mittelmeer be- siegt die Müdigkeit nach dem frühen Aufstehen. Ein wenig Schlaf holen wir uns an Bord, bis am Horizont die ersten Klippen der Insel auftauchen. Schon von weitem sieht das Wasser atemberaubend aus, wenn auch die auf den ersten Blick trockene Umgebung irgendwie vertraut erscheint. „Sieht ja aus wie bei uns an der Costa Blanca – und dafür sind wir so früh aufgestanden?“witzeln meine drei Reisebegleiter.
Kaum sind wir an Land, haben wir kaum Zeit, uns groß in La Salvina, dem Hafen, umzusehen. Gemeinsam mit den anderen Menschenströmen stolpern wir direkt in eine Promenade, an der sich ein Vermietungsunternehmen an das andere reiht. Auto, Roller, E-Bike, Mountainbike, Quad, Stadtrad – alles, was das Ausflugsherz begehrt. Alle locken mit Rabatten beim Vorzeigen vom Fährenticket, drücken einem im Vorbeigehen Informationsflyer in die Hand.
Wir machen uns gar nicht erst die Mühe, die Angebote zu vergleichen. Wir wollen schnell Fahr- räder haben, um die acht Stunden bis zur Rückfahrt voll ausnutzen zu können und steuern zielstrebig den erstbesten Laden an, vor dem keine Touristenmassen Schlange stehen. Eine gute Wahl, denn wir bekommen die Fahrräder für acht Euro für den ganzen Tag, sogar mit Lenkradkörbchen für unser Gepäck. Vor lauter Attraktion haben wir jedoch unsere Fährentickets vergessen vorzuzeigen, was uns noch einmal zwanzig Prozent Rabatt beschert hätte.
Während die Hälfte unseres Vierer-Grüppchens es kaum noch erwarten kann und schon mal zu den Fahrrädern rennt, lässt sich immerhin einer noch schnell auf einer Karte die schönsten Strände zeigen und ab geht‘s. Wir lassen La Salvina hinter uns und machen uns auf den Weg Richtung Norden, wo sich laut des Mitarbeiters des Fahr- radverleihs „die schönsten Strände der ganzen Insel“befinden.
Noch keine fünf Minuten auf den Drahteseln unterwegs, ruft meine Freundin „Fotostopp“und springt von ihrem Rad. Und wirklich, der Blick ist einfach atemberaubend: Der Hafen im Hintergrund zu unserer Linken, grüne Dünenlandschaft, die langsam in schroffe Felsen übergeht, dahinter das Meer. In so vielen Blau- und Türkistönen. „50 Shades of Grey“war gestern – hier gibt es mindestens „50 Shades of Blue“.
Doch wir wollen ja noch viel von der Insel, die nur 18 Kilometer lang ist, sehen und so radeln wir weiter gemütlich am Meer entlang. Ich kann mich gar nicht satt sehen an dem tollen Panorama. Das Wasser ist so kristallklar, dass es scheint, als würden die vor der Bucht liegenden Schiffe und Jachten schweben.
Der Fahrradweg macht einen Knick und wir verlassen kurzzeitig die Küste. Es geht jetzt durch die wilde Dünenlandschaft. Rechts
und links wuchert Dünengras, aber auch Sträucher wachsen hier. Auf meinem roten Hollandfahrrad fühle ich mich auch ein bisschen in die holländischen Dünen versetzt. Es ist heiß und staubig, ein Roller überholt uns und wirbelt noch mehr Sand und Dreck in unsere Augen. Kurz wünschte ich, wir säßen in einem Mietwagen, statt im Sattel.
Dieser Wunsch ist jedoch nur von kurzer Dauer, bis ich die überfüllten und teuren Strandparkplätze sehe. Wie schön ist es, einfach sein Fahrrad in den nächsten freien Ständer zu stellen? Zum Glück ist noch Nebensaison, denn auch jetzt schon sind die Fahrradständer gut gefüllt und in der Hauptsaison mit Sicherheit überfüllt. An den umliegenden Zäunen hängen überall Verbotsschilder für Fahrräder.
Nachdem wir uns in einer Strandtoilette, die einer Sauna gleicht, umgezogen haben, lechzt es uns nach einem Sprung ins kühle Nass an Formenteras Nordspitze. Wir stehen genau an der Gabelung zwischen den beiden mit blauen Flaggen ausgezeichneten Stränden Illetes und Llevant, letzterer ist aufgrund seiner ruhigen Lage bei FKK-Strändlern beliebt.
Vor der Illetes-Bucht liegen kleinere Jachten im Wasser – die Besitzer tummeln sich am Strand. Und so drehen wir uns lieber um und gehen über die kargen Dünenfelsen zum Llevant-Strand: perlmuttglänzend weißer feiner Sand erstreckt sich in kleinen Buchten, eingesäumt von den Dünen und abgetrennt durch Felsformationenen. Verwundert, dass außer uns niemand ins Wasser will, werfen wir die Strandsachen und Rucksäcke in den Sand und stürzen und in die klaren Fluten.
„Wow hier sind ja hunderte kleine Quallen“, tönt es zu meiner Rechten und trübt die Schwimmfreude kurzzeitig. Panisch hetzen wir heraus. Das erklärt zumindest, wieso die anderen wenigen Strandbesucher das Wasser meiden. Wir nehmen einfach die andere Seite der durch die Felsen abgetrennten Bucht, wo tatsächlich keine Quallen sind. Das kühle Nass hat uns wieder. Während wir anschließend in der Sonne trocknen, verwerfen wir den Plan, schnell weiter Richtung Süden zu radeln. Der strahlend weiße Sand, der aus unzähligen Muschelresten statt aus Sand zu bestehen scheint, lädt einfach viel zu sehr zum Faulenzen ein.
Es ist die starke Sonnenein- strahlung, die uns dann doch weiter zwingt. Der erste Sonnenbrand und der erste Sonnenstich schreien nach Schatten. Und so machen wir uns auf zur Strandbar, die zwischen den Stränden Llevant und Illetes liegt. Ein Blick auf die Karte lässt uns die Münder offen stehen: 18 Euro für einen Salat, sechs Euro für eine Cola – Monopolpreise, es ist das einzige Restaurant an der Nordspitze. So schlimm erscheint der Sonnenbrand dann doch nicht mehr und wir radeln weiter.
Dieses Mal geht es durchs Inland, vorbei an den großen Salzseen Formenteras, die für ihren hohen Jodgehalt in der Luft bekannt sind. Rosaglitzernd liegen sie an der großen Straße, an der wir leider vorbei müssen. Ziel ist der Ferienort Es Pujols. An einer kleinen unscheinbaren Bar direkt am Ortseingang halten wir an. Die No-NameLimonade kostet nur zwei Euro. Wir stürzen die kalte Erfrischung hinunter, decken uns im gegenüberliegenden Supermarkt mit Knabbereien und neuen Wasserflaschen ein und stellen die Fahrräder an der Promenade des Stadtstrands ab, die eine der belebtesten der Insel sein soll.
Der Strand ist flacher, die Bucht kleiner, aber touristischer: Liegestühle und Sonnenschirme aus Bast füllen den Sandstrand. Voll ist es aber auch hier nicht. In der Mitte der Bucht liegt eine kleine felsige Insel, zu der wir hinüber schwimmen und dort zu viert in Ruhe am Strand liegen und im milden Wasser, dieses Mal ganz ohne Quallen, treiben können. So lässt es sich aushalten.
Ein Blick auf die Uhr verrät, dass Es Pujols im Nordosten der Insel auch unser letzter Stopp sein wird. Für weitere Touren bleibt uns nicht die Zeit, wir lassen den Abend lieber gemütlich in einer Pizzeria mit deutlich humaneren Preisen an der Strandpromenade ausklingen. Wir haben die 18 Kilometer lange und immerhin 82 Quadratkilometer große Insel doch etwas unterschätzt. Wer mehr sehen will, sollte sich entweder weniger Zeit an den Stränden nehmen – welch ein großer Jammer! – oder doch zur elektronischen Variante greifen und einen Roller mieten.
Auch wenn wir nur ein knappes Drittel der Insel gesehen haben, sind wir zufrieden, als wir an einer Strandbar kurz vor dem Hafen mit Blick auf die Berge von Ibiza die letzten Sonnenstrahlen bei einem kühlen Cocktail genießen. Sonnenbaden an unbebauten Sandstränden, Schwimmen mit karibischem Flair und eine schöne Fahrradtour – Formentera in acht Stunden.