Tapas der Liebe
„Ohne Touristen kann Spanien dicht machen!“, sagt Karl-Heinz, Detmold, Schnauzer nach unten, Brusthaare nach oben gekämmt. Handgelenktäschchen. „Dicht machen!“, wiederholt er in verbalem Stechschritt. Die Anti-Tourismus-“Extremisten“nimmt er ein bisschen persönlich, bei „dem ganzen Geld“, das er ins Land bringt. Und eine Kakerlake hatte er auch auf dem Balkon. Eine Kakerlake! In Guardamar mussten Rettungssschwimmer an nur zwei Tagen 72 Urlauber aus dem Meer fischen. Die meinten, rote Flaggen am Strand seien Dekoration für die nächste Fiesta oder von irgendwelchen Kommunisten. Auf Ibiza prügelte ein Pärchen auf einen Busfahrer ein, weil der das ungültige Ticket nicht annahm.
Die Taxifahrer in Málaga streiken, das Sicherheitspersonal am Airport in Barcelona auch. Kellner und Köche haben keine Kraft mehr dazu. Ein paar Wochen noch, dann fliegen die meisten sowieso. Spanien ist erschöpft. Doch da ist auch Liebe. Eine Hotelgruppe in Benidorm busselt die Touristen jetzt gleich am Eingang ab, streut ihnen Rosen und stellt ihnen Schampus aufs Zimmer. „Gegen die Touristenphobie - wir lieben unsere Gäste“, hechelt es aus der Marketingabteilung. Die Personalabteilung ist etwas sach- licher und streut, statt Rosen, die flexible Zärtlichkeit der Rajoyschen Arbeitsmarktreformen. So viel Liebe. Vor ein paar Tagen haben Hunderte bei Almería einen gestrandeten Baby-Delfin zu Tode gestreichelt. Tod durch Selfies. Und am Abend gibts dann Tartar vom Roten Thunfisch. Das heißt, den gibts eigentlich nicht mehr, den hat man schon aufgegessen. Sein Verwandter, die Gelbflosse, muss dafür jetzt unters Messer. Kleinigkeiten. Kollateraltapas sozusagen. Karl-Heinz hat seine Villa in Altea Hills, trotz Kaskerlake, schon für nächstes Jahr gebucht. „Man weiß ja nicht, wie das mit den Preisen wird, bei den Massen, die kommen“, sagt er und bestellt sich noch ein Bier. 2 Euro, frische Tapa und ein nicht so frisches Lächeln der Kellnerin inklusive. Spanien ist erschöpft.