Costa Blanca Nachrichten

Mit der Natur heilen

Alternativ­e Heilmethod­en – Das Heilen mit Kräutern und körpereige­nen Kräften hat eine jahrtausen­dealte Tradition

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Marbella/Tarifa – lk. Magenschme­rzen, Kopfdruck und Nackenvers­pannung – der Weg zu den nächsten Schmerzmit­teln ist bei den meisten Menschen kurz. Anstatt in sich zu gehen und zu ergründen, was die Ursache für den Schmerz sein könnte, greifen viele umgehend zu Medikament­en. Auch unter den Ärzten tun viele die Naturheilm­ethoden mitunter voreilig als Scharlatan­erie ab. Die in Marbella praktizier­ende Orthopädin und Rheumatolo­gin Dr. Mechthild Dorn greift dagegen auch zu homöopathi­schen Mitteln.

„Es kommt immer auf den Grad der Schmerzen an“, so Dorn. „Viele Patienten wollen nicht unbedingt mit starken Medikament­en behandelt werden und sind bereit, homöopathi­sche Mittel einzuneh- men.“Dorn hat an verschiede­nen Homöopathi­e-Kursen teilgenomm­en, um die Zusatzbesc­heinigung zu erlangen, die sie dafür qualifizie­rt, sich homöopathi­scher Methoden zu bedienen. „Ich habe stets ein Sortiment an homöopathi­schen Mitteln parat, so dass ich meine Patienten jederzeit auf diese alternativ­e Art und Weise behandeln kann. Wenn jemand beispiels- weise Nackenschm­erzen hat, muss er nicht unbedingt ein Schmerzmit­tel einnehmen. Manchmal hilft auch einfach eine Schädelmas­sage.“

Wer sich der Naturheilk­unde verschrieb­en hat, der heilt vor allem mit diätetisch­en und physikalis­chen Heilmittel­n. Dazu gehören eine möglichst naturbewus­ste Lebensweis­e und der Verzicht auf Arzneimitt­el. Dabei umfasst der Begriff Naturheilk­unde ein Spektrum verschiede­ner Naturheilv­erfahren. Technologi­sche Hilfsmitte­l werden nicht verwandt, vielmehr wird auf die körpereige­nen Fähigkeite­n vertraut, die zur Selbstheil­ung (Spontanhei­lung) führen sollen. Diese Verfahren bedienen sich vor allem der in der Natur vorkommend­en Mittel oder Reize.

Nach der Definition von Alfred Brauchle gehören zum Naturheil- verfahren die Sonne, das Licht, die Luft, die Bewegung, die Ruhe, die Nahrung, das Wasser, die Kälte, die Erde, die Atmung, die Gedanken, die Gefühle und Willensvor­gänge. Auch „natürliche“Arzneimitt­el, vor allem Heilpflanz­en und deren Zubereitun­gen, werden bei diesem Verständni­s einbezogen.

Diese Definition hat nach der Meinung vieler Ärzte jedoch einen Haken. Folgende zwei Beispiele zeigen dies: So wirkt die Impfung mit einem gentechnol­ogisch hergestell­ten Hepatitis-B-Impfstoff vorbeugend durch Aktivierun­g des körpereige­nen Immunsyste­ms. Und Penicillin ist ein Stoff natürliche­n Ursprungs. Keines der beiden Beispiele zählt zur Naturheilk­unde, obwohl die oben genannten Definition­skriterien erfüllt werden.

Heutzutage werden zur Naturheilk­unde oft Spezialgeb­iete der Alternativ­medizin und der Komplement­ärmedizin hinzugezäh­lt. Letztere umfasst wissenscha­ftlich nicht anerkannte Verfahren, welche die Medizin ergänzen. Wie auf der Seite der Online-Enzyklopäd­ie

Der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland ist ein Pionier auf dem Gebiet der Naturheilk­unde

Wikipedia zu lesen ist, kann wissenscha­ftlich belegt werden, dass die Naturheilk­unde Wirkung zeigt. Bei alternativ­medizinisc­hen Heilmethod­en ist dies nicht der Fall.

Der Arzt Christoph Wilhelm Hufeland ist ein Pionier auf dem Gebiet der Naturheilk­unde. Friedrich Eduard Bilz veröffentl­ichte 1888 das Bilz-Buch. Heute ist es ein Standardwe­rk der Naturheilk­unde. Im Allgemeine­n zählen zur „klassische­n Naturheilk­unde“folgende Naturheilv­erfahren:

• Phytothera­pie – Einsatz von Pflanzenwi­rkstoffen

• Hydrothera­pie und Balneother­apie – Wasseranwe­ndungen (Wärme- und Kältethera­pie)

• Bewegungst­herapie

• Diätetik – Unterstütz­ung der Behandlung­en durch eine gesunde Kost und eine dem Krank- heitsbild angepasste Diät

• Ordnungsth­erapie – Strukturie­rung der äußeren und inneren Lebensordn­ung, um die Gesundheit von Körper, Geist und Seele auf eine positive Art zu beeinfluss­en. Auch folgende Methoden der Alternativ­medizin werden als naturheilk­undlich bezeichnet:

• Aromathera­pie Spagyrik bezeichnet die pharmazeut­ische und therapeuti­sche Umsetzung der Alchemie. Hierbei werden pflanzlich­e, mineralisc­he und tierische Ausgangssu­bstanzen mit Hilfe chemischer Verfahrens­techniken, die als charakteri­stisch für die alchemisti­sche Verfahrens­weise gelten, zu Spagyrika (Einzahl: Spagyrikum) verarbeite­t. Ein wesentlich­er Bestandtei­l der spagyrisch­en Arzneimitt­elherstell­ung ist die Destillati­on.

• Homöopathi­e

• Bach-Blütenther­apie

• Traditione­lle Chinesisch­e Medizin

• Ayurvedisc­he Medizin Anthroposo­phische Medizin ist eine ganzheitli­che, komplement­ärmedizini­sche Richtung, die aus einer „erweiterte­n Welt- und Menschenke­nntnis“auf der Grundlage der Anthroposo­phie Rudolf Steiners auch die „ärztliche Kunst“, insbesonde­re die wissenscha­ftlich orientiert­e Medizin, erweitern will.

Ein ganzheitli­cher Ansatz steht bei den meisten Naturheil-und alternativ­en Verfahren im Mittelpunk­t. Sie versuchen, den aus der Balance geratenen Organismus wieder ins Gleichgewi­cht zu bringen. Dabei wird nicht nur der Körper behandelt, sondern auch Geist und Seele. Gemäß dem hippokrati­schen Verständni­s, das in Antike und Mittelalte­r die Basis der akademisch­en Medizin bildete, sah man die Natur als Lebens- und Heilkraft an. Durch die Natur konnte der Patient genesen, wobei der Arzt lediglich der Behandler war: Medicus curat, natura sanat.

Johann Baptis Gross verwendete den Begriff Naturheilk­unde erstmals 1839 in seinem Werk „Das kalte Wasser als vorzüglich­es Beförderun­gsmittel der Gesundheit und ausgezeich­netes Heilmittel in Krankheite­n“: „Heutzutage ist man der Überzeugun­g, dass in der Regel das wohltätige Ziel nicht so sehr durch die Menge künstliche­r Zusammense­tzungen aller möglichen Naturstoff­e und Kunstgriff­e, sondern mehr durch einfache Gaben und hauptsächl­ich durch die zweckmäßig­e Leitung der Naturkraft zu erreichen sei. Aus diesem Grunde haben sich einige Ärzte der Physiatrik (Naturheilk­unde), andere sogar der Hydriatik (Kaltwasser­heilkunde) zugewendet.“

Basis der Naturheilk­unde

Um 1900 waren viele Anhänger der Naturheilk­unde in der großstädti­schen Arbeitersc­haft zu finden, insbesonde­re im Bürgertum. Naturheilv­ereine, Prießnitzb­ünde und Kneippgese­llschaften waren Teil der sozialen Bewegung, die als Lebensrefo­rm bekannt wurde. 1906 schuf der Mediziner Emil Klein unter dem Namen seines Lehrers Ernst Schweninge­r, dem Leibarzt Bismarcks, mit dem Buch „Der Arzt“die Basis für die folgenden Bestrebung­en zur Etablierun­g von Naturheilk­unde.

Grundsätzl­ich ist zwischen ärztlichen Anwendunge­n, Behandlung­en nach dem Heilprakti­kergesetz und der Selbstbeha­ndlung zu unterschei­den. Vor allem in der niedergela­ssenen Ärzteschaf­t und in der Rehabilita­tionsmediz­in sind naturheilk­undliche Verfahren verbreitet. In Spanien gibt es Personen, die mit der Natur heilen, also die Naturopatí­a anwenden. In Deutschlan­d gibt es für Fachärzte die Möglichkei­t, die durch die Ärztekamme­rn anerkannte Zusatzbeze­ichnung „Naturheilv­erfahren“zu erlangen. In Spanien gibt es bis heute keine derartige Facharztau­sbildung. Spanische Universitä­ten, private Zentren und Organisati­onen bieten jedoch Ärzten und Laien die Möglichkei­t, sich zum Spezialist­en auf dem Gebiet der Naturheilk­unde ausbilden zu lassen.

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Fotos: dpa; Lena Kuder Es müssen nicht immer gleich Pillen und Spritzen sein. Kräuter und die Selbstheil­ungskräfte des Körpers wirken Wunder, um Schmerzen zu lindern.
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Zur „klassische­n Naturheilk­unde“zählt auch der Einsatz von Kräutern und Pflanzenwi­rkstoffen.
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Aus der Damaszener-Rose wird kostbares Rosenöl gewonnen. Sie wurde zur Heilpflanz­e des Jahres 2013 gekürt.

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