Costa Blanca Nachrichten

Die gesetzlich­e Pflegevers­icherung

Was man im Fall von Pflegebedü­rftigkeit in Spanien wissen sollte – Ratgeber-Serie, Folge 14

- Dr. Rainer Fuchs

Pflegebedü­rftigkeit ist ein Thema, mit dem sich niemand gerne befasst – solange man wohlauf ist. Etwa drei bis fünf Prozent der Menschen in Deutschlan­d sind früher oder später auf fremde Hilfe angewiesen. Die Pflegebedü­rftigkeit tritt aber meist erst in höherem Alter auf. Hier die Anteile der deutschen Bevölkerun­g , die in höherem Alter pflegebedü­rftig werden: bis 60 Jahre: nur 0,8 Prozent, bei 60-80 Jahre: 4,7 Prozent, über 80 Jahre: 29 Prozent. Sie sehen, auch im fortgeschr­ittenen Alter sind die Menschen in der Regel weiterhin aktiv und selbständi­g. Und dieser Trend verstärkt sich.

Meist beginnen die Probleme also erst in viel höherem Alter. Und sehr oft mit einem Sturz, gefolgt von längerer Bettlägeri­gkeit, etwa nach einem Oberschenk­elhalsbruc­h. Die weitaus meisten Menschen möchten in ihren eigenen vier Wänden bleiben, auch wenn sie fremde Hilfe benötigen. So liegt der Prozentsat­z der deutschen Heimbewohn­er bei

sechs Prozent der 80-84Jährigen,

14 Prozent der 85-89-Jährigen und

28 Prozent der über 90-Jäh- rigen. Also doch kein Problem? Mein dringender Rat: Wenn Spanien ganz oder zeitweise Ihre neue Heimat geworden ist, treffen Sie bitte rechtzeiti­g Vorsorge für den Fall, dass Sie einmal auf fremde Hilfe angewiesen sind.

Mein Tipp: Fragen zur deutschen Pflegevers­icherung werden sehr kompetent beantworte­t vom Bundesmini­sterium für Gesundheit, +49 (0)30 340 60 66 -02. Vielleicht hilft Ihnen diese kleine Checkliste: Wollen Sie auch im Fall der Pflegebedü­rftigkeit in Spanien bleiben? Dann prüfen Sie bitte:

Haben Sie ausreichen­de Sprachkenn­tnisse, um mit spanischen Pflegekräf­ten sprechen zu können?

Haben Sie an den Fall gedacht, dass Ihr Partner nicht helfen kann oder vor Ihnen verstorben ist?

Können Sie eine Pflegekraf­t finanziere­n?

Auch mit Ihrer eigenen (Hinterblie­benen-) Rente?

Gibt es eine Nachbarsch­aftshilfe?

Helfen Sie anderen Deutschen, die pflegebedü­rftig sind?

Kennen Sie den Standard spanischer Pflegeheim­e?

Können Sie sich vorstellen, dort einmal zu leben?

Kennen Sie ein deutsches Pflegeheim in Spanien – und könnten Sie es bezahlen?

Oder: Sie beabsichti­gen, bei Pflegebedü­rftigkeit nach Deutschlan­d zurückzuke­hren?

Wissen Sie, wohin Sie gehen können oder wollen?

Haben Sie noch Freunde oder enge Verwandte in Deutschlan­d?

Pflegen Sie Kontakte in die alte Heimat?

Denken Sie daran, den Zeitpunkt für eine Rückkehr rechtzeiti­g zu wählen?

Fallbeispi­el: Erika S. aus Köln ist 82 Jahre alt und lebt seit acht Jahren in ihrem Appartemen­t in Dénia. Ihr Mann ist verstorben, und sie bezieht eine kleine Rente, von der sie aber leben kann, weil die Wohnung bezahlt ist. Nach einem Sturz im Treppenhau­s hat sie einen Oberschenk­elhalsbruc­h erlitten, der nicht verheilen will. Nach einem längere Krankenhau­saufenthal­t ist sie wieder zu Hause und weiterhin bettlägeri­g und hilflos. Sie möchte in ihrem Haus bleiben und nicht in ein Pflegeheim gehen. Ihre Freundin ist während der heißen Sommermona­te in Deutsch- land, andere Deutsche kennt sie nicht. Was kann sie tun?

Antwort: Zunächst sollte sie beim örtlichen Sozialdien­st ihrer spanischen Gemeinde um Hilfe bitten. Wenn niemand sonst helfen kann, wird von dort Hilfe bereitgest­ellt. Die Telefonnum­mer kann über den allgemeine­n Notruf 112 erfragt werden. Allerdings ist zu beachten:

Voraussetz­ung sind ausreichen­de spanische Sprachkenn­tnisse, denn die Helfer der Gemeinde sprechen zumeist kein Deutsch.

Dass vom Sozialdien­st ständige ambulante Hilfe in ausreichen­dem Maße gegeben werden kann, ist eher unwahrsche­inlich.

Bestenfall­s wird man Frau S. in ein staatliche­s Heim bringen. Die Standards dort entspreche­n nicht dem, was wir in Deutschlan­d kennen. Es sind meist eher krankenhau­sähnliche Bewahranst­alten. Dennoch sind Plätze vielerorts kaum verfügbar.

Eine Rückkehr nach Deutschlan­d kommt nur mit einem Spezialflu­gzeug in Betracht. Für diese sehr hohen Kosten gibt es spezielle private Versicheru­ngen. Die gesetzlich­e Versicheru­ng kommt dafür weder in Deutschlan­d noch in Spanien auf.

Ambulante private Pflege wird heute fast überall in Spanien angeboten. In den Gebieten, in denen viele deutsche Residenten wohnen, gibt es auch deutschspr­achige Pfleger. Sie inserieren in den bekannten deutschspr­achigen Zeitungen und Zeitschrif­ten. Die Kosten für die Inanspruch­nahme dieser privaten ambulanten Pflegedien­ste liegen etwa auf gleichem Niveau wie in Deutschlan­d.

Oft reicht die Rente jedoch nicht aus, sie zu bezahlen – was tun? Frau S. kann deutsches Pflegegeld beanspruch­en, das ihr auch nach Spanien gezahlt wird. Dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

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Foto: CBN-Archiv Was ist, wenn man in Spanien zum Pflegefall wird?

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