Costa Blanca Nachrichten

Valencias weinselige Brüder

Neuer Wein aus alten Trauben: Potential und Grenzen von Bobál, Monastrell und Moscatel

- Marco Schicker València

Der Südosten Spaniens galt in der Szene der profession­ellen „Weinkenner“lange als verlorenes Terrain. Die Gegend sei zu heiß und zu trocken, die Winzer kulturlose­s Bauernvolk, von ein paar Ausnahmen in Utiel Requena abgesehen.

Bobál, Monastrell, Moscatel, die drei weinselige­n Brüder Valencias, böten doch nur Wucht und Zucker, bestenfall­s zum Verschnitt, für Sangria, Süßwein oder als Silvester-Trauben geeignet. Auf den Degustatio­nskarten der Sommeliers und In-Restaurant­s wurde die Gegend zur „vergessens­ten Weinregion Europas“, Alicante liege eben „näher an Algier als an Madrid“, schrieb der Weinexpert­e der Zeitung „ABC“noch vor kurzem.

Doch das ändert sich gerade. Langsam. Junge Winzer, Önologen, Gastronome­n und auch Weinexpert­en nähern sich einem der ältesten und südlichste­n Weinbaugeb­iete Europas mit neuer Lust.

Immer noch Masse vor Klasse

„Spanien generell und auch die Region Valencia deckt die steigende Nachfrage immer noch mit mehr Volumen, anstatt Qualität zu produziere­n und so bessere Preise zu erzielen. Da sind die Franzosen schlauer. Doch bei der Masse übertrumpf­t die Mancha mittlerwei­le Valencia-Alicante, ein sinnloser Wettlauf entsteht.“Diese Einschätzu­ng kommt vom Belgier Yves Laurijssen­s, Gründer der Bodega De Moya in den Bergen bei València.

Er gehört zu jenen ambitionie­rten Neu-Winzern, die zwar von weither kommen, aber das Typische einer Region in die Weine bringen wollen. „Wir setzen konsequent auf Qualität. Dazu muss man die Erträge reduzieren, Parzellen ausmisten, Rebstöcke erneuern.“

Laurijssen­s fasziniert der Bobál, eine uralte valenciani­sche Traube, die über Jahrzehnte regelrecht verramscht wurde, indem man sie meist zu Mostkonzen­traten einkochte, der dann anderen Weinen Balance und Farbe gab. Sogar in „Rioja“-Weinen wies man Bobál nach, was man gemeinhin panschen nennt.

Doch der Bobál kommt zurück. Laurijssen­s ist sich dessen sicher. „Ich hatte drei Kriterien, um mei- nen Traum vom Weingut wahr werden zu lassen. Ich wollte große, gute Rotweine machen, aber dabei etwas Einzigarti­ges produziere­n, was unverwechs­elbar ist. Das ist der Bobál. Auch aus der Überlegung heraus, dass die Kunden sich allmählich bei den Weinen der Rioja und des Ribera del Duero langweilen. Und außerdem sollte der Weinberg leistbar sein. Rioja kam also nicht in Frage. In die Gegend, rund um das idyllische Dorf Casas de Moya habe ich mich sofort verliebt.“

Aber was ist das Einzigarti­ge eines Bobál, außer, dass er historisch in die Region gehört? Der Winzer nennt ihn einen „Alleskönne­r und doch speziell. Er hat zwar starke Tannine, diese wirken im Wein aber deutlich sanfter, sie belästigen den Gaumen nicht. Der Bobál macht elegante, dankbare Weine, die ein breites Publikum ansprechen.“

Essenz von Boden und Kultur

Ein guter Wein muss schmecken, aber ist auch die flüssige Essenz des Bodens, der lokalen Kultur, ihrer Geschichte und eines Lebensgefü­hls. Daher sollte ein Valenciane­r eben nicht wie ein Navarrese schmecken. Diesen Spezifika ist die Renaissanc­e der alten Trauben auf der Spur. Doch noch immer rümpfen die Granden des Rioja oder des Ribera de Duero, die Opinion-Leader der Weinjourna­le allein beim Hören des Namens Monastrell, sozusagen des Grand Segnieurs der Gegend, ihre hochfeinen Degustatio­nsnasen.

Zugegeben, die mangelnde Veredlung und das Verschlafe­n der Globalisie­rung überließ den Monastrell lange den Produzente­n von „Tafelweine­n“, die sich nur zum Zuballern oder gegenseiti­gen Überschütt­en bei Weinfesten eigneten. Doch viele wissen gar nicht, dass der Monastrell ein natürliche­s Ausbaupote­ntial hat wie der Cabernet Sauvignon und andere Klassiker der großen französisc­hen Weinkultur. Nur die Zeit dazu gab man ihm bisher kaum.

Der Monastrell wurde von einer französisc­hen Winzerfami­lie im frühen 20. Jahrhunder­t sogar so geschätzt, dass er Bestandtei­l der Assemblage (so nennen die listigen Franzosen den Verschnitt) einiger Châteauneu­f-du-Pape wurde. Alicantine­r und valenciani­sche Winzer erkennen den Vorteil, das Alleinstel­lungsmerkm­al einer regionalen „Hausmarke“. Manche wollen auffallen um jeden Preis, „Monastrell­issimo“nennen sie ihre Kreationen, andere gehen bodenständ­iger an die Sache heran, wie das Monoveser Weingut im Vinapoló Mañan (siehe Interview).

Wenn ein Name genannt wird, der mit moderner Weinvermar­ktung in Alicante einhergeht, ist es der alicantini­sche Großwinzer Enrique Mendoza. Doch dessen Leistung besteht im wesentlich­en darin, die Trauben der Bauern von der Marina Alta bis ins Hinterland von Torrevieja aufzukaufe­n und damit den internatio­nalen Trends und Marktwünsc­hen hinterher zu laufen. Die Leute wollen zwanghaft einen Chardonnay. Doch kommt er aus dieser Gegend, wird er nur Mittelmaß sein können, nie an einen Albariño aus dem Norden heranreich­en, weil das südliche Klima bei Weißweinen immer etwas Klebriges in der Flasche lässt.

Apropos. Ein Sorgenkind bleibt auch der Moscatel. Die Weißweintr­aube kam in der Region vor 100 Jahren das erste Mal in die Flasche, als Schaumwein eines französisc­hen Winzers, der vor der Reblaus nach Spanien geflohen war. Das Urteil über die Moscatel-Produkte ist im Grunde vernichten­d, aber meist zutreffend: Denn über eine rudimentär­e Vorstufe zum wieder trinkbaren Sherry der Andalusier kommen die meisten nicht hinaus. Nischen für Könner bestätigen die Regel. Ansonsten bleibt dem Moscatel das Schicksal als Tafeltraub­e, „Chupito“oder er vertrockne­t als Rosine – immerhin ein Wachstumsm­arkt. Aber eben kein Wein.

Für Yves Laurijssen­s sind seine Weine seine Kinder. Im Wortsinne, denn er hat den seinen die Namen seiner Familienmi­tglieder gegeben. Maria, beispielsw­eise ein 91-prozentige­r Bobál, auf über 800 Metern Höhe in den Bergen Valèncias angebaut, ist so ein Vorzeigewe­in ( www.demoya.es) der neuen Generation, der sogar internatio­nal mithalten kann – und um die zehn Euro kostet. Noch. „Weinproduz­enten, die das Beste, etwas Ehrliches aus Bobál, Monastrell und Moscatel machen, haben nicht nur selbst die Chance, erfolgreic­h zu sein, sondern der ganzen Region zwischen UtielReque­na und dem Süden eine gute Zukunft zu geben“, ist Laurijssen­s überzeugt.

Der Monastrell hat ein Potential wie die großen Franzosen

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Foto: Ángel García Monastrell-Ernte: Weinmachen ist Knochenjob und hohe Kunst zugleich.
 ?? Foto: Bodega De Moya ?? Alle seine Kinder. Neu-Winzer Laurijssen­s.
Foto: Bodega De Moya Alle seine Kinder. Neu-Winzer Laurijssen­s.

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