Valencias weinselige Brüder
Neuer Wein aus alten Trauben: Potential und Grenzen von Bobál, Monastrell und Moscatel
Der Südosten Spaniens galt in der Szene der professionellen „Weinkenner“lange als verlorenes Terrain. Die Gegend sei zu heiß und zu trocken, die Winzer kulturloses Bauernvolk, von ein paar Ausnahmen in Utiel Requena abgesehen.
Bobál, Monastrell, Moscatel, die drei weinseligen Brüder Valencias, böten doch nur Wucht und Zucker, bestenfalls zum Verschnitt, für Sangria, Süßwein oder als Silvester-Trauben geeignet. Auf den Degustationskarten der Sommeliers und In-Restaurants wurde die Gegend zur „vergessensten Weinregion Europas“, Alicante liege eben „näher an Algier als an Madrid“, schrieb der Weinexperte der Zeitung „ABC“noch vor kurzem.
Doch das ändert sich gerade. Langsam. Junge Winzer, Önologen, Gastronomen und auch Weinexperten nähern sich einem der ältesten und südlichsten Weinbaugebiete Europas mit neuer Lust.
Immer noch Masse vor Klasse
„Spanien generell und auch die Region Valencia deckt die steigende Nachfrage immer noch mit mehr Volumen, anstatt Qualität zu produzieren und so bessere Preise zu erzielen. Da sind die Franzosen schlauer. Doch bei der Masse übertrumpft die Mancha mittlerweile Valencia-Alicante, ein sinnloser Wettlauf entsteht.“Diese Einschätzung kommt vom Belgier Yves Laurijssens, Gründer der Bodega De Moya in den Bergen bei València.
Er gehört zu jenen ambitionierten Neu-Winzern, die zwar von weither kommen, aber das Typische einer Region in die Weine bringen wollen. „Wir setzen konsequent auf Qualität. Dazu muss man die Erträge reduzieren, Parzellen ausmisten, Rebstöcke erneuern.“
Laurijssens fasziniert der Bobál, eine uralte valencianische Traube, die über Jahrzehnte regelrecht verramscht wurde, indem man sie meist zu Mostkonzentraten einkochte, der dann anderen Weinen Balance und Farbe gab. Sogar in „Rioja“-Weinen wies man Bobál nach, was man gemeinhin panschen nennt.
Doch der Bobál kommt zurück. Laurijssens ist sich dessen sicher. „Ich hatte drei Kriterien, um mei- nen Traum vom Weingut wahr werden zu lassen. Ich wollte große, gute Rotweine machen, aber dabei etwas Einzigartiges produzieren, was unverwechselbar ist. Das ist der Bobál. Auch aus der Überlegung heraus, dass die Kunden sich allmählich bei den Weinen der Rioja und des Ribera del Duero langweilen. Und außerdem sollte der Weinberg leistbar sein. Rioja kam also nicht in Frage. In die Gegend, rund um das idyllische Dorf Casas de Moya habe ich mich sofort verliebt.“
Aber was ist das Einzigartige eines Bobál, außer, dass er historisch in die Region gehört? Der Winzer nennt ihn einen „Alleskönner und doch speziell. Er hat zwar starke Tannine, diese wirken im Wein aber deutlich sanfter, sie belästigen den Gaumen nicht. Der Bobál macht elegante, dankbare Weine, die ein breites Publikum ansprechen.“
Essenz von Boden und Kultur
Ein guter Wein muss schmecken, aber ist auch die flüssige Essenz des Bodens, der lokalen Kultur, ihrer Geschichte und eines Lebensgefühls. Daher sollte ein Valencianer eben nicht wie ein Navarrese schmecken. Diesen Spezifika ist die Renaissance der alten Trauben auf der Spur. Doch noch immer rümpfen die Granden des Rioja oder des Ribera de Duero, die Opinion-Leader der Weinjournale allein beim Hören des Namens Monastrell, sozusagen des Grand Segnieurs der Gegend, ihre hochfeinen Degustationsnasen.
Zugegeben, die mangelnde Veredlung und das Verschlafen der Globalisierung überließ den Monastrell lange den Produzenten von „Tafelweinen“, die sich nur zum Zuballern oder gegenseitigen Überschütten bei Weinfesten eigneten. Doch viele wissen gar nicht, dass der Monastrell ein natürliches Ausbaupotential hat wie der Cabernet Sauvignon und andere Klassiker der großen französischen Weinkultur. Nur die Zeit dazu gab man ihm bisher kaum.
Der Monastrell wurde von einer französischen Winzerfamilie im frühen 20. Jahrhundert sogar so geschätzt, dass er Bestandteil der Assemblage (so nennen die listigen Franzosen den Verschnitt) einiger Châteauneuf-du-Pape wurde. Alicantiner und valencianische Winzer erkennen den Vorteil, das Alleinstellungsmerkmal einer regionalen „Hausmarke“. Manche wollen auffallen um jeden Preis, „Monastrellissimo“nennen sie ihre Kreationen, andere gehen bodenständiger an die Sache heran, wie das Monoveser Weingut im Vinapoló Mañan (siehe Interview).
Wenn ein Name genannt wird, der mit moderner Weinvermarktung in Alicante einhergeht, ist es der alicantinische Großwinzer Enrique Mendoza. Doch dessen Leistung besteht im wesentlichen darin, die Trauben der Bauern von der Marina Alta bis ins Hinterland von Torrevieja aufzukaufen und damit den internationalen Trends und Marktwünschen hinterher zu laufen. Die Leute wollen zwanghaft einen Chardonnay. Doch kommt er aus dieser Gegend, wird er nur Mittelmaß sein können, nie an einen Albariño aus dem Norden heranreichen, weil das südliche Klima bei Weißweinen immer etwas Klebriges in der Flasche lässt.
Apropos. Ein Sorgenkind bleibt auch der Moscatel. Die Weißweintraube kam in der Region vor 100 Jahren das erste Mal in die Flasche, als Schaumwein eines französischen Winzers, der vor der Reblaus nach Spanien geflohen war. Das Urteil über die Moscatel-Produkte ist im Grunde vernichtend, aber meist zutreffend: Denn über eine rudimentäre Vorstufe zum wieder trinkbaren Sherry der Andalusier kommen die meisten nicht hinaus. Nischen für Könner bestätigen die Regel. Ansonsten bleibt dem Moscatel das Schicksal als Tafeltraube, „Chupito“oder er vertrocknet als Rosine – immerhin ein Wachstumsmarkt. Aber eben kein Wein.
Für Yves Laurijssens sind seine Weine seine Kinder. Im Wortsinne, denn er hat den seinen die Namen seiner Familienmitglieder gegeben. Maria, beispielsweise ein 91-prozentiger Bobál, auf über 800 Metern Höhe in den Bergen Valèncias angebaut, ist so ein Vorzeigewein ( www.demoya.es) der neuen Generation, der sogar international mithalten kann – und um die zehn Euro kostet. Noch. „Weinproduzenten, die das Beste, etwas Ehrliches aus Bobál, Monastrell und Moscatel machen, haben nicht nur selbst die Chance, erfolgreich zu sein, sondern der ganzen Region zwischen UtielRequena und dem Süden eine gute Zukunft zu geben“, ist Laurijssens überzeugt.
Der Monastrell hat ein Potential wie die großen Franzosen