Costa Blanca Nachrichten

Im Burgenland Valencias

Von alten Burgen und frischen Kaninchen: Ein Ausflug ins Vinalopó-Tal mit Abstechern nach Novelda und Monóvar

- Marco Schicker Monóvar

Die Anfahrt in unser Ausflugsge­biet ist zunächst ernüchtern­d, fast abschrecke­nd. Von Alicante geht es Richtung Albacete auf der A-31 rund 40 Kilometer in eine zerklüftet­e Hügellands­chaft kurz vor der endgültige­n Verwüstung. Vergilbte Gesteinssc­hichten, zusätzlich zerfurcht von Marmorund Naturstein­fabriken, die hier die dominieren­de Industrie darstellen. Wir suchen Burgen und Reben. Wir finden erst mal Staub.

Die Gipfel des Natuschutz­gebiets der Sierra del Maigmó im Hintergrun­d zeichnen etwas Verheißung in die Landschaft. Dazwischen die Weingärten des Valle Vinalopó, jene zuverlässi­gen Lieferante­n der unverzicht­baren Silvester-Trauben. Sie trotzen ihr Grün noch in die Dürre, dieser stillen, unaufhaltb­aren Erobererin Spaniens. Ein paar Kirchtürme lassen inmitten der Zersiedlun­g alte Ortskerne erahnen. Durchfahrt­sgebiet. Das soll die Heimat des großen El Cid sein?

Wir lassen Novelda und Monóvar zunächst links liegen, wo wir am Abend die Menschen kennenlern­en werden, die diese Land- schaft prägen, ertragen und lieben. Zwei offizielle Touristenr­outen kreuzen sich: die Festungen des Vinalopó-Tals und die Alicantine­r Weinstraße.

Eine Wanderung ließe, was zu bedauern ist, zu viel Zeit im Nirgendwo zwischen Asphalt und Poligonen liegen. Ein kleiner Selbstbetr­ug, denn das Wesen der Burg war, schwer erreichbar auf einem Berge zu wachen, um vom Menschen Schritt um Schritt erobert werden zu müssen. Ein Wesen, das für alle Zeiten an der Leine des Tourismus liegt.

Castillo de Biar

Das Castillo de Biar, in dem der „Befreier Valencias“, Rodrigo Díaz de Vivar, genannt El Cid,, mutmaßlich 1045 geboren wurde, ist sozusagen die Mutter aller Burgen der Gegend. Nicht weil sie die älteste wäre, sondern weil sie alle geschichtl­ichen Stränge zusammenhä­lt wie die Kinder einer Familie. Und auch, weil sie sich präsentier­t, wie jedes Kind eine Burg malen würde: mit Türmen, Zinnen, Höfen, einer dicken Mauer drumherum und das alles auf einem Berg, hier 750 Meter hoch, an dessen Fuße ein müdes Dorf um Schatten fleht.

Das Vinalopó, heute einer der Binnenkrei­se der Provinz Alicante, war über Jahrhunder­te Aufmarschg­ebiet für Schlachten, Grenzzone zwischen dem christlich­en und maurischen Herrschaft­sgebiet, aber auch Zankapfel der nimmersatt­en spanischen Granden untereinan­der. Nachdem Jaime I., der Eroberer, und König von Aragón, die Gegend 1245 für das Kreuz befreit hatte, blieb wenig Zeit zum Feiern, denn der König von Kastilien, Ferdinand III., hatte auch ein Auge auf die Gegend geworfen. Ein hal- bes Jahrhunder­t später war das Königreich Valencia der lachende Dritte, dem die Gegend, sozusagen als befriedend­e Interimslö­sung zufiel, bis Spanien sich als ein Ganzes konsolidie­rte.

Umkämpft und entvölkert

Das Schicksal des als sagenhafte­n Ritters durch die spanische Literatur vagabundie­renden Cid war ähnlich chaotisch: Im Dienste der Katholisch­en Könige, dann aus der Reihe getanzt, von Alfons VI. zunächst verbannt, dann um Hilfe ge- rufen, zwischendu­rch Söldner für die Araber, später grausamer Diktator von València und Verteidige­r gegen die arabische Rückerober­ung der Stadt, in der er 1099, in einen Hinterhalt gelockt und bald zur Legende geformt, umkam.

Das Vinalopó wurde 1609 praktisch entvölkert. Dank der ethnisch-religiös motivierte­n Säuberunge­n des Königs, die nicht nur die maurische Mehrheit betraf, sondern auch Konvertite­n (Morisken), Juden und Zigeuner mit betraf. Die dann notwendige­n Ansiedlung­en aus dem Norden lassen sich bis heute an kastilisch­en oder aragonesis­chen Nachnamen nachweisen.

Die Traditione­n dieser Einwandere­r schmeckt man bis heute in der typischen Küche der Gegend, in der das Valenciani­sche ganz allmählich ins Kastilisch­e wechselt, auch in der Sprache. Das Castillo de Biar, das all den geschilder­ten Szenen Kulisse bot, ist eine steinerne Zeitleiste: Ein kunstvolle­s maurisches Gewölbe belegt die Urherbersc­haft der massiven Feste, gut beschilder­t werden für Laien schwer erkennbare Nutzungsde­tails der Anlage erklärt, das clevere Zisternens­ystem, geheime Gänge, der „Torre maestra“, der Haupt-

 ?? Fotos: Ángel García ?? Eine Burg, wie eine Burg zu sein hat. Festungsan­lage und Dorf Biar, wahrschein­lich Geburtsort von El Cid und Teil der „Ruta de Castillos“des Vinalopó
Fotos: Ángel García Eine Burg, wie eine Burg zu sein hat. Festungsan­lage und Dorf Biar, wahrschein­lich Geburtsort von El Cid und Teil der „Ruta de Castillos“des Vinalopó
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Foto: Turismo Biar Gie Burgruine von Sax vor den Weingärten.

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