Im Tal der Wildblumen
Eine aussichtsreiche Wanderung rund um Bocairent, wo die Vergangenheit lebendig wird
Um eine neue reizvolle Gegend kennen zu lernen, sollte der Naturund Kulturliebhaber auch gerne mal eine etwas weitere Anfahrt in Kauf nehmen. Neben den Wanderrouten locken auch die dazugehörigen Orte, die oft viele mittelalterliche Kleinode beherbergen. So wie das am Fuße der Sierra Mariola gelegene Bocairent, ein sehenswertes Dorf aus arabischer Zeit. Enge holprige Gassen, schmale hohe, an die Felsen geschmiegte Häuser, alte Steinmauern und Brücken erinnern bei jedem Schritt an die Vergangenheit. Hochinteressant sind die 53 maurischen Fensterhöhlen, die man durchsteigen kann und die uns auch heute noch viele Rätsel aufgeben. Etliche Wanderungen nehmen in diesem Ort ihren Anfang, wobei die nachfolgend beschriebene Route nach einer interessanten BarrancoDurchquerung an der Wallfahrtskirche Sant Crist vorbei führt, die auf einem 730 Meter hohen, erhabenen Hügel liegend einen umfassenden Blick auf Bocairent und die Fensterhöhlen gewährt.
Von Ihrem Parkplatz rechts der Brücke gehen Sie in den Ort hinein. Einige Meter vor dem Rathausplatz folgen Sie der Seitenstraße, die links in Richtung „Ermita y Pont Sant Crist“abwärts führt. Vor dieser mittelalterlichen Brücke, die man im Jahre 1563 als Zugang zur Wallfahrtskirche Sant Crist errichtete, biegen Sie links ab.
Sie sind nun im Barranco de Crist, der in seiner Fortsetzung in den Barranco Infierno übergeht. Der Wanderpfad ist gut sichtbar und führt in leichtem Auf und Ab durch die mit Kräutern geschmückte Schlucht. Der Blumenfreund findet hier ein reiches Feld, denn die vielen verschiedenen Arten von Wildblumen sorgen immer wieder für Überraschungen. Das Überwinden einiger Felsbrocken bringt zusätzlichen Spaß und ist keine große Sache. Daneben findet der neugierige Wanderer auch noch ein wenig Abwechslung in der Erkundung einiger stillgelegter Steinbrüche rechts des Weges.
Etwa 50 Minuten werden Sie unterwegs sein, wenn sich die Landschaft etwas verändert. Ackerterrassen werden sichtbar und gleichzeitig lässt sich links oben das festungsähnliche „Mas de la Derrota“an seinen beiden Türmen gut erkennen.
Etwa zehn Minuten später stoßen Sie auf einen Querbarranco, an dem man im ersten Moment leicht unsicher ist und den Weiterweg
Schlendern zwischen duftenden Kräutern und märchenhafter Ruhe
anzweifelt. Gehen Sie hier nach rechts, steigen Sie ein wenig über die Felsen und schon sehen Sie wieder den deutlichen und recht eindeutig nach links weiterführenden Wanderpfad.
Eingerahmt von interessanten Felswänden und gesäumt von Zistrosen und duftenden Kräutern schlendern Sie durch diese einsa- me und märchenhafte Ruhe ausstrahlende Schlucht sanft bergauf. Manchmal unterbricht das erschreckte Auffliegen von Rebhühnern die erhabene Stille, aber daran ist der passionierte Wanderer mittlerweile gewöhnt.
Immer wieder faszinieren die durchlöcherten Felswände, aber ganz besonders sollten Sie auf eine Stelle achten, wo sich fünf Höhlen auf etwa gleicher Höhe befinden. Waren diese Höhlen früher bewohnt? Und wann? Wie kam man dorthin?
Fragen über Fragen, auf die man leider auch bei intensiver Suche keinerlei Antwort findet.
Nach etwa 1,5 Stunden Barrancowanderns trifft man recht unvermittelt auf einen breiten Querweg. Hier geht man nach rechts weiter und in weit ausholenden Serpentinen bis zu einem Wanderschild „Ermita Sant Crist“.
Wenn man noch frisch und neugierig ist, könnte man hier, nach links aufsteigend noch ein Gipfelerlebnis einbeziehen. Unsere normale Route bleibt auf dem Panoramaweg und führt mit schönem Blick auf die Sierra de Mariola zum Pla de Llobregat, wo sich die Wege verzweigen und wir auf die Route PR CV 306 treffen.
Gleichzeitig findet man hier das kleine Häuschen Caseta de Llobregat, wo sich einige gemauerte Bänke für eine willkommene schattige Rast anbieten. Das letzte Wegstück bietet nochmals schöne Ausblicke auf das Vall de Albaida, das Bergdorf Agres, den Benicadell und die bizarren Barrancos Fos und Els Tarongers. Erreicht man dann die im 16. Jahrhundert erbaute Wallfahrtskirche ist man nicht nur durch ihre Größe, sondern auch durch ihre unvergleich- lich schöne Lage beeindruckt. Das Territorium besteht aus dem alten gotischen Kloster – heute Pilgerunterkunft, dem Haus der Geistlichen und der Kirche mit angebautem Glockenturm. Hübsch anzusehen ist neben der Sonnenuhr auch die kleine Steinikone (Pantokrator), wobei sich in der Nähe der Ermita auch noch ein Gedenkstein für die Gefallenen des Carlistischen Kriegs 1873 bestaunen lässt.
Gegenüber der Ermita, im Barranco del Fos machen die 53 Fensterhöhlen auf sich aufmerksam. Man kann sie besuchen, muss sich dabei aber recht anstrengend durch ziemlich enge Durchgänge quetschen. Diese Höhlen sind wahrscheinlich maurischen Ursprungs und sollen als Wohn- und Lagerräume genutzt worden sein. Von diesen Wohnhöhlen findet man noch mehr in der Umgebung von Alfafara und Ontinyent, jedoch die hier zu sehenden sind mit Abstand die Umfangreichsten. Aber alle diese Höhlen sind von großem kulturhistorischem Interesse und wurden als „Monumento Histórico-Artistico“deklariert.
Den Abstieg sollte man gemächlich angehen, damit nicht noch ein „Knieschnaggler“den passionierten Wanderer für Tage außer Gefecht setzt. Als krönenden Abschluss dieser natur- und kulturhistorischen Wanderung würde sich neben einem Ortsbummel auch eine Einkehr in einer der zahlreichen Bars von Bocairent anbieten.