Ein Magisches Labyrinth
In Alicante wird die Bürgerkriegschronik des kosmopoliten Schriftstellers Max Aub aufgeführt
Der polyglotte und kosmopolite Schriftsteller Max Aub hatte die deutsche Nationalität, weil sein Vater Deutscher war, die französische, weil er als Sohn einer Französin 1903 in Paris geboren wurde, die spanische, weil er 1914 mit seinen Eltern nach València zog und mit 21 Jahren die spanische Staatsbürgerschaft annahm. Die mexikanische, weil er nach Mexiko ins Exil ging und dort 1972 starb. Geschrieben hat er alle seine Romane, Theaterstücke und Gedichte auf Spanisch.
Nach Mexiko war er vor den Folgen des Spanischen Bürgerkriegs geflohen, ein Trauma, mit dem er sich in einem sechsbändigen Romanzyklus „El laberinto mágico“auseinandersetzte. Im Oktober wird das Werk als Theaterstück in Alicante und València, im November in Barcelona aufgeführt.
València gedenkt mit der Aufführung dem Ende als Hauptstadt Spaniens vor 80 Jahren. Denn von November 1936 bis Oktober 1937 war die Regierung der Zweiten Republik aus dem von den FrancoTruppen belagerten Madrid in die Hafenstadt València geflohen. Die letzte republikanische Stadt, die von den Truppen Francos erobert wurde, war Alicante. Das Stück in Alicante aufzuführen, habe daher großen symbolischen Wert, betont der Intendant des Teatro Principal, Francesc Sanguino, der keine Anstrengungen scheute, die Kosten zu stemmen.
Gezeigt wird die mehrfach ausgezeichnete Inszenierung des Centro Dramático Nacional (CDN), des Madrider Staatstheaters, mit dem Intendanten und Regisseur Ernesto Caballero. Die Bühnenversion von José Ramón Fernández fasst die sechs Romane Aubs über den Bürgerkrieg mit dem Obertitel „El Laberinto mágico“in zwei Stunden zusammen: Campo cerrado, Campo de sangre, Campo abierto, Campo del moro, Campo francés und Campo de los almendros. 30 Jahre, bis 1968, hat Aub an diesem 3.000-Seiten-Mammutwerk gearbeitet.
Den Zuschauer erwartet eine fiktionale Chronik, eine gewaltige Collage aus Ereignissen des Bürgerkriegs in Barcelona, València, Madrid, Teruel und Alicante. Eine Reflektion über die Natur des Menschen, mit Straßenkämpfen und Ehekrächen, Spionage und Verrat, Szenen aus den Schützengräben, Kabarettfreuden, bitteren Gedanken, standrechtlichen Erschießungen, kühnen Taten und miserablen Handlungen. Freundschaft und Solidarität, Flucht und Bombardierungen, die alles auslöschen.
Das Ende im März 1939 im Hafen von Alicante. Ströme republikanischer Flüchtlinge, die versuchen eine Überfahrt auf einem
Als Kulturattaché beauftragte Aub Picasso, und der schuf Guernica für Pariser Weltausstellung
Schiff zu ergattern, um das Land zu verlassen und ihr Leben zu retten. Die Flugzeuge Francos bombardieren den Hafen, die Menschen, die ins Exil flüchten wollten, sterben.
„Der Krieg, das größte Theater“, sagte Aub. Es ist episches Theater. Der Titel spielt auf das magische Labyrinth des Minotaurus an und den Stier als Symbol Spaniens. Immer, wenn bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen drohen, laufen die Spanier durch dieses Labyrinth ohne Ausweg. Verwoben ist die Handlung mit dem Theater, Studenten spielen Theater, zwei Laienschauspieler, die sich verlieben, geraten in das belagerte Madrid, Reflektionen über die Rolle des Theaters in einem Land, das sich im Krieg befindet. Theater im Theater. Der politische Chronist und der Kulturmann verbinden sich.
Manschetten und Literatur
Wer war Max Aub? Als Sohn jüdischer Eltern wurde er 1903 in Paris geboren. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 floh die Familie in das neutrale Spanien, nach València. Aub interessierte sich für Literatur und wollte studieren. Sein Vater wollte, dass er sein Geschäft übernahm. So zog Aub drei Jahre als Handlungsreisender für Kurzwaren für Männer durch Spanien und verkaufte Manschettenknöpfe und Krawattennadeln. Er beobachtete viel und las, was er in die Finger bekam.
Porträts seiner Zeitgenossen fanden später aus dem mexikanischen Exil heraus Niederschlag in seinen Büchern. Im 1954 erschienenen Roman „Las buenas intenciones“setzt er neben Madrid, Barcelona und Zaragoza auch der valencianischen Spielzeugstadt Ibi ein Denkmal. Aus Ibi stammte Aubs Freund Pascual Pla y Beltrán, er kannte die Gemeinde gut.
Er knüpfte erste Kontakte zu Literatenkreisen in València und Madrid und begann zu schreiben. 1923 wurden zum ersten Mal Gedichte von ihm im Ateneo in Madrid gelesen. Er schrieb Theaterstücke. 1925 lernte er den Filmemacher Luis Buñuel kennen.
1926 heiratete er Perpetua Barjau Martín aus Valencia. 1929 trat er in die PSOE ein. 1931 wurde die Zweite Republik ausgerufen. 1935 leitet er das Studententheater El Búho, das Stücke spanischer Klassiker aufführt. Am 18. Juli 1936, zu Beginn des Bürgerkriegs, war Aub in Madrid und lernte André Malraux kennen, den Schriftsteller und späteren Innen- und Kulturminister Frankreichs, der tatkräftig die Zweite Republik unterstützte. Auch der Sozialist Aub stand im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik.
Zurück in València gründete er mit Jusep Renau die Zeitschrift „Verdad“, die eine Vereinigung der spanischen Sozialisten und Kommunisten vorschlug. El Búho führte Stücke zugunsten der Milizen auf.
Der Botschafter der Spanischen Republik in Paris ernannte Max Aub zum Kulturattaché. In dieser Position gab er Pablo Picasso, der damals in Paris lebte, den Auftrag für ein Wandgemälde für den spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung 1937: Picasso schuf das monumentale Antikriegsbild Guernica. Dass Aub als Vertreter der legitimen spanischen Regierung handelte, machte es 1981 möglich, das Bild von New York nach Spanien zu holen.
1938 drehte er mit André Malraux in Barcelona und Dörfern der Umgebung den Film „Sierra de Teruel“. Aub war zur Uraufführung 1939 in Paris. Als die Republikaner den Spanischen Bürgerkrieg verloren und die Diktatur Francos begann, wurde Aub in Paris unter Kommunismus-Verdacht festgenommen und drei Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern interniert. Der Schriftsteller John Dos Passos vermittelte 1942 schließlich seine Freilassung und Ausreise nach Mexiko.
Dort arbeitete Aub als Journalist, Drehbuchschreiber, Filmregisseur und Dramaturg. Er leitete das mexikanische Filminstitut. 1945 konnte er seine Frau und die drei Töchter nachholen, die in València hatten bleiben müssen. Er schrieb die Dialoge für Buñuels Film „Los Olvidados“(Die Vergessenen), der 1951 bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet wurde. Mitte der 50er Jahre reiste Aub nach Europa und in die USA, war als Gastdozent tätig und gründete an der Uni Jerusalem im Auftrag der Unesco ein Institut für hispanoamerikanische Kultur.
Aub war von Heimweh geplagt, von schwierigen Erfahrungen in den Lagern, aber er verlor seinen Humor nicht. Ganz im Gegenteil, er flüchtete in Satire und Ironie. So schickte er seinen Freunden die satirische Zeitung „Correo de Euclides“mit fingierten Nachrichten aus aller Welt. 1958 erschien seine Biografie über Jusep Torres Campalans, einen katalanischen Maler und Mitbegründer des Kubismus. Eine Ausstellung mit Bildern in einer New Yorker Galerie verlieh der Buchveröffentlichung Nachdruck.
Ein Foto zeigt Campalans neben Picasso in einem Café sitzen. Die Kunstwelt reagierte gespalten: Manche Kenner wunderten sich, noch nie etwas von Campalans gehört zu haben, andere meinten, seine Meisterschaft schon vor Jahren entdeckt zu haben.
Tatsache ist, dass es sich um die fiktive Biografie eines erfundenen Malers handelt. Das Foto ist eine Montage von Jusep Renau, die Bilder hat der begabte Aub selbstgemalt. Ein Meisterstreich für Fake-Freunde.
Seine Heimat Spanien konnte Aub erst 1969 wieder betreten. Er sammelte Material für eine Biografie über Luis Buñuel und kann einen Teil seiner Bibliothek, die in der Universität València aufbewahrt wurde, mit nach Mexiko nehmen. Aub war entsetzt über den gesellschaftlichen und intellektuellen Zustand Spaniens. Sein kritisches spanisches Tagebuch „La Gallina Ciega“löste entsprechend eine Debatte über Exil und Widerstand aus. Aub reiste weiterhin viel und hielt Vorträge in der ganzen Welt. 1972 starb er in Mexiko.
Seit den 80er-Jahren kümmerte sich die Stadt Segorbe in Castellón um das Ansehen Max Aubs. 1997 wurde dort offiziell die Max-AubStiftung gegründet.
Im Eichborn Verlag erschienen die sechs Bände des Zyklus „Das magische Labyrinth“auf Deutsch. Albrecht Buschmann und Stefanie Gerhold übertrugen die 3.000 Seiten aus dem Spanischen und wurden für diese Leistung von der Kritik hoch gelobt.