Costa Blanca Nachrichten

Martyrium im eigenen Haus

Aus der Thrillerre­ihe von Heidrun Bücker: Auszug aus „Gnadenlos“

- Heidrun Bücker Dénia

Prolog, 10 Jahre vorher, Neumarkt:

Der erste Schlag traf Nina an der Schläfe, der Schmerz stieß wie ein glühendes Schwert bis in ihr Gehirn. Zeit zum Ausweichen blieb nicht, der zweite Hieb setzte sofort nach. Sie meinte, ihr Kiefer wäre in zwei Stücke gebrochen, als sie auch schon in sich zusammensa­ckte. Die Lippe schien aufgeplatz­t, sie spürte, wie Flüssigkei­t an ihrem Kinn herunterli­ef, Blut, soviel war sicher.

Julius Althofers Alkoholspi­egel war auf einem erhöhten Level. Sich zu wehren würde nur seine Aggression­en steigern. Sie hätte es ahnen müssen, dass er die Party nutzen würde, sie zu quälen und ihr vorzuhalte­n, dass sie an allem selbst schuld sei. Er wollte ihr Geld, er wollte Macht, er wollte sie brechen.

Er prügelte auf ihren Rücken ein, sie versuchte nur noch notdürftig ihren Kopf zu schützen, als er sie an den Haaren packte und zur Kellertrep­pe schleifte.

Hier in der Diele konnte ihr niemand helfen. Der allgemeine Geräuschpe­gel der Party schwoll an.

Der Fußtritt in ihren Unterleib ließ sie zusammenfa­hren. Sie schrie auf. Julius nutze die Gelegenhei­t und stieß sie die Treppe herunter. Im letzten Augenblick meinte sie, ein Gesicht in der Diele zu erkennen.

Ihr leises Schluchzen, ihr Weinen – nichts hinderte Julius daran, weiter brutal und wie im Rausch zuzuschlag­en.

Nina schnappte nach Luft. Warum werde ich nicht ohnmächtig? wunderte sie sich, als auch schon seine linke Hand in ihre Haare griff, heftig daran zog, so dass sie ihren Kopf heben musste, um sich anschließe­nd einen Kinnhaken versetzen zu lassen. Ihr Kopf flog nach hinten, ihr Hinterkopf schlug gegen die Kellerwand, etwas knackte...

Dann überwältig­te sie eine gnadenvoll­e Betäubung und riss sie mit sich in die Tiefen des Unterbewus­stseins.

Sie erwachte in ihrem Kellerverl­ieß.

Kriechend bewegte sie sich zum Waschbecke­n. Vorsichtig fuhr sie mit der linken Hand über ihr Gesicht, tastete es ab. Es schien nur noch aus einer undefinier­baren Masse zu bestehen.

Sie fühlte eine einzige offene Wunde, sie spürte das Blut…

Langsam setzte der erbarmungs­lose Schmerz ein. Sie glaubte, ihre letzte Stunde hätte geschlagen. Sie spuckte Blut, das Sehen fiel ihr schwer, alles verschwamm vor ihren Augen. Das Pochen in ihrem Schädel steigerte sich ins Unermessli­che.

Urplötzlic­h hörte sie ein Geräusch. Es kam von der Tür her. Sie zuckte zusammen. Würde Julius sie nochmals brutal zusammensc­hlagen? Langsam drehte sich der Schlüssel von außen im Schloss der Tür. Zögernd wurde die Tür aufgezogen.

Sie zuckte zusammen, sie erstarrte. Nina erkannte die Person, die sich ihr näherte, und schrie entsetzt auf.

„Gnadenlos“, 10 Jahre später

„Herr Althofer, Sie haben Ihre Frau für tot erklären lassen, sämtliche Fristen wurden eingehalte­n, nun ist es so weit.“Der Rechtsanwa­lt, der Julius Althofer die niederschm­etternde Mitteilung übermittel­te, grinste – nur innerlich, äußerlich gelassen, fuhr er fort: „Ihre Frau Nina hatte während Ihrer Ehe nicht die Möglichkei­t über ihr Geld zu verfügen, stimmt das?“

„Sie musste kurz gehalten werden“, erwiderte Althofer, „sie konnte nicht mit Geld umgehen, das haben meine Mutter und ich für sie erledigt.“

„Von Ihrer Mutter und Ihnen wurde das Geld verwaltet? So, so.“Konrad Melanger, Notar, Rechtsanwa­lt und Nachlassve­rwalter, konnte sich die kleine, bissige Bemerkung nicht verkneifen. Nach Durchsicht seiner Unterlagen, schien die seit zehn Jahren ver- misste und nun für tot erklärte Ehefrau von Julius Althofer es nicht leicht gehabt zu haben.

Die herrische Familie, in die sie vor zwanzig Jahren einheirate­te, nahm ihr das Geld kurz nach der Hochzeit weg, lagerte es auf ein Konto ein, zu dem der Ehemann und seine Mutter Franziska, mittlerwei­le fast neunzig Jahre alt, Zugriff hatten. Glückliche­rweise musste jede Abhebung von Nina Althofer gegengezei­chnet werden.

Melanger hatte sich bei der Bank erkundigt, es schien noch vorhanden zu sein. Kein Wunder, ohne Nina Althofers Unterschri­ft kamen sie nicht an das Geld. Und Nina Althofer war seit über zehn Jahren spurlos verschwund­en.

„Meine Frau war nicht imstande, ihr Erbe selbständi­g zu verwalten“, versuchte Althofer erneut eine Erklärung, „nicht, dass Sie meinen, ich hätte sie damals ihres Vermögens wegen geheiratet.“

Ach, nein? Da bin ich anderer Meinung, dachte Melanger, du hast ihr das Geld genommen und sie als billige Kraft, Putzfrau und Pflegerin deiner Mutter behalten, laut sagte Melanger:

„Was ich denke, ist unwichtig. Fakt ist, sie hat ein Testament hinterlass­en.“

„Wie bitte“, nun fuhr Althofer hoch, sprang aus seinem Sessel, „ein Testament? Dazu war sie doch zu blöd. Wie hätte sie das machen sollen? Das werde ich anfechten.“

„Warum, Herr Althofer? Anfechten? Aus meinen Unterlagen geht hervor, dass Ihre Frau nicht unter Ihrer Betreuung stand.“

„Natürlich nicht, ich wollte eine solche Blamage meinen Kindern nicht zumuten“, donnerte er.

„Tja“, meinte Melanger, „dann verfasste sie das Testament im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, und es ist gültig.“„Ich fechte es an!“„Leider wird das nicht einfach werden, zumal eine gewisse“, Melanger blätterte in seinen Unterlagen, „Eva Vortkamp sie zum Rechtsanwa­lt begleitet hatte. Sie unterschri­eb damals als Zeugin.“

„Eva Vortkamp?“Althofer schrie den Namen.

„Das ist unsere Nachbarin. Sie steckte mit meiner Frau unter einer Decke, dieses Miststück, dieses Luder“, er beherrscht­e sich, doch sein hochroter Kopf besagte etwas anderes, „sie hat meine Frau aufgehetzt.

 ?? Fotos: privat ?? Heidrun Bückers Thriller „Gnadenlos“ist im Schardt-Verlag erschienen.
Fotos: privat Heidrun Bückers Thriller „Gnadenlos“ist im Schardt-Verlag erschienen.
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Krimiautor­in und Architekti­n Heidrun Bücker stammt aus Dorsten, reist viel und schreibt zeitweise in ihrem Ferienhaus in Dénia
Mehr über die Autorin: www.heidrun-buecker.de
Ihre mehrteilig­e Thrillerre­ihe ist im Schardt-Verlag...
Über Heidrun Bücker: Krimiautor­in und Architekti­n Heidrun Bücker stammt aus Dorsten, reist viel und schreibt zeitweise in ihrem Ferienhaus in Dénia Mehr über die Autorin: www.heidrun-buecker.de Ihre mehrteilig­e Thrillerre­ihe ist im Schardt-Verlag...

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