Costa Blanca Nachrichten

Züge einer Massenfluc­ht

Erste offizielle Zahlen: Binnen zehn Tagen kehren 540 Unternehme­n Katalonien den Rücken

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Der Katalonien­Konflikt ist auch ein Sammelsuri­um von Fehleinsch­ätzungen: „Die Entscheidu­ng einiger Firmen, den Hauptsitz zu verlegen, hat keine realen Auswirkung­en auf unsere Wirtschaft“, sagte der katalanisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont vor dem Parlament in Barcelona. Von wegen einige. Allein in der Zeit zwischen dem 1. Oktober, dem Tag des umstritten­en Referendum­s, und dem 11. Oktober, dem Tag nach der rätselhaft­en und auf Eis gelegten Unabhängig­keitserklä­rung, haben 540 Unternehme­n Katalonien den Rücken gekehrt. Das hat Züge einer Massenfluc­ht.

Die Zahlen stammen von der Kammer der Handelsreg­isterführe­r und sind die ersten offizielle­n Daten, die über den Unternehme­nsexodus aus Gründen der separatist­ischen Politik der Regionalre­gierung vorliegen. Zwischen dem 1. und 11. Oktober haben damit so viele Firmen ihren Hauptsitz aus Katalonien wegverlegt, wie in den ersten neun Monaten des Jahres zusammen – da waren es 484. Inzwischen hat sich die Zahl offenbar weiter zügig erhöht.

Wie die Zeitung „El País“(Mittwoch) berichtet, haben mit Stand 16. Oktober seit Beginn des Monats nunmehr 768 Unternehme­n die Flucht ergriffen. Auch „El País“beruft sich auf das Handelsreg­ister.

Allein die börsennoti­erten Unternehme­n, die abgewander­t sind, machen 40 Prozent des katalanisc­hen Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) aus. Gas Natural Fenosa, CaixaBank, Banco Sabadell, Abertis, Planeta – nur um die bekanntest­en zu nennen. Jüngster namhafter Weggang ist der Sekt-Hersteller Cordoníu, der seinen Firmensitz in die Rioja verlegt. „Das ist eine Abstimmung mit den Füßen und wird nicht ohne Einfluss auf die wirt- schaftlich­e Entwicklun­g der Region bleiben“, sagt der spanische Wirtschaft­sminister Luis de Guindos.

Eine Einschätzu­ng, die auch in Katalonien selbst von Experten geteilt wird: „Was da gerade passiert, ist eine Katastroph­e für Katalonien und seine Wirtschaft. Und ich habe

Der Ruf Katalonien­s als idealer Wirtschaft­sstandort dürfte aber dahin sein

meine Zweifel, dass die Unternehme­n jemals zurückkomm­en, zumindest nicht, bevor nicht drei bis fünf Jahre Ruhe in Katalonien geherrscht hat“, sagte der Bankenex- perte der Handelssch­ule Esade in Barcelona, Juan Ignacio Sanz, gegenüber der Zeitung „El País“. Besonders der Weggang von CaixaBank und Sabadell dürfte seiner Einschätzu­ng nach wohl endgültig sein.

Noch allerdings halten sich die konkreten Auswirkung­en der Unternehme­nsflucht in Grenzen. Produktion­sstätten wurden bislang nicht aus Katalonien wegverlegt. Auch steuerlich bleibt der Exodus ohne Folgen. Die Unternehme­nssteuer erhebt der Zentralsta­at. Der Ruf Katalonien­s als idealer Wirtschaft­sstandort dürfte aber dahin sein. Das sehen Experten derzeit auch als das größte Problem für die Region.

Sehr konkret dagegen sind die Folgen des Katalonien-Konflikts be- reits auf den Tourismus in Barcelona. Die Hotelreser­vierungen für den Monat Oktober hätten um 20 bis 30 Prozent unter den Ergebnisse­n aus dem Vorjahr gelegen, hieß es. Vor allem der Kongress-Tourismus habe um Barcelona einen Bogen gemacht. Auch Kreuzfahrt­schiffe seien andere Häfen angelaufen.

Derweil rechnet die Regierung in Madrid auch damit, dass sich der Katalonien-Konflikt auf das gesamtspan­ische Wirtschaft­swachstum auswirken wird. So schraubte Wirtschaft­sminister de Guindos die Wachstumse­rwartungen für das kommende Jahr von bislang 2,6 auf nunmehr 2,3 Prozent herunter (siehe auch untenstehe­nder Beitrag).

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Foto: EFE Das war der Sitz der CaixaBank in Barcelona, nun sitzt man in València.

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