Küche
Die Kastanienkultur meldet sich zurück
Genuss unter stacheliger Hülle: Kastanien schmecken als Rösti, Suppe oder Püree
Per Sant Martí, castanyes i vi – an Sankt Martin Kastanien und Wein –, heißt es in Katalonien. Los geht es aber schon in der Nacht vor Allerheiligen, in der geröstete Kastanien und kleine Leckereien, die so genannten panellets, verspeist werden. Auch in den Tagen danach versammelt man sich zu den beliebten castanyadas, zum Kastanienrösten, das seinen Ursprung in der keltischen Kultur hat. Die sieht die Zeit um Allerheiligen und Allerseelen als Wendepunkt im Zyklus der Natur, wenn nämlich der Sommer übergeht in die dunklere Jahreszeit.
In Portugal wird der „Dia de São Martinho, lume, castanhas e vinho (St. Martin, Feuer, Kastanien und Wein) mit einem großen Feuer gefeiert – wie im italienischen Trentino, wo an Sankt Martin Glühwein die dampfenden Kastanien begleitet.
In Galicien wiederum ist der November gleichbedeutend mit Kastanienrösten und dem Schlachten eines Schweins. Kein Ortsviertel, kein Dorf, keine Schule und kein Haus eines Freundes, wo nicht der magosto, Kastanienrösten, veranstaltet wird. Dies weist auf die Bedeutung der stachligen Gesellen früher in Galicien hin, als die wilden Nüsse noch nicht durch Kartoffeln und Mais aus Übersee verdrängt waren, als sie mit ihren Vitaminen und Mineralien, mit ihrem Stärkegehalt ein gesundes, energie- und nährstoffreiches Nahrungsmittel darstellten und ihr Mehl auch zum Brotbacken verwendet wurde.
Allerheiligen ohne geröstete Kastanien? – In Galicien undenkbar. Wie sonst die Geister der Verstorbenen besänftigen? Die traditionelle Form dort, Kastanien zu rösten, ist, ein Bett aus Nadeln von Kiefer, Ginster und Lorbeer auf dem Boden auszubreiten, die wegen Explosionsgefahr zuvor eingestochenen Kastanien draufzulegen und mit einer weiteren Lage Ginster zu bedecken. Das Feuer wird von unten entfacht, dann lässt man dem Ganzen seinen Lauf. Perfekt dazu ist eine Tasse neuen Weins.
Das geht natürlich nur an Orten, wo die Bedingungen es erlauben. Woanders wartet man auf die Kastanienröster, die – leider immer seltener – mit der duftenden Ware auf vorweihnachtlichen Jahrmärkten und an den Straßenecken der Städte ihr Geschäft machen.
Harte Schale ...
Oder man kauft frische Kastanien. Leider sind sie ein gefundenes Fressen für Würmer. Befallene Exemplare lassen sich aber leicht im Wasser ausfindig machen, denn sie schwimmen gleich an der Oberfläche.
Wer einmal probiert hat, an das essbare Innere der Kastanien zu kommen, kennt das Problem. Eine verrückte Idee, Kastanien roh schälen zu wollen. Also ritzt man sie über Kreuz ein und wirft die Nüsse kurz ins kochende Wasser, oder man legt sie auf ein Backblech und röstet sie im heißen Ofen, bis die Schale platzt. Geschält wird gründlich, und zwar solange sie noch warm sind (dazu die Kastanien mit einem feuchten Küchentuch bedecken), erst die harte Schale, dann die Haut darunter, die wegen ihrer Gerbstoffe ziemlich bitter ist. Dann werden die Früchte weich gekocht.
Weitere Tipps, um das Schälen zu erleichtern sind: einen Esslöffel Öl ins Kochwasser geben oder die Kastanien in der Nacht zuvor im Gefrierfach deponieren. Mit kochendem Wasser überbrühen und dann unverzüglich in kaltes Wasser tauchen und schälen.
Kastanien sind perfekt zu geschmortem Wild und Geflügel, denen sie ihr charakteristisches süßes Aroma und die mehlige Konsis- tenz übertragen. Wunderbar passen sie zu frischen Pilzen, Kürbis, Reis etc. und damit einfach optimal in den Herbst. Doch ihre wahre Berufung liegt im süßen Bereich: Da wird püriert, aromatisiert, karamellisiert, kandiert, glaciert oder verziert – heraus kommt immer ein feines Dessert.