Costa Blanca Süden
Podemos-Chef im Land Valencia, Antonio Estañ (30) aus Callosa de Segura, im CBN-Interview
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Am Montag, bei der Großdemonstration für gerechte Länderfinanzierung in València, marschierte ein junger Mann aus Callosa de Segura in der Reihe der höchsten Landespolitiker. Der gerade 30 Jahre alt gewordene Antonio Estañ ist seit Juni regionaler Generalsekretär der Alternativpartei Podemos. Die war 2015 am politischen Wandel in der Region entscheidend beteiligt, als sie als Oppositionspartei die linke PSOE-Compromís-Regierung billigte. Wie Estañ die Legislatur einschätzt und welche Erwartungen er für seine Partei und seinen Heimatkreis Vega Baja hat, darüber sprach er mit der CBN. CBN: Schildern Sie bitte Ihren bisherigen politischen Weg. Estañ: Als Philosophie-Student in Murcia engagierte ich mich in Studentenbewegungen, dann in der Plattform PAH für Opfer der Immobilienkrise. Als Student wurde ich 2011 in der 15-M-Bürgerbewegung aktiv. Aus der Bewegung entstand Podemos. Ich komme aus einem pragmatischen Zweig der Philosophie und fand, sie in der Partei umsetzen zu können. Nun meinen Sie öffentlich, Ihre Partei brauche eine Erneuerung. Warum? Podemos steht vor einer großen Herausforderung. Wir wollen die „neue Politik“etablieren, dabei aber die Stabilität bewahren, ohne die Fehler der alten Parteien zu wiederholen. Deswegen ist eine demokratische, föderale Struktur auch in unserer Partei notwendig. Ist unter Ihrer Führung die Kritik von Podemos an der Regionalregierung lauter geworden? Kritik – das ginge zu weit. Unsere Kritik zielt vor allem auf die PP in Madrid ab. Es stimmt aber, dass wir im Moment um den valencianischen Haushalt für 2018 ringen. Von uns verlangte Maßnahmen hat die Regierung mit weniger Geldern bedacht, oder ganz übergangen. Doch das ist ein Fehler. Wenn die Bürger nicht merken, dass der politische Wandel bei ihnen ankommt, wenden sie sich ab. Zu Ihren Forderungen gehört eine Tourismus-Steuer. Warum ist die für Podemos so wichtig? Das Modell der PP basierte auf der Immobilienblase und auf einem nicht nachhaltigen Tourismus, der nur Kosten senkte und nicht in In- novation investierte. Das schädigte die Umwelt, öffentliche Dienste und Arbeitsbedingungen. Die Steuer, die wir vorschlagen, brächte Einkünfte, um Strände zu sanieren, Gemeinden mit Reinigung, Transport und Sicherheit zu garantieren oder den Massentourismus zurückzuhalten. Der Tourismus muss ein wichtiger Teil bleiben – aber auch unser Territorium und die Rechte von Bewohnern und Touristen. Wenn wir einen Wandel im Land wollen, müssen sich auch die Bedingungen verbessern, muss Naturreichtum geschützt und ein wirtschaftlicher Mehrwert erzielt werden. Die Steuer würde gegen die Unterfinanzierung des Landes helfen. Könnte der Streit um Landesfinanzierung in Valencia ähnlich ausarten wie in Katalonien? Ich glaube nicht. Der Kontext ist einfach ein anderer. Wir wollen nicht mehr sein als andere, aber auch nicht weniger. Fest steht, dass das Regionalmodell von Spanien von 1978 veraltet ist und einer neuen Form bedarf. Als Leidtragender der Unterfinanzierung sieht sich die Vega Baja. Sind Sie als Landespoliti- ker, der aus dem Landkreis kommt, besonders gefordert? Zwischen den Teilen der Region Valencia gibt es nicht nur eine geographische, sondern auch eine politische Distanz. Die Vega Baja fühlt sich seit Jahren unzureichend berücksichtigt. Ich kenne den Landkreis gut, sehe mich daher also in der Funktion einer Brücke. In der Vega Baja wird die Aufwertung des Valenciano an Schulen hart kritisiert. Wie stehen Sie zu dem Landesdekret? In der Vega Baja wird Valenciano kaum gesprochen, wird also oft als etwas Fremdes wahrgenommen. Doch wir wollen weg vom Diskurs der PP, die eine „Auferlegung“des Valenciano kritisiert. Wir wollen den Aspekt der „Gelegenheit“voranstellen. Die Überzeugung verbreiten, dass es besser ist, zwei Sprachen zu sprechen als nur eine. Doch dazu muss man die Bedingungen im Landkreis beachten, das Personal entsprechend schulen. Woran sollten die Bürger den politischen Wandel erkennen? Vor allem an den Orten, wo sie wohnen. Ich glaube, hier hat sich etwas getan. In Callosa de Segura (wo seit 2015 eine linksalternative Koalition regiert, Anm. d. Red.) bestimmten Bürger über den Haushalt mit. Auf Landesebene wurden Rechnungen und Gehälter der Politiker offengelegt. Frauenquoten haben sich verbessert, auch die Direktwahl in den Kreisen. Was verlangt die „neue Politik“von Politikern und Bürgern? Politiker stellen oft Theorien auf, die nicht dem entsprechen, was die Leute im Alltag erleben. Wichtig ist mir daher das Gespräch mit Bürgerplattformen. Aber auch ein persönliches Beispiel – durch vertretbares Gehalt, Einhaltung eines ethischen Kodex. Dem Bürger bürdet unser Ansatz mit viel Mitbestimmung natürlich viel auf. Fehlt die Teilnahme, heißt es, die Bürger seien politisch nicht interessiert. Doch meistens sind die Menschen einfach mit ihrem Alltag überlastet. Hier müssen wir Politiker ihnen Foren und Mechanismen bieten, um sich zu beteiligen.