Gedanken einer Kerze
Ihr habt mich angezündet, mich, die Kerze. Ihr betrachtet mein Licht, vielleicht ein bisschen nachdenklich. Vielleicht freut ihr euch auch über meine Wärme. Ich jedenfalls freue mich, dass ich brennen darf.
Wenn ich nicht brennen würde, läge ich in einem Karton mit anderen Kerzen, lichtlos im Schrank. So machen wir Kerzen überhaupt keinen Sinn, liegen nutzlos herum.
Einen Sinn haben wir nur, wenn wir brennen. Jetzt brenne ich! Nur – seit ich brenne, bin ich ein kleines bisschen kürzer geworden. Das ist schade, denn ich kann mir ausrechnen, wie lange es dauert, bis ich nur noch so ein kleines Kerzenstümpfchen bin.
Aber so ist es eben. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich bleibe unverbraucht und ganz im Karton, so werde ich nicht kürzer. Vielleicht werde ich dann irgendwann als nutzlos weggeschmissen.
Oder ich gebe Licht und Wärme. Dann weiß ich, wofür ich da bin. Ich gebe mich selbst. Das ist schön, besser als kalt und sinnlos im Karton zu liegen.
Bei Euch Menschen ist es genauso. Entweder ihr bleibt für euch, dann passiert euch nichts, dann wisst ihr auch nicht recht wofür ihr da seid. Dann seid ihr wie Kerzen im Karton. Oder aber ihr gebt Licht und Wärme, so habt ihr einen Sinn.
Die Menschen freuen sich, dass es euch gibt. Ihr gebt viel; euch selbst, vor allem, was in euch lebendig ist, von eurer Freude, eurer Treue, eure Herzlichkeit, eurem Lachen, eure Traurigkeit, eure Ängste, eure Sehnsüchte, von allem, was euch ist. Was, ihr habt Angst – Angst, dass ihr beim Geben kürzer werdet?
Nein! – bedenket, das ist nur äußerlich, innen werdet ihr immer heller.
Denkt wie ich: Ich bin nur eine kleine Kerze, die brennt! Brenne ich nicht, bin ich kalt! Brenne ich allein, ist mein Licht gering; doch es ist Licht und macht warm!
Brenne ich mit andern zusammen, wird es helles Licht, warm und alle fühlen sich geborgen!
Das wäre mein Ziel – mein Ziel für einen warmen Morgen!
Allen Lesern wünsche ich ein recht frohes Weihnachtsfest!