Wahl in Katalonien
Über fünf Millionen Wähler bestimmen Rückkehr zum Rechtsstaat oder Kurs auf Unabhängigkeit
Am Donnerstag haben die Katalanen über die Zukunft ihrer Region entschieden. Das Ergebnis stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Letzte Umfragen ließen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Unabhängigkeits befürwortern und Verteidigern der Einheit Spaniens erwarten. Aktuelle Entwicklungen auf
Am Donnerstag wurde in Katalonien gewählt. Die Landtagswahl ist Folge der versuchten Unabhängigkeitserklärung und der Zwangsverwaltung der Region durch die Regierung in Madrid. Mariano Rajoy hatte die katalanische Regierung abgesetzt und die Bevölkerung noch vor Weihnachten an die Urnen gerufen. Mit der Wahl soll die Anwendung des Artikels 155 enden und ein neues Regionalparlament die Geschicke Kataloniens wieder in rechtsstaatliche Bahnen lenken.
Beobachter rechneten mit einer historisch hohen Wahlbeteiligung. Zumal erstmals an einem Wochentag gewählt wurde und jeder Arbeitnehmer vier Stunden frei nehmen konnte zum Abstimmen. Es zeichnete sich ein Kopf-an-KopfRennen ab zwischen den zwei Lagern, den Befürwortern der Einheit Spaniens und den Verfechtern der Unabhängigkeit Kataloniens.
Dass der abgesetzte Ministerpräsident Carles Puigdemont nach Belgien geflüchtet ist und sein ehemaliger Regierungspartner Oriol Junqueras wegen des Verdachts, einen Aufstand angezettelt zu haben, im Gefängnis sitzt, tat der Bewegung keinen Abbruch. Dass beide Politiker beteuerten, mit dem Unabhängigkeitsprozess fortfahren zu wollen und der dritte Partner, die CUP, direkt die Republik beschwört, auch nicht. Sie sehen sich als Opfer und Märtyrer, die von Madrid geknebelt werden. Ihre Wähler sollen Rajoy und allen Parteien, die die Anwendung des Artikels 155 im Senat verabschiedet haben, eine Absage erteilen.
Ob es für die Pro-Spanien-Kräfte gemeinsam zur absoluten Mehrheit reicht?
Auf der einen Seite stehen also Junts per Catalunya, die neue Liste von Carles Puigdemont, die Republikanische Linke (ERC) mit Oriol Junqueras und seiner Stellvertreterin Marta Rovira sowie die CUP, ein anarchistisches Bündnis, das parlamentarische Regeln ablehnt, an der Wahl aber teilnahm.
Dem anderen Lager gehören die konservative Volkspartei (PP) mit Xavier García Albiol an, die Sozialisten (PSC) mit Miquel Iceta und die konservativ-liberale Ciudadanos (C’s) mit Inés Arrimadas.
Das Zünglein an der Waage, um mit 68 Sitzen die absolute Mehrheit zu erzielen, könnte der Podemos-Ableger Catalunya en Comú-Podem mit seinem charismatischen Kandidaten Xavier Domènech sein. Im Vorfeld wurde ein kurzer, aber unschöner Wahlkampf geführt, in dem jede Partei meinte, im Alleingang ans Ziel zu kommen. Verbale Irrtümer und ideologische Fallstricke spielten in beiden Lagern eine unrühmliche Rolle. Selbst ein erfahrener Politiker, wie der Sozialist Josep Borrell griff daneben. Ein Eiertanz um mögliche Koalitionen trieb wundersame Blüten. Miquel Iceta kündigte die Begnadigung der inhaftierten Separatisten an, was als Angebot an die Republikanische Linke verstanden wurde. Iceta musste einen Rückzieher machen. Mal ja, mal nein Domènech war möglicherweise der Politiker, der am ehesten eine versöhnliche Haltung einnahm und zum Wohl Kataloniens auf eine Zusammenarbeit mit anderen Parteien setzt. Das Problem bei Podemos und seinen Ablegern ist das Lavieren, das auch der Bürgermeisterin von Barcelona, Ada Colau, vorgeworfen wird. Mal wird die Unabhängigkeit beschworen, mal wird sie abgelehnt.
Auch zwischen Oriols ERC und Puigdemonts Junts per Catalunya gab es keine Einigung, beide Spitzenkandidaten scheinen sich nicht mehr über den Weg zu trauen. Es wird sich nun zeigen, wer mit wem zusammengeht. Eine Favoritin war Inés Arrimadas von Ciudadanos. Ob es für sie und die anderen ProSpanien-Kräfte gemeinsam zur absoluten Mehrheit reicht, wird sich nun zeigen.