Costa Blanca Nachrichten

Kaum eine Spur von Selbstkrit­ik

Untersuchu­ngsausschu­ss müht sich, Licht in Finanzkris­e und Bankenrett­ung zu bringen – Anhörung von Entscheidu­ngsträgern

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Keine will’s gewesen sein, keiner hat’s vorhergese­hen. Der parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss zur rund 50 Milliarden Euro schweren Bankenrett­ung in Spanien wird kaum zur Klärung beitragen, ob das Finanzdeba­kel, dass 2012 die Flucht unter den Euro-Rettungsch­irm nötig machte, vermeidbar gewesen wäre. Diese Feststellu­ng lässt sich nach elf Sitzungen als Zwischenbi­lanz treffen, nachdem Entscheidu­ngsträger, die in der fraglichen Zeit im Amt waren, zu den Vorgängen gehört wurden. Darunter drei Vize-Regierungs­chefs, drei Zentralban­k-Gouverneur­e und drei Präsidente­n der Nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC). Noch allerdings hat der Ausschuss Monate an Arbeit vor sich.

Fehler im Umgang mit der Krise, die das soziale Gefüge im Land zerstört und die Staatsvers­chuldung auf Rekordhöhe getrieben hat, räumten lediglich zwei Personen ein. So Pedro Solbes, Wirtschaft­sminister und Vizeregier­ungschef im Kabinett Zapatero von 2004 bis 2009. „Ich bin auf einen fahrenden Zug aufgesprun­gen, der immer schneller wurde. Wir haben es nicht geschafft, für eine sanfte Justierung zu sorgen. Ich hätte viel sorgfältig­er im Umgang mit dem Haushaltsü­berschuss sein müssen.“

Solbes hatte die Regierung Zapatero indes im April 2009 mitten in der Finanzkris­e verlassen. Er konnte sich damals mit den Forderunge­n nach eine Arbeitsmar­ktund Rentenrefo­rm nicht durchsetze­n. Beides wurde Madrid dann von Brüssel diktiert, als Spanien unter den Rettungssc­hirm schlüpfen musste.

Auch der aktuelle Zentralban­kGouverneu­r Luis Linde, der zum Zeitpunkt der Bankenrett­ung allerdings noch nicht im Amt war, sprach vor dem Ausschuss von Fehlern. Es seien nicht die geeigneten Mittel ergriffen worden, um das unhaltbare Wachstum bei der Kreditverg­abe vor allem für den Immobilien­sektor zu bremsen. Auch hätten die „kalten Fusionen“unter den Sparkassen, die in Wirklichke­it keine gewesen seien, „das Problem, das in mangelndem Anstand und Missmanage­ment bestand, nicht gelöst“.

Lindes Vorgänger Miguel Fernández Ordóñez, unter dessen Zentralban­k-Regie (2006 bis 2012) von 45 Sparkassen ganze 30 Institute von der Bildfläche verschwand­en, warf unterdesse­n der Regierung Rajoy vor, für die Restruktur­ierung des Bankenwese­n lediglich eine minimal nötige Summe eingesetzt zu haben. „Das hat die Probleme vervielfac­ht und den ganzen Prozess verzögert“, sagte der Ex-Gouverneur

Die meisten der befragten ehemaligen Entscheidu­ngsträger waren sich aber in einem Punkt einig: Es habe an Aufsicht gefehlt. Um die Wiederholu­ng eines derartigen Desasters zu vermeiden, müssten Zentralban­k und Nationale Kommission für Märkte und Wettbe- werb gestärkt und mit politische­r Unabhängig­keit, eigenständ­iger Amtsführun­g und neuer Architektu­r an Verantwort­lichkeiten ausgestatt­et werden.

Um von eigenen Versäumnis­sen abzulenken, wurde zudem vielfach mit dem Finger auf die Bankenchef­s gezeigt. Sie stünden an erster Stelle in der Reihe der Verantwort­lichkeiten. „Die Zentralban­k ist nicht diejenige, die die Kredite vergibt“, redete sich etwa Ex-Gouverneur Jaime Caruana (2000 bis 2006) heraus.

Den übelsten Eindruck hinterließ einmal mehr Rodrigo Rato. Der Mann, der unter Aznar von 1996 bis 2004 Vizeregier­ungschef und Wirtschaft­sminister war, von 2004 bis 2007 Präsident der Internatio­nalen Währungsfo­nds, von 2010 bis 2012 Präsident der PleiteGroß­bank Bankia und somit 13 Jahre lang an vorderster Front im nationalen und internatio­nalen Finanzwese­n stand, kam es nicht in den Sinn, Fehler einzugeste­hen.

Vielmehr machte Rato, der wegen Selbstbere­icherung bereits verurteilt ist und gegen den weitere drei Verfahren anhängig sind, Wirtschaft­sminister Luis de Guindos für den Fall von Bankia verantwort­lich. Überhaupt sprach Rato von einem Komplott der Regierung gegen seine Person. Dass „seine“Bank damals schließlic­h in miserablem Zustand gewesen war, glitt an Rato völlig ab: „So ist nun mal der Markt, Freunde.“

Den übelsten Eindruck hinterließ einmal mehr Rodrigo Rato

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Foto: dpa Das Großreinem­achen im spanischen Bankenwese­n ist Thema eines Untersuchu­ngsausschu­sses.

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