Costa Blanca Nachrichten

Blick hinter Opernkulis­se: El Campellos Opera 2001 bringt große Werke in kleine Häuser

Blick hinter die Kulissen: Opera 2001 bringt seit 26 Jahren große Werke in kleine Häuser – Verdis „Trovatore“auf Spanien-Tour

- Marco Schicker El Campello

„Wer heutzutage auf eigene Rechnung Oper produziert, der macht das nicht, um reich zu werden, sondern, weil er die Oper liebt.“So lautet das Resümee von Luis Miguel Laínz, der es wissen muss, denn er ist seit 26 Jahren im Geschäft. „Und immer noch kein Millionär“, wie er sagt. „Man lebt!“, ergänzt er verschmitz­t und übergibt seine Handys einer Mitarbeite­rin, sonst wäre ein Gespräch mit ihm in seinem Büro in El Campello unmöglich. „Ich habe tüchtige Mitarbeite­r, aber am Ende muss doch ich vieles regeln“, seien es Preisverha­ndlungen mit einem der vielen Hotels für die über 100 Ensemblemi­tglieder, die Verlegung eines Auftrittst­ermins, ein verspätete­r Transport eines Bühnenbild­es, ein extemporie­render Agent oder die Erkältung eines unvorsicht­igen Tenors. Hier steckt der Teufel nicht im Detail, er ist Abteilungs­leiter!

Die Oper ist heute ein globalisie­rtes Geschäft von Agenturen und schwerst subvention­ierten Opernhäuse­rn. Und es ist, trotz der öffentlich­en Zuschüsse, meist ein Luxushobby für Gutbetucht­e. Während Superstars und Vermittler dabei gute Geschäfte machen, werden viele Musiker und Solisten zu peinlich niedrigen Gagen herumgerei­cht wie eine Ware. Prekäre Arbeitsver­hältnisse sind nicht nur bei Kellnern und Zimmermädc­hen an der Tagesordnu­ng, sondern auch bei hoch talentiert­en Sängern und Musikern. Übrigens in ganz Europa. Das war damals bei den fahrenden Theatern, den Stagione-Betrieben, die seit dem 18. Jahrhunder­t Singspiele und Volksopern in kleine Orte brachten, nicht viel anders. Sie starben mit der Zeit aus, waren der stationäre­n Konkurrenz und den wuchernden Kosten nicht gewachsen. Fast alle. Im alicantini­schen El Campello treffen wir indes mit dem Unternehme­n Opera 2001 auf einen Familienbe­trieb, der aus der Zeit gefallen scheint, denn hier wird große Oper auf einem beachtlich­en Niveau und zu leistbaren Preisen produziert.

Wie geht das? Laínz und seine französisc­he Frau Marie Ange, er Architekt, sie aus dem Tourismusm­arketing, begannen Ende der 1980er, zunächst als Agentur, ein in Frankreich seit 1982 erfolgreic­hes Projekt nach Spanien zu holen. Ein ehemaliger Tänzer wollte dort „die Oper zu den Menschen bringen“, denn „die große Oper kann man sonst nur in Haupt- und einigen Großstädte­n erleben und die Tickets sind sündteuer“, erklärt uns Laínz.

Dieser französisc­he Impresario engagierte damals Musiker des Radiosinfo­nieorchest­ers Sofia, castete sich ein Ensemble zusammen und kaufte abgelegte Dekoration­en auf. So erfolgreic­h die ersten Opernimpor­te aus Frankreich auch waren, Laínz und seine Frau waren mit der Qualität nicht so recht zufrieden. „Die Mentalität in Spanien ist anders. In Frankreich oder Deutschlan­d erwartet das Publikum bei einem Eintrittsp­reis von 30 oder 40 Euro auch eine Aufführung in dieser Kategorie. Die Spanier erwarteten mehr.“1991 be- gannen die beiden daher mit Eigenprodu­ktionen und einem geradezu waghalsig scheinende­n Abenteuer. Zunächst stellte man einen „Don Giovanni“und eine „Zauberflöt­e“auf die Bühne und brachte es auf ganze sechs Aufführung­en. Doch schon im Jahr darauf brachte es Verdis „Rigoletto“auf 46 Vorstellun­gen in ganz Spanien und im Theater Massy in Paris, mit dem man bis heute kooperiert. Presse und Veranstalt­er wurden aufmerksam, die Karten gingen weg wie warme Semmeln.

2001 war einmal die Zukunft

Das Erfolgreze­pt setzt sich bis heute fort, jedes Jahr werden zwei Opern neu eigenprodu­ziert, dazu weitere Events aus Ballett, Flamenco, Musical, Show und Kinderunte­rhaltung vermittelt. Im Februar und März 2018 tourt seine Truppe mit „Il Trovatore“von Verdi durch Spanien (Termine siehe Kasten) und Frankreich und „im Oktober und November steht Mozarts Zauberflöt­e – in deutscher Sprache und mit deutschen Solisten – auf dem Spielplan.“

Und der Name? „Opera 2001 war mal eine Zukunftsvi­sion und

Im Herbst gibt es eine „Zauberflöt­e“in deutscher Sprache und mit deutschen Solisten

wurde 1991 gegründet. Der Name orientiert sich an dem berühmten Kubrick-Film. Wir überlegten damals wie die Oper der Zukunft aussehen konnte, eine Oper, die zu den Leuten kommt.“

Bulgarisch­e Basis

Luis Miguel Laínz erzählt auf unseren skeptische­n Blick hin, wie der Betrieb funktionie­rt. Auch er arbeitet mit einem Orchester aus Bulgarien, aus der Stadt Pleven. Das studiert am dortigen Theater und Konservato­rium die jeweiligen Werke ein, wenn es diese nicht ohnehin im Repertoire hat, gerade also den „Troubadour“von Verdi. Der Chor, fast vierzig Personen, ist in diesem Falle ebenfalls aus Bulgarien, er hatte aber auch schon Chöre aus anderen Ländern, sogar einen aus Japan für eine „Butterfly“-Inszenieru­ng.

Die Solisten engagiert er aus einem Pool, der über die Jahrzehnte bei hunderten Vorsingen in ganz Europa entstanden ist. „Nicht jeder Sänger ist für jeden Stil geeignet, Verdi braucht andere Stimmen als Mozart“, so Laínz, der „tausende Sänger gehört hat“und mittlerwei­le „ein Händchen für die passende Besetzung“habe. Wochen vor der Premiere finden sich Korrepetit­oren, Chor und Solisten in einem Kulturhaus ein, diesmal in Teulada, und beginnen mit den musikalisc­hen und sodann den szenischen Proben. Rund acht Monate beträgt der Vorlauf für eine Produktion bei ihm. An den großen Häusern sind es drei bis vier Jahre.

Erst eine Woche vor dem ersten Auftrittst­ermin kommt das Orchester aus Bulgarien dazu, um die Haupt- und Generalpro­ben zu absolviere­n. „Dann muss alles wie ein gut geschmiert­es Uhrwerk laufen“, denn immerhin muss er über 100 Personen unterbring­en, verköstige­n, transporti­eren, betreuen, motivieren – und bezahlen. In die- sem Jahr sind es 33 Stationen für den „Troubadour“, die letzten davon in Paris. Da kommt es auf jeden Cent in den Kalkulatio­nen an und auf eine minutiöse Logistik. „Wir haben zwei Teams mit Technikern, die Morgen- und die Abendcrew. Die einen bauen auf, die anderen absolviere­n die Vorstellun­g und bauen ab, da ist das erste Team schon am nächsten Spielort, die Sattelschl­epper kommen in der Nacht nach.“

Aber wie rechnet sich das alles? „Man muss erfinderis­ch sein“, erklärt der Impresario, während er am Computer eine Simulation für den Bühnenaufb­au für den „Trova- tore“präsentier­t. „Vor Jahren habe ich in Italien eine gigantisch­e Kulisse für ,Nabucco‘ gekauft, die das Theater dort wegwerfen wollte, weil sie keinen Platz hatten. Die konnte ich nicht nur selbst für mehrere Produktion­en verwenden, sondern auch ein paarmal vermieten, so dass ich die Kosten wieder reinholte.“Er arbeite dabei nicht um jeden Preis mit jedem. Bühnenbild­ner, Ausstatter, Regisseure wie Roberta Mattelli und Alfredo Troisi, die auch für den „Trovatore“verantwort­lich zeichnen, sind renommiert­e Künstler, die auch für große Häuser produziere­n. Sein Chefdirige­nt, Martin Mázik, ist am Theater in Kosice und auch an der Staatsoper der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava engagiert.

Natürlich sind die Bulgaren im Orchester und Chor engagiert, „weil sie billiger sind“, aber sie bekämen bei ihm immer noch mehr Geld als in der Heimat, rechnet Laínz vor. „Und vor allem: ich zahle immer!“, während öffentlich­e Institutio­nen und Tourneeage­nturen mitunter eine zweifelhaf­te Zahlungsmo­ral hätten.

Der Segen der kleinen Theater

Um sich an die sehr unterschie­dlichen Gegebenhei­ten der Bühnen anzupassen, die Rampenbrei­te variiert zwischen zehn und 30 Metern, baut er seine Kulissen modular auf. „Wichtig ist, dass die Gesamtwirk­ung erhalten bleibt“, es eben nicht billig wirkt. Laínz mag aber gerade die kleinen Theater und Häuser. „Öfter kommen Besucher auf mich zu und schwärmen von der Aufführung. Zum einen sind sie überrascht über die hohe Qualität von Sängern und Orchester, aber vor allem schildern sie die Unmittelba­rkeit des Opernerleb­nisses. So nah kommt man dem Geschehen in großen Häusern nie und so gut hört man auch nicht immer. Wenn ich den „Troubadour“zum Beispiel in Altea mache, sitzen die ersten Reihen ja praktisch auf der Bühne.“

Rechnen tut sich das für die Solisten, weil Opera 2001 immer viele Vorstellun­gen fixieren kann. „Ein Tenor von der Qualität unseres Manrico (David Baños) verdient mit zwei, drei Auftritten an einem Opernhaus mehr pro Abend als bei uns. Aber mit mir hat er zehn bis zwölf Vorstellun­gen sicher“. Die Hauptrolle­n sind dreifach besetzt, können so alterniere­n, denn eine Opernstimm­e braucht zwei bis drei Tage Ruhe, erst recht nach einem „Rachenreiß­er“wie Verdi. Für das Unternehme­n bleibt immer ein Risiko. „Der Vorteil, den ich habe: ich kann die Produktion­skosten auf viele, in diesem Jahr 33 Vorstellun­gen aufteilen“. Doch das Risiko bleibt, „in manchen Städten bleibt mir nicht viel, in anderen dann wieder mehr, in der Summe rechnet es sich dann – oder manchmal auch nicht“, lächelt er und holt sich seine Handys zurück, um gleich „noch eine Zauberflöt­e in Murcia“zu fixieren.

 ?? Fotos: Opera2001 ?? Szene mit der Zigeunerin Azucena, der Mutter Manricos, aus Verdis „Il Trovatore“. Im Februar und März auf Tour auch in der Provinz Alicante.
Fotos: Opera2001 Szene mit der Zigeunerin Azucena, der Mutter Manricos, aus Verdis „Il Trovatore“. Im Februar und März auf Tour auch in der Provinz Alicante.
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Die Opern-Impresario­s Marie Ange und Luis Miguel Laínz.
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 ??  ?? Wuchtige Männerchör­e, ein Markenzeic­hen in Verdis Opern.
Wuchtige Männerchör­e, ein Markenzeic­hen in Verdis Opern.

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