Pionier in Nöten
Spanische Zentralregierung bremst mit bürokratischen Hürden Investitionen für die Plataforma Solar in Almería
Seit den 80er Jahren steht in der Wüste von Tabernas (Almería) eine Pilotanlage mit deutscher Beteiligung. Die Plataforma Solar leistet Pionierarbeit bei der Erforschung von Prozessen zur Stromerzeugung in solarthermischen Kraftwerken. Seit geraumer Zeit aber kämpft die Anlage mit bürokratischen Hürden der Zentralregierung.
Zwei Forschungsinstitute verleihen der Provinz Almería seit Jahrzehnten internationale Bekanntheit in Wissenschaftskreisen: das Mitte der 1970er Jahre eingerichtete Observatorium auf Calar Alto in der Sierra de Filabres und die zu Beginn der 1980er Jahre geegründete Plataforma Solar in der Wüste von Tabernas. Beide konnten in der Vergangenheit in ihren jeweiligen Gebieten immer wieder wichtige Erkenntnisse liefern und so großes Prestige erringen. In beiden Fällen aber steht das Renommee auf dem Spiel, denn Schlagzeilen machen sie in letzter Zeit weniger ob ihrer wissenschaftlichen Fortschritte als vielmehr mit beklagenswerten Umständen.
Das Deutsch-Spanische Astronomische Zentrum (DSAZ), das vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie und dem Andalusischen Institut für Astrophysik (IAA) in Granada gemeinsam betrieben wird, hat seit einigen Jahren zumindest auf spanischer Seite mit drastischen Budgetkürzungen zu kämpfen. Der Spanische Wissenschaftsrat (CSIC), welcher der spanischen Zentralregierung untersteht, hatte der Sternwarte nämlich einen harten Sparkurs auferlegt, was in Anbetracht der schweren Wirtschaftskrise, deren Folgen noch immer nicht überwunden sind, halbwegs nachzuvollziehen ist.
Weniger verständlich sind hingen die finanziellen Engpässe, un- ter denen seit einigen Monaten auch die Plataforma Solar leidet, denn diese verfügt eigentlich über eine ausreichende Liquidität. Von der spanischen Regierung in den Weg gestellte Hürden haben das weltweit führende Forschungszen- trum auf dem Gebiet der konzentrierenden Solartechnologien indes in eine schwierige Situation gebracht, die sicherlich hätte vermieden werden können.
Ein im Jahr 2006 von der Zentralregierung in Madrid zur Defizitbekämpfung erlassenes Gesetz verpflichtet alle staatlichen Institutionen dazu, ihre Ausgaben einer vorherigen Prüfung durch das Finanzministerium zu unterziehen. Die Bewilligung zieht sich allerdings zumeist über mehrere Mona- te hin, was den Vorgängen, denen die Plataforma Solar üblicherweise unterliegt, zuwiderläuft.
Von der Europäischen Union freigegebene Fördermittel etwa müssen in einem zeitlichen Rahmen abgerufen und ausgegeben werden, andernfalls müssen die Beträge an Brüssel zurückgezahlt werden – und zwar mit Zinsen. Und bei subventionierten Kooperationen, bei denen die Plataforma Solar federführend ist und daher die Fördermittel erhält, muss sie die übrigen Projektpartner, fristgerecht auszahlen, denn sonst drohen ihr finanzielle Sanktionen.
Ungewollter Personalmangel
Hinzu kommen Probleme bei der Personalplanung der Plataforma Solar. Im vergangenen Dezember ausgelaufene Zeitarbeitsverträge konnten nicht wie geplant verlängert und für Anfang des Jahres vorgesehene Neueinstellungen nicht getätigt werden – nicht zuletzt deshalb,
Für von der EU bewilligte Fördermittel besteht ein enger Zeitrahmen, der unbedingt einzuhalten ist
weil die spanische Regierung für 2018 noch keinen neuen Haushalt durchbringen konnte.
Aus all diesen Gründen trat im November 2017 bereits der Direktor der Plataforma Solar, Sixto Malato, von seinem Amt zurück. Als Staatsbeamter bleibt er zwar auf der Anlage, auf der er weiterhin forscht und arbeitet, die Führung des Zentrums gab er aber ab. Zu seinem Nachfolger ist mittlerweile der bisheriger Stellvertreter Julián Blanco befördert worden.
Mit seinem Rücktritt wollte Malato Regierung und Öffentlichkeit alarmieren, aber wohl auch eigene Ohnmacht zum Ausdruck bringen. „Ich konnte nicht länger im Amt bleiben, wenn die Regeln mir alle Bewegungsfreiheit verbieten“, erklärte der Wissenschaftler. „Bestimmen können wir vor Ort nämlich nichts mehr, denn die Kontrolle hat de facto das Finanzministerium“, ergänzt er.
Was im Grunde nicht nachzuvollziehen sei, da sich die Plataforma Solar mehrheitlich extern und nicht aus staatlichen Geldern finanziere. Der Großteil der Mittel stamme von internationalen Organisationen, allen voran die EU, oder werde von Projektpartner aus der freien Wirtschaft aufgebracht. Die Gelder würden somit auch nicht das Staatsdefizit erhöhen.
„Die Regierung bezahlt lediglich die Gehälter der Beamten und die laufenden Kosten der Anlage“, versichert Sixto Malato. Der ehemalige Direktor beklagt zudem eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Forschungseinrichtungen, deren Ausgaben nicht vom Finanzministerium überwacht und gebremst werden. „Für den spanischen Wissenschaftsrat CSIC oder die Universitäten gelten nämlich andere, vernünftigere Regeln als für uns“, weiß er.
Kurzfristig befürchtet Sixto Malato angesichts der gegenwärtigen Probleme für die Plataforma einen Verlust ihres guten Rufs, was die korrekte Ausführung laufender Forschungsprojekte anbetrifft. Dies könnte zur Folge haben, dass sich Projektpartner abwenden. Langfristig stehe sogar die Zukunft der Anlage selbst auf dem Spiel.
Der Regierungspräfekt für die Provinz Almería, Andrés García, sieht den Fortbestand der Anlage indes nicht gefährdet. Er ist vielmehr überzeugt, dass nur einige Details zu regulieren seien, um im aktuellen gesetzlichen Rahmen die Funktionsfähigkeit der Anlage zu gewährleisten. „Die Probleme resultieren lediglich daraus, dass das Forschungszentrum in der Regel mehrjährige Projekte durchführt, während der Staatshaushalt nur für ein Jahr gilt“, meint García.
Eine Gesprächstermin der Führungskräfte der Plataforma Solar bei hohen Ministerialbeamten in Madrid trug allerdings nicht dazu bei, die Probleme aus der Welt zu schaffen. Ihre Forderung, die für die Anlage geltenden Normen zu modifizieren und die derzeitigen bürokratischen Hürden abzubauen, wurde schlichtweg abgelehnt.
Debatte im Parlament
Die Angelegenheit will die PSOE in der Provinz Almería daher nun ins nationale Parlament tragen und dort auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Abgeordneten aus der Provinz im Kongress und Senat, Juan Jiménez und Juan Carlos Pérez, wollen in beiden Kammern diesbezüglich Anfragen an das Kabinett richten. „Nachdem die Regierung schon versucht hatte, die Sternwarte auf Calar Alto in die Knie zu zwingen, hat sie es nun anscheinend auf die Plataforma Solar abgesehen“, mutmaßt der Senator Juan Carlos Pérez über die Motive.
Direktor hat mit seinem Rücktritt den Ernst der Lage verdeutlichen wollen