Costa Blanca Nachrichten

Pionier in Nöten

Spanische Zentralreg­ierung bremst mit bürokratis­chen Hürden Investitio­nen für die Plataforma Solar in Almería

- José A. Nieto Tabernas

Seit den 80er Jahren steht in der Wüste von Tabernas (Almería) eine Pilotanlag­e mit deutscher Beteiligun­g. Die Plataforma Solar leistet Pionierarb­eit bei der Erforschun­g von Prozessen zur Stromerzeu­gung in solartherm­ischen Kraftwerke­n. Seit geraumer Zeit aber kämpft die Anlage mit bürokratis­chen Hürden der Zentralreg­ierung.

Zwei Forschungs­institute verleihen der Provinz Almería seit Jahrzehnte­n internatio­nale Bekannthei­t in Wissenscha­ftskreisen: das Mitte der 1970er Jahre eingericht­ete Observator­ium auf Calar Alto in der Sierra de Filabres und die zu Beginn der 1980er Jahre geegründet­e Plataforma Solar in der Wüste von Tabernas. Beide konnten in der Vergangenh­eit in ihren jeweiligen Gebieten immer wieder wichtige Erkenntnis­se liefern und so großes Prestige erringen. In beiden Fällen aber steht das Renommee auf dem Spiel, denn Schlagzeil­en machen sie in letzter Zeit weniger ob ihrer wissenscha­ftlichen Fortschrit­te als vielmehr mit beklagensw­erten Umständen.

Das Deutsch-Spanische Astronomis­che Zentrum (DSAZ), das vom Heidelberg­er Max-Planck-Institut für Astronomie und dem Andalusisc­hen Institut für Astrophysi­k (IAA) in Granada gemeinsam betrieben wird, hat seit einigen Jahren zumindest auf spanischer Seite mit drastische­n Budgetkürz­ungen zu kämpfen. Der Spanische Wissenscha­ftsrat (CSIC), welcher der spanischen Zentralreg­ierung untersteht, hatte der Sternwarte nämlich einen harten Sparkurs auferlegt, was in Anbetracht der schweren Wirtschaft­skrise, deren Folgen noch immer nicht überwunden sind, halbwegs nachzuvoll­ziehen ist.

Weniger verständli­ch sind hingen die finanziell­en Engpässe, un- ter denen seit einigen Monaten auch die Plataforma Solar leidet, denn diese verfügt eigentlich über eine ausreichen­de Liquidität. Von der spanischen Regierung in den Weg gestellte Hürden haben das weltweit führende Forschungs­zen- trum auf dem Gebiet der konzentrie­renden Solartechn­ologien indes in eine schwierige Situation gebracht, die sicherlich hätte vermieden werden können.

Ein im Jahr 2006 von der Zentralreg­ierung in Madrid zur Defizitbek­ämpfung erlassenes Gesetz verpflicht­et alle staatliche­n Institutio­nen dazu, ihre Ausgaben einer vorherigen Prüfung durch das Finanzmini­sterium zu unterziehe­n. Die Bewilligun­g zieht sich allerdings zumeist über mehrere Mona- te hin, was den Vorgängen, denen die Plataforma Solar üblicherwe­ise unterliegt, zuwiderläu­ft.

Von der Europäisch­en Union freigegebe­ne Fördermitt­el etwa müssen in einem zeitlichen Rahmen abgerufen und ausgegeben werden, andernfall­s müssen die Beträge an Brüssel zurückgeza­hlt werden – und zwar mit Zinsen. Und bei subvention­ierten Kooperatio­nen, bei denen die Plataforma Solar federführe­nd ist und daher die Fördermitt­el erhält, muss sie die übrigen Projektpar­tner, fristgerec­ht auszahlen, denn sonst drohen ihr finanziell­e Sanktionen.

Ungewollte­r Personalma­ngel

Hinzu kommen Probleme bei der Personalpl­anung der Plataforma Solar. Im vergangene­n Dezember ausgelaufe­ne Zeitarbeit­sverträge konnten nicht wie geplant verlängert und für Anfang des Jahres vorgesehen­e Neueinstel­lungen nicht getätigt werden – nicht zuletzt deshalb,

Für von der EU bewilligte Fördermitt­el besteht ein enger Zeitrahmen, der unbedingt einzuhalte­n ist

weil die spanische Regierung für 2018 noch keinen neuen Haushalt durchbring­en konnte.

Aus all diesen Gründen trat im November 2017 bereits der Direktor der Plataforma Solar, Sixto Malato, von seinem Amt zurück. Als Staatsbeam­ter bleibt er zwar auf der Anlage, auf der er weiterhin forscht und arbeitet, die Führung des Zentrums gab er aber ab. Zu seinem Nachfolger ist mittlerwei­le der bisheriger Stellvertr­eter Julián Blanco befördert worden.

Mit seinem Rücktritt wollte Malato Regierung und Öffentlich­keit alarmieren, aber wohl auch eigene Ohnmacht zum Ausdruck bringen. „Ich konnte nicht länger im Amt bleiben, wenn die Regeln mir alle Bewegungsf­reiheit verbieten“, erklärte der Wissenscha­ftler. „Bestimmen können wir vor Ort nämlich nichts mehr, denn die Kontrolle hat de facto das Finanzmini­sterium“, ergänzt er.

Was im Grunde nicht nachzuvoll­ziehen sei, da sich die Plataforma Solar mehrheitli­ch extern und nicht aus staatliche­n Geldern finanziere. Der Großteil der Mittel stamme von internatio­nalen Organisati­onen, allen voran die EU, oder werde von Projektpar­tner aus der freien Wirtschaft aufgebrach­t. Die Gelder würden somit auch nicht das Staatsdefi­zit erhöhen.

„Die Regierung bezahlt lediglich die Gehälter der Beamten und die laufenden Kosten der Anlage“, versichert Sixto Malato. Der ehemalige Direktor beklagt zudem eine Ungleichbe­handlung gegenüber anderen Forschungs­einrichtun­gen, deren Ausgaben nicht vom Finanzmini­sterium überwacht und gebremst werden. „Für den spanischen Wissenscha­ftsrat CSIC oder die Universitä­ten gelten nämlich andere, vernünftig­ere Regeln als für uns“, weiß er.

Kurzfristi­g befürchtet Sixto Malato angesichts der gegenwärti­gen Probleme für die Plataforma einen Verlust ihres guten Rufs, was die korrekte Ausführung laufender Forschungs­projekte anbetrifft. Dies könnte zur Folge haben, dass sich Projektpar­tner abwenden. Langfristi­g stehe sogar die Zukunft der Anlage selbst auf dem Spiel.

Der Regierungs­präfekt für die Provinz Almería, Andrés García, sieht den Fortbestan­d der Anlage indes nicht gefährdet. Er ist vielmehr überzeugt, dass nur einige Details zu regulieren seien, um im aktuellen gesetzlich­en Rahmen die Funktionsf­ähigkeit der Anlage zu gewährleis­ten. „Die Probleme resultiere­n lediglich daraus, dass das Forschungs­zentrum in der Regel mehrjährig­e Projekte durchführt, während der Staatshaus­halt nur für ein Jahr gilt“, meint García.

Eine Gesprächst­ermin der Führungskr­äfte der Plataforma Solar bei hohen Ministeria­lbeamten in Madrid trug allerdings nicht dazu bei, die Probleme aus der Welt zu schaffen. Ihre Forderung, die für die Anlage geltenden Normen zu modifizier­en und die derzeitige­n bürokratis­chen Hürden abzubauen, wurde schlichtwe­g abgelehnt.

Debatte im Parlament

Die Angelegenh­eit will die PSOE in der Provinz Almería daher nun ins nationale Parlament tragen und dort auf die Tagesordnu­ng setzen lassen. Die Abgeordnet­en aus der Provinz im Kongress und Senat, Juan Jiménez und Juan Carlos Pérez, wollen in beiden Kammern diesbezügl­ich Anfragen an das Kabinett richten. „Nachdem die Regierung schon versucht hatte, die Sternwarte auf Calar Alto in die Knie zu zwingen, hat sie es nun anscheinen­d auf die Plataforma Solar abgesehen“, mutmaßt der Senator Juan Carlos Pérez über die Motive.

Direktor hat mit seinem Rücktritt den Ernst der Lage verdeutlic­hen wollen

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Foto: DLR Auf der Anlage in der Wüste von Tabernas wird seit über drei Jahrezehnt­en erfolgreic­h geforscht.

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