Konkrete Kunst
Monika Buch zeigt im Museum der Universität Alicante eine ganz besondere Wahrnehmung von Form und Farbe
Monika Buch zeigt im Museum der Uni Alicante ihre Sicht auf Form und Farbe
Das Museum der Universität Alicante (MUA) ist mit seiner geometrischen Strenge und den Wasserflächen als lebendigem Element genau der richtige Ort, um die Werke von Monika Buch zu zeigen. Noch bis zum 27. Februar stellt die agile 81-jährige Künstlerin hier unter dem Titel „Linie und Modul“rund 40 Zeichnungen und Acrylarbeiten aus, die strengen geometrischen Mustern folgen und in ihren Farbabstufungen doch ganz lebendig wirken. Ihre Werke gehören zur konkreten Kunst, wie sie der Schweizer Architekt Max Bill in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts formulierte. Abstrakte Kinetik, geometrische Kunst ist nur sich selbst verpflichtet und keine Verfremdung von Natur oder Realität.
Bei Max Bill in Ulm hat die in Valencia geborene Buch 1956 und 57 studiert – und zwar an der angesehenen Hochschule für Gestaltung (1953-1968). Den klaren Zweckbau hatte Max Bill selbst entworfen, heute gehört das Gebäude zur Uni Ulm. An der Hochschule für Gestaltung unterrichteten viele Lehrer des Bauhauses, sie war eine wegbereitende Institution, nahm allerdings nach dem Weggang Bills eine Richtung, die Buch nicht gefiel.
Bilder, die sich biegen
Ausgangspunkt der Ausstellung, die der Sammler und Kunstexperte Javier Martín aus Elche kuratiert hat, sind die dort entstandenen Arbeiten, die sich bis heute in verschiedenen Variationen fortsetzen. Das jüngste Werk von 2017 ist als Hommage mit „100 Jahre De Stijl“getitelt und nimmt mit den Farben Gelb, Blau und Rot in ihren Abstufungen diese Schule, zu denen Piet Mondrian und Gerrit Rietveld gehörten, auf.
Farbabstufungen, Verkettungen sich wiederholender Module und Spiele mit der Perspektive produzieren beim Betrachter optische Täuschungen. Ein roter Würfel, dessen freistehende Ecken sich allein durch die Farbgebung nach außen zu biegen scheinen, dabei ist das keineswegs der Fall. Wie durch Scherenschnitte ausgesparte Muster treten durch die Farbe Schwarz hervor oder durch Blau zurück, stoßen den Betrachter zurück oder ziehen ihn hinein in den Raum, dabei handelt es sich nur um eine Fläche.
Ein Bild voller viergeteilter Quadrate erhält nur durch das Farbspiel eine ganz andere, nämlich diagonale Struktur. Die Regeln der Gestaltpsychologie, die der argentinische Künstler und Design-Theoretiker Tomás Maldonado in Ulm lehrte, fließen in diese Arbeiten ein, um mit Tiefenwir- kung und Perspektive die Wahrnehmung zu beeinflussen.
Buch lernte in Ulm ihren späteren Mann kennen, den niederländischen Architekten Bertus Mulder, und zog mit ihm 1959 nach Utrecht. Sie wollte sich nicht der Entwicklung von Design und Technik widmen, sondern der von Kindern, sagt sie im Gespräch mit der CBN. Ihre Kenntnisse setzte sie praktisch um und entwickelte Spielzeug und Lehrmaterial für Sonderschüler. Bauklötze, die ineinandergreifen und mit denen Kinder konstruieren konnten, Schablonen, um bei lernschwachen Kindern die Wahrnehmung und Konzentration zu fördern. Die Unsicherheit beim Zeichnen wurde durch die Schablonen genommen, das erhöhte die Motivation und das Erfolgserlebnis. Sie richtete eine „Spielbank“ein. Verteilte Gesellschaftsspiele an sozial schwache Familien, die Kinder lernten Zahlen und Rechnen spielerisch. Zehn Jahre widmete sie sich den Sonderprogram- men und ihren eigenen drei Kindern, war Hausfrau, Mutter und Ehefrau eines Architekten. Als die Kinder aus dem Gröbsten raus waren, ging sie wieder auf die Uni, studierte Pädagogik und Kinderpsychologie und traf mitten in die 68er-Revolte, sagt sie lachend. In Utrecht herrschte noch Mittelalter, da kam die Revolte gerade recht.
Was sie von der Frauenbewegung hält, von dem Versuch bis heute, Künstlerinnen mehr Raum zu schaffen? Das sei dringend nötig. Noch immer kommen sie zu kurz, sind die öffentlichen Sammlungen von Männern bestimmt. Im Ivam in Valencia nimmt sie im April an der Gemeinschaftsschau valencianischer Künstlerinnen „A Contratiempo“teil. Das Ivam hat Arbeiten von ihr 2017 angekauft. In der Stiftung Chirivella Soriano in Valencia und in Palma bereitet sie Ausstellungen vor.
Intuitiv und systematisch
Dabei hat es lange gedauert, bis sie in ihrer Heimat Anerkennung fand. Sie hat regelmäßig in den Niederlanden und in Deutschland ausgestellt, aber erst 2015 hat die Galería José de la Mano in Madrid sie für Spanien entdeckt, und zwar mit den frühen Arbeiten aus Ulm. Buch war die einzige Spanierin an der Hochschule für Gestaltung. Es folgten Ausstellungen in Alicante und Valencia. Sie hätte nie viel Zeit gehabt, um Kontakte zu Galerien oder Kunstzentren zu knüpfen. Wenn sie mal Zeit hatte, habe sie gearbeitet, sagt sie.
Inzwischen arbeitet sie mit verschiedenen Techniken. Macht Collagen, nimmt Glas und Holzlatten oder Textilstreifen zu Hilfe, auf der Web sind auch dreidimensionale und abstrakt wirkende Arbeiten zu sehen, freier, verspielt. Collagen, bei denen zugute kommt, dass sie nichts wegwirft, wie sie erzählt.
Ob sie ein ordentlicher Mensch sei? Eigentlich nein, lacht sie. Nur bei der Arbeit. Beim Kochen und bei der Hausarbeit sei sie nicht so gründlich, bedauert ihr Mann. Mit dem Computer hat sie nie gearbeitet. Das reizt sie nicht. Sie liebt die Handarbeit. Für die geometrischen Arbeiten der Ausstellung benutzte sie Stempel, malte Streifen, schnitt aus, drehte und spielte mit den Elementen, dann klebte sie auf. Als
intuitiv und systematisch bezeichnet sie sich selbst.
Ihre deutschen Vorfahren waren Ende des 19. Jahrhunderts nach Valencia gekommen. Dort wurde sie 1936 in eine Familie von Industriellen und Honorarkonsulen geboren, das Herz der deutschen Gemeinde. Als der Spanische Bürgerkrieg ausbrach, wurde die Familie nach Deutschland in Sicher- heit gebracht, als der 2. Weltkrieg begann, befand sie sich gerade auf der Rückreise und gelangte auf abenteuerlichen Umwegen nach Barcelona und Valencia. Buch besuchte spanische Schulen, bis die deutsche Kolonie privaten Unterricht organisierte, und machte auf der Deutschen Schule Barcelona Abitur. Die Buchs waren eine große internationale Familie, mit Zweigen bis in die USA. Zuhause sprachen sie Deutsch, Spanisch lernte sie, Valencianisch versteht sie, aber das wurde damals nur auf dem Land gesprochen. Ihr Neffe, Máximo Buch, ist der ehemalige Landesminister und heute Abgeordneter im Landtag für die Volkspartei.
Monika Buch nutzt mit ihrem Mann noch immer das Jugendstilhaus ihres Großvaters in Paterna. Sie hat dort ein Atelier, in dem sie arbeitet, wenn sie in Valencia ist. In Spanien ist sie aufgewachsen: „Es sind die Farben, das Licht und das Meer, die Mosaiken, die Fliesen und andere Erinnerungen an die Zeit, in der die Araber in Valencia waren, die zu einem großen Teil meine ästhetischen Vorlieben geprägt haben.“
Die Begegnung mit der Natur in Paterna bezaubert sie bis heute. Deutschland war dann das kulturelle Erwachen und das Erproben von Unabhängigkeit. In den Niederlanden lebt sie seit 60 Jahren.