Filme mit Tiefe und Ästhetik:
Spaniens wichtigster Filmpreis vergeben – Filme voll Tiefe und Ästhetik sind die großen Gewinner
Filmpreise Goyas verliehen
Madrid – mar. Die Premios Goya der nationalen Filmakademie, sozusagen die spanischen Oscars, wurden am Wochenende bei der alljährlichen Fernsehgala zum 32. Mal vergeben. Das diesjährige Event hatte drei bestimmende Aspekte: Neben den Filmen und ihren Protagonisten selbst sowie der traditionellen Diskussion darüber wie ge- oder misslungen die Fernsehshow ausgefallen ist (Tenor in den Medien: zu lang, zu humorlos, ohne Rhythmus), gehörte die Bühne vor allem den Frauen. Die Akademie adaptierte die #Metoo-Aktionen aus den USA und stellte sie unter die Losung #MásMujeres, mehr Frauen, die man auf hunderte knallrote Fächer druckte und im Publikum verteilte, das damit an passenden und auch unpassenden Stellen wedelte, um der legitimen Forderung nach mehr weiblicher Präsenz im Filmbetrieb Ausdruck zu verleihen.
Appelle ohne konkreten Plan
Der Intelligenz der Beteiligten ist es zu danken, dass das relevante Thema weder von feministischem Kampfgebrüll, noch lamoryanten Klageliedern übertönt wurde, auch wenn es manchmal knapp davor war. Die Vizepräsidentin der Akademie, Nora Navas, trug einen engagierten Appell für mehr Geschlechtergerechtigkeit vor und ermutigte Frauen, ihren Weg in der Filmbranche zu gehen. Konkrete Maßnahmen ließ die Akademie nicht verlauten und so blieb das rot befächerte Anliegen letztlich nur eine politisch-korrekte Hintergrundmusik des Abends. Wohl auch, weil tausende Filmschaffende in ihrem Beruf darben, für ihren Traum hohe persönliche Opfer bringen – unabhängig von ihrem Geschlecht.
Wie nötig die Debatte dennoch ist, belegen die Fakten: Von den 130 für die Goyas Nominierten waren nur rund 30 Frauen, acht der 28 Goyas gingen an Frauen, zieht man die für weibliche Rollen ab, bleiben sechs. Dennoch meinte der valencianische Schauspieler und TV-Moderator Arturo Valls, offenbar „alter Schule“, es sich nicht verkneifen zu können, den Verdacht zu äußern, Preise könnten wegen des Geschlechts und nicht wegen der Leistung vergeben werden. Eine Anmerkung, die in den Medien sogleich wieder für Debatten sorgte.
Tiefe und lustvolle Ästhetik
Die beiden großen Gewinner des Abends, „Handia“und „La librería“(Der Buchladen), haben einige Gemeinsamkeiten. Sie sind nicht einfach Filme, sondern wirkliche Filmkunst mit Tiefe und lustvoller Ästhetik. Sie handeln von dem Drang des Menschen, sich seine Träume nicht durch die Widrigkeiten des Lebens nehmen zu lassen. Das historisierende Drama „Handia“der Regisseure Jon Garaño und Aitor Arregi heimste zehn Goyas bei 13 Nominierungen ein. Die Geschichte über das Leben und Leiden eines an Riesenwuchs erkrankten Mannes wird wie ein lyrisches Märchen im Umfeld des ersten Karlistenkrieges 1836 im Baskenland erzählt und grandios verkörpert von Hauptdarsteller Joseba Usabiaga. Eine Parabel über Vorurteile und Menschlichkeit.
Die eigentliche Gewinnerin der Goyas 2018 ist aber „La librería“von Isabel Coixet, die zwar weniger Goyas einsammelte, dafür aber die prestigeträchtigsten für beste Regie, bestes Drehbuch und besten Film. Es handelt sich um die Adaption einer Erzählung der Britin Penelope Fitzgerald und eine spanisch-britisch-deutsche Koproduktion. Die britischen Schauspieler Emily Mortimer, Patricia Clarkson und Bill Nighy erzählen in leisen Töne eine Geschichte von einem kleinen, großen Traum: Florence Green will in einer sozial vernachlässigten Gegend Englands der 50er Jahre ihren Lebenstraum umsetzen, einen kleinen Buchladen zu eröffnen, und mit ihm die Hoffnung zurückbringen.
Ebenfalls prämiert – und von manchem Beobachter als unterbewertet eingeschätzt – wurde die katalanische Produktion Estiu 1993 (Sommer 1993), das Debüt von Carla Simón, eine halbbiografische Jugenderzählung über das Leben und Vergehen von Kindheitserlebnissen und -träumen. Ausgezeichnet in Einzelkategorien wurden auch der literarische Thriller von Manuel Martín Cuenca, „El Autor“, sowie „Abracadabra“von Pablo Berger und der MusicalFilm „La Llamada“.
Ein Ehren-Goya ging an Marisa Paredes, die 71-jährige Schauspiellegende, die in Kino, Fernsehen und auf den Theaterbühnen Spaniens, Frankreichs und Italiens brillierte, deren Name eng mit dem Regisseur Pedro Almodóvar verknüpft ist und die auch vier Jahre der Filmakademie vorstand. „Endlich sehen wir uns in die Augen“, sagte sie zu ihrem Goya.