Kokainbaron gefasst:
Mit Sito Miñanco wurde einer der mächtigsten Drogenbosse Europas verhaftet – wieder einmal
Mit Sito Miñanco einer der mächtigsten Drogenbosse Europas verhaftet
Madrid – mar. Mit einer großangelegten, über Jahre vorbereiteten und mit europäischen Kollegen koordinierten Polizeiaktion wurde am Montag das wichtigste Drogenkartell Spaniens und womöglich Europas zerschlagen. Es gab über 40 Verhaftungen und fast 50 Hausdurchsuchungen in fünf Provinzen der Regionen Galicien, Madrid und Andalusien. Zwei Beamte wurden bei den Zugriffen verletzt.
Vom Tabak zum weißen Pulver
Unter den Verhafteten finden sich fünf Drogenbosse einer Familie, darunter ein schon legendärer Name der spanischen Kokain-Mafia: Sito Miñanco, der Capo di tutti capi, wie es im italienischen Mafia-Jargon heißt. Ihm und mitverhafteten Clanmitgliedern werden die Einfuhr von 3,6 Tonnen Kokain sowie Geldwäsche im dreistelligen Millionenbereich vorgeworfen, die Führung einer kriminellen Organisation und weitere Delikte. Die Polizeiaktion stützte sich auf das Aufbringen eines Schmuggelschiffes vor einigen Monaten vor den Kanarischen Inseln. Die damals Verhafteten wurden mit der Aussicht auf eine Milderung ihrer drohenden Haftstrafen gesprächig.
Sito Miñanco wurde im galicischen Pontevedra 1955 unter dem Namen José Ramón Prado Bugallo in eine einfache Fischerfamilie geboren und betätigte sich bereits als Jugendlicher im Tabakschmuggel, für viele Familien ein Mittel gegen existentielle Nöte. Der Handel bescherte ihm erste Haftstrafen. Er sattelte alsbald auf Kokain um, streckte seine Fühler nach Mittelund Südamerika aus und gilt als Mitgründer der europäischen Route des kolumbianischen MedellínKartells. In diesen Kreisen lernte er in den 80er Jahren in Panama seine Frau kennen. Er belieferte halb Europa, besonders auch den Verteilerkreis Holland.
Miñancos Darstellungsdrang war szenetypisch: Luxusbauten mit Hochsicherheitswahn, teure Autos und ein eigener Fußballklub. Er kaufte seinen örtlichen Verein auf und investierte Millionen in dieses Luxus-Hobby. Zwar liefen viele Verfahren gegen ihn, auch wegen ldiverser Gewaltverbrechen, einer Verurteilung konnte er sich aber jahrelang entziehen. Viele Polizisten und andere Zeugen hatten vor Gericht plötzlich Erinnerungslücken. Wie viele Menschenleben auf das Konto seiner Geschäfte gehen, traut sich die spanische Polizei nicht einmal zu schätzen.
Das ging bis 1994 gut. Dann verdonnerten die Gerichte ihn zu einer 20-jährigen Haftstrafe, von denen er aber nur sieben Jahre absaß und währenddessen noch die Chuzpe hatte, den bekannten Richter Baltasar Garzón beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu verklagen, weil er sich durch das Abhören seines Telefons in seiner Privatsphäre gestört fühlte. Und tatsächlich, wegen formaler Unregelmäßigkeiten bekam der Mafia-Boss 7.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Nur zwei Monate in Freiheit, wenn auch unter Auflagen, erwischte ihn die Justiz bald mit einer Sendung von fünf Tonnen Koks in internationalen Gewässern: 17 Jahre Haft und 390 Millionen Euro Bußgeld fasste Sito dafür 2004 auf.
Geschäfte aus dem Knast
2010, Sito saß im andalusischen Huleva ein, deckten Ermittler auf, dass der Boss vom Gefängnis aus ein internationales Firmengeflecht für Geldwäsche dirigierte. Der dortige Gefängnisdirektor musste genauso wegen Vertrauensverlustes entlassen werden wie jener in Algeciras, wo Sito zuletzt einsaß, weil dieser sich zwei Mercedes hatte schenken lassen, im Gegenzug zu Hafterleichterungen. Die bestanden unter anderem darin, dass er Hafturlaube genoss und zuletzt als Parkplatzwächter für ein Sozialzentrum in Algeciras arbeitete, von wo ihn die Polizei jetzt wieder einsammelte.
Mitgründer der Europa-Route des Medellín-Kartells