Neu in Torrevieja
Die Beileidsbekundungen von Freunden und Kollegen waren stumm, aber unüberhörbar. Sie haben mich nach Torrevieja geschickt. Offenbar habe ich einmal doch zu viel dumme Witze über Benidorm gerissen. Eine Mondlandschaft aus Urbanisationen, dazwischen Kräne beim Zubetonieren der letzten Erdflecken. Zwei Salzseen wie große Tränen. Dann: Torrevieja. Ein Meer mit großem Hafen und ein Meer aus Häusern, bei dessen Schaffung Stadtplaner und Architekten geschlossen im Urlaub waren. Strandpromenade, ein Hippie-Markt kurz vor dem Abriss und ein Vergnügungspark mit Kinkerlitzchen. Das älteste Gebäude scheint das Casino zu sein, eingebettet in zwei beispielhafte Bausünden. Tausende Russen, Engländer, Latinos, Araber, ein paar Deutsche – und wieder Russen. Mehr Friseursalons als Bars. In Spanien, dem Land mit der höchsten Bar-Dichte der Welt! Das Bier 1,50, der Haarschnitt 5 Euro. Drei Bier sind billiger als ein Haarschnitt, der dann sowieso egal ist, denke ich. Ich will zurück nach Benidorm. Nein. Will ich nicht. In den ersten Tagen traf ich viele Menschen. Normale Menschen. Endlich. Dass keine Nation domi- niert, ist gut für die Stimmung. Deutsche können ganz schön runterziehen. Fragen Sie mal in Altea Hills nach!
Don Quijote hat mitten im Häusernichts eine alte Mühle hingestellt. Um mich zu quälen? Ich habe Orte im Kosovo bereist, die mehr Charme versprühten – während des Krieges! Aber das ist es. Für einen Journalisten ist Chaos der Humus, auf dem seine Blüten sprießen. Ich werde mir Torrevieja erobern, eben nicht durch kitschige Postkartenansichten, sondern mit den Geschichten der Menschen, die wissen, warum sie hier leben und was sie hier schätzen. Es ist sicher mehr als der billige Haarschnitt, Sonne und Meer. Die „gemäßigten Wanderer“können mir vielleicht die schönen Stellen zeigen...
„Ich lebe seit 22 Jahren hier“, sagt mir die Bedienung im Restaurant La Naviera, in dem ich die besten Pelotas seit langem essen durfte – mitten in Torrevieja. „Ich habe mich an all das gewöhnt. Ich fühle mich wohl, es gefällt mir hier richtig.“Und die Frau kommt aus Granada...