Vor dem Verfall retten
Alte und ungenutzte Stierkampfarenen werden umgebaut und verwandeln sich in Mehrzweckhallen für Veranstaltungen
Eine Stierkampfarena, ein bedeutendes, für die spanische Kultur emblematisches Gebäude, ist nicht mehr, was sie in den 50er und 60er Jahren in Spanien war. Hätte man in jener Zeit ein kleines Kind gefragt, was es werden wolle, wenn es mal groß sei, hätte es möglicherweise begeistert „Torero“(Stierkämpfer) geantwortet. Doch wie viele spanische Kinder würden heute wohl die gleiche Antwort abgeben?
Nichts spiegelt das aktuelle Desinteresse der Spanier für den Stierkampf besser wider als das Erscheinungsbild zahlreicher verfallener Stierkampfarenen. Die junge Generationen und die Gesellschaft im Allgemeinen scheinen sich für die alte Kunst des Stierkampfes nicht mehr zu interessieren. Das ist der Grund der heutigen Dekadenz und der Perspektivlosigkeit dieses Schauspiels: Das Interesse unter den Ju- gendlichen fehlt, und wenn sie sich für die Stierkämpfe nicht interessieren, hat diese alte Kunst keine Zukunft. Natürlich spielt auch die wachsende Bewegung gegen Tierquälerei eine wichtige Rolle und trägt zum negativen Ruf der Stierkämpfe bei. Derzeit führen viele Anti-Stierkampfvereinigungen und Tierschutzorganisationen Kampagnen gegen den Stierkampf und wollen ihn verbieten lassen.
Vernachlässigte Tradition
Die handfestesten Beweise für das schwindende Interesse der Bürger sind die verfallenen, seit vielen Jahren verlassenen Plazas de Toros, die in vielen Ortschaften Spaniens zu sehen sind. Auch in der Provinz Alicante kann man sie finden: Ein Beispiel ist die bröckelnde Stierkampfarena Orihuelas, wo seit etwa 30 Jahren keine Stierkämpfe mehr stattfinden.
Der derzeitige Zustand dieses Kampfplatzes könnte kaum schlechter sein: Im Inneren der Arena wachsen Unkraut und Bü- sche seit der Schließung des Gebäudes 1986. Anwohner warnen außerdem davor, dass Teile der Außenwände auf Passanten stürzen könnten.
Der stillgelegte, einst bei den Einwohnern beliebte Bau wurde im Verlauf der letzten Jahre von den Bürgern und der örtlichen Politik gern ignoriert. Bis jetzt, denn die Stadtregierung Orihuelas (Volkspartei, PP) hat begonnen, die ruinöse und vermutlich von vielen längst vergessene Arena umzubauen und in ein Freizeitund Veranstaltungszentrum für 2.800 Zuschauer umzuwandeln. Ein Plan, mit dem nicht alle in der Stadt einverstanden sind. Die örtliche Stierkampf-Vereinigung José María Manzanares etwa ist gegen die Errichtung des Freizeitzentrums. Die Mitglieder behaupten, das Bauvorhaben verstoße gegen die städtebaulichen Vorschriften des historischen Gebäudes.
Umbau bis Oktober
Trotz des Widerstands von Seiten der Stierkampfliebhaber schreitet das Projekt voran: Die Umbauarbeiten haben vor kurzem begonnen. Nach Abschluss der Renovierungsarbeiten im Oktober dieses Jahres sollen Stierkämpfe am neuen Veranstaltungsort allerdings nicht mehr stattfinden. Und niemand in Orihuela empört sich darüber, dass die einstige Leidenschaft des berühmten einheimischen Dichters Miguel Hernández, der Stierkampf, in der Stadt nicht mehr veranstaltet wird.
Nicht einmal die Stierkampfliebhaber des Vereins José María
Manzanares stören sich an dieser Tatsache. Ihnen ist nur die Erhaltung des Gebäudes wichtig, aber nicht die Veranstaltung von Stierkämpfen an sich. Nach 30 Jahren ohne Stierkämpfe in der Stadt würde das Rathaus eine Forderung, die Veranstaltung von Stierkämpfen wieder zu genehmigen, sowieso nicht ernst nehmen.
Der Umbau einer alten und ruinösen Stierkampfarena ist aber keineswegs etwas Neues in der Provinz. Ähnliche Bauprojekte wurden schon vor einigen Jahren in Städten wie beispielsweise Villena oder Ondara erfolgreich durchgeführt. 2011 waren die Renovierungsarbeiten in der Plaza de Toros von Villena abgeschlossen.
Aus den Ruinen der alten Arena, in der der letzte Stierkampf Mitte der 80er Jahre stattfand, wurde eine Mehrzweck-Veranstaltungshalle mit aufklappbarem Glasdach. Er ist der überdachte Ort mit der größten Aufnahmekapazität der Provinz Alicante: Bis zu 6.052 Zuschauer kann die neue Stierkampfarena beherbergen.
Villena als Vorbild
Die vielen verschiedenen Veranstaltungen, die in dieser renovierten Arena seit der Eröffnung stattgefunden haben, und die große Anzahl von Besuchern, die jedes Mal dabei waren, sind ein guter Belweis dafür, dass man aus einem solchen Bauvorhaben Nutzen ziehen kann. Klavierkonzerte, Flohmärkte, Sportveranstaltungen–die Palette an Möglichkeiten ist breit.
Im Unterschied zum zukünftigen Veranstaltung sortOrihue las dürfen Stierkämpfe auch in der neuen Mehrzweckbühne Villenas veranstaltet werden. Das ist einer der bedeutendsten Vorteile eines solchen Baus: Die ganz große Auswahl anVe ran st altungs möglichkeiten, die erbietet.
Besonders zufrieden mit der neuen Mehrzweckbühne zeigt sich VillenasOpposit ions stadtrat Francisco Abellán(PP ).„ Das Gebäude wurde nicht nur wiederaufgebaut, es wurde verbessert. Mit dem Umbau der verfallenen Stierkampfarena im Jahr 2011 hatte die Volkspartei Villenas eines ihrer wichtigsten Wahlkampf-Versprechen erfüllt. Die Unterstützung der Regionalregierung Valencias und des damaligen Präsidenten der Region, Francisco Camps, war ausschlag-
15 Millionen Euro wurden in die Renovierung der Arena Villenas investiert
gebend, um das Projekt zu verwirklichen“, berichtet Abellán. Und tatsächlich war die Finanzhilfe des Ministerpräsidenten Camps sehr wichtig: 15 Millionen Euro musste die Regionalregierung Valencias damals in die Renovierung der Arena investieren.
Mehr als 4.500 Personen nahmen an der Eröffnung der neuen Stierkampfarena teil. Auch Camps wurde eingeladen, der unter großem Applaus in die Arena eintrat. Zusammen mit der damaligen Bürgermeisterin der Volkspartei, Celia Lledó, sagte er ein paar Worte vor dem Publikum der Plaza: „Wir alle sollten stolz auf unsere neue Arena sein. Ich werde weiter auf die Förderung von anderen Projekten in dieser Stadt setzen. Ich habe mich für die Ziele Villenas engagiert und werde mich künftig weiter engagieren.“
Die Bürgermeisterin betonte ihrerseits, dass der Umbau der Stierkampfarena ohne die finanzielle Unterstützung von Camps, der „an die Stadt glaubt“, nicht möglich gewesen wäre. Zahlreiche örtliche Vereinigungen nahmen am ersten Schauspiel des Veranstaltungsortes teil; dabei ging es um eine Allegorie auf die Geschichte der Stadt.
Von der feierlichen Stimmung am Eröffnungstag berichtet der Besitzer einer in der Nähe der Stierkampfarena gelegenen Cafeteria: „Es herrschte ein Gewimmel hier auf dem Platz. Das war mit Sicherheit der Tag, an dem ich mehr verkauft habe als je in meinem Leben. Auch in den ersten beiden Monaten nach der Eröffnung war der Platz überfüllt. Die Bürger hatten und haben Lust darauf, den Ort zu besuchen, wenn etwas veranstaltet wird“, erzählt Abellán.
Aber kurz darauf kamen in einer Koalitionsregierung die Parteien Villena Centro Democrático, Sozialisten und Grüne an die Macht und „schlossen das Gebäude, weil sie sich mit diesem Projekt nicht identifizieren konnten“, wie der Stadtrat der oppositionellen Volkspartei meint.
Zwar haben diese Koalitionsregierung und die Grünen, die danach an die Macht gelangten, in den letzten Jahren einige Events in Villenas Arena organisiert, aber „sie wissen nicht, wie man den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen kann. Die neue Arena ist jetzt ein Platz für allerlei Veranstaltungen, aber die zwei letzten Regie- rungen haben da nur eine bestimmte Art von Events veranstaltet, mit denen sie sich identifizierten und die nicht allen Bürgern gefallen“, kritisiert Francisco Abellán. „Es ist so, als hätten wir einen Ferrari gekauft und würden ihn nicht fahren.“
Aber wenn man die lokalen politischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien Villenas beiseite lässt, kann man erkennen, dass die Verwandlung einer verfallenen Stierkampfarena in eine Mehrzweckhalle zahlreiche Vorteile für eine Stadt sowie deren Bewohner und Besucher mit sich bringt.
Lösung für die Zukunft
Angesichts der vielen vernachlässigten Stierkampfarenen in Spanien ist zu erwarten, dass ähnliche Bauprojekte in den nächsten Jahren durchgeführt werden. Das ist zumindest die Meinung von Abellán: „Die Zeiten ändern sich, und bei solchen öffentlichen Bauten muss ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten in Betracht gezogen und die Multifunktionalität gefördert werden.“
Was mittlerweile schon feststeht, ist, dass eine Stierkampfarena, in der ausschließlich Stierkämpfe stattfinden, nicht mehr so rentabel ist wie vor 50 Jahren. Für die bröckelnden Plazas de Toros muss ein anderer Nutzen gefunden werden.