Ein Hauch Gaudí
Rote Ziegelsteine, bunte Fliesen und kurvige Architektur: Die modernistische Kirche in Novelda wird 100 Jahre alt
Wie eine kleine Sagrada Familia mutet das Santuario de Santa María Magdalena in Novelda an. Die Kirche wurde ebenfalls im Modernismo-Stil erbaut und feiert in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag. Derzeit wird die weltweit einzige Orgel aus Marmor in ihrem Innern gebaut.
Im rötlichen Ton ihrer Ziegelsteine und bunter Keramik in der Außenfassade steht sie stolz auf einem kleinen Hügel, nördlich vom Stadtzentrum in Novelda. Die Kirche Santuario (Heiligtum) de Santa María Magdalena gehört architektonisch zur Gruppe des valencianischen Modernismus und erinnert an Gaudís Sagrada Familia in Barcelona. Nicht nur in der Außenstruktur haben die beiden Kirchen etwas gemeinsam. Bei beiden Gebäuden sind gewisse Teile noch nicht fertiggebaut.
Im Falle des Santuario de María Magdalena handelt es sich dabei um die Kirchenorgel von Iván Larrea, die als einzige in der Welt ausschließlich aus Marmor besteht. Üblicherweise werden Orgeln aus Holz oder Metall gebaut, Novelda bietet allerdings speziellere Ressourcen. „Wir sind nun mal die Stadt des Marmors“, sagt José Luis Pellín Payá, kommunaler Archivar und Direktor des Noveldamuseums. Die Orgel strahlt zwar im Inneren der Kirche von oben, gegenüber vom Altar, herab, doch fertig gebaut ist sie bis heute nicht.
Das Bauprojekt hat in den 1990er Jahren angefangen und kam durch eine Kollaboration verschiedener Marmorunternehmen der Region zustande. Der Marmorstein ist nämlich sehr robust und haltbar und setzt Energie besser um als Holz. Bei Fertigstellung soll das Instrument insgesamt elf Meter hoch, sechs Meter breit und 40 Tonnen schwer sein. Wegen Geldmangel ist die Fertigstellung aber momentan auf Eis gelegt. Trotzdem wird ein Teil der Orgelpfeifen bereits verwendet. Diese stehen neben dem Altar und werden elektronisch über ein Keyboard betätigt. Das eigentliche In- strument schaut zwar unvollendet von oben herab, doch die Kirchenmusik kann momentan trotzdem in vollen, warmen Tönen erklingen. Das Kirchengebäude selbst ist al- lerdings im Gegensatz zur Sagrada Familia fertiggestellt. Der Bau begann vor 100 Jahren im Jahr 1918, 36 Jahre nach dem der Sagrada Familia. María Magdalena wurde 1915 zur Patronin von Novelda von Papst Benedikt XV. ernannt. Um sie ehrenvoll zu würdigen, wurde der aus Novelda stammende José Sala Sala mit dem Bau der Kirche beauftragt.
Sala war eigentlich ein Textilingenieur und kam aus dem Großbürgertum. Die Kirche wurde auf Grund des Krieges und der fluktuierenden ökonomischen Situation in vier Phasen gebaut und schlussendlich nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 fertiggestellt. Valencianischer Modernismus Inspiriert wurde Sala vom katalanischen Hauptvertreter des Modernismus, dem Architekten Antonio Gaudí, der die Straßen von Barcelona mit schwungvollen und bunten Gebäuden geprägt hat. Die Kunstrichtung ist Teil der künstlerischen Strömungen der Jahrhundertwende wie Jugendstil oder Art Nouveau. „Der Modernismus zeigt sich sehr feminin, er hat viele Kur-
ven und Blumenmotive,“erklärt Pellín Payá. Die Außenfassade zum Beispiel ist mit vielen bunten Fliesen bestückt. Auch hier spiegeln sich abwechselnd Blumenmotive oder auch christliche Symbole wie das Kreuz wider. Die Materialien stammen alle aus Novelda.
Die Kieselsteine für dekorative Elemente der Fassade kommen sogar vom nahegelegenen Fluss Vinalopó. Die einzelnen Steine der Bögen rund um das Gebäude weisen verschiedene, eingemeißelte Zeichen auf. Immer wieder tauchen Weizen und Weintrauben, als Symbole der Kommunion, auf. Christliche Architektur Die Architektur des Santuario ist durch weitere immer wiederkehrende Symbole gekennzeichnet und zwar sind dies Blumen und Kreise. Die Blumen seien typische Motive des Modernismus und sollen dessen Natürlichkeit darstellen, sagt der Archivar. Die vielen Kreissymbole sollen die Unendlichkeit des Glaubens an Jesus Christus repräsentieren. „Die Architektur des Gebäudes ist eine Annäherung an den christlichen Glauben. Viele Symbole und Strukturen des Gebäudes muss man zu lesen wissen,“sagt der Museumsdirektor. Allgemein soll die Natürlichkeit der Stilrichtung vor allem durch kurvige Strukturen und bogenförmige Elemente verfestigt werden. Die Ziegelsteine, aus denen die Kirche gebaut ist, sollen ebenfalls christliche Werte widerspiegeln, da Steine so wie der Glaube dauerhaft seien, so der Museumsdirektor. Fünf Türme, zwei davon stolze 25 Meter hoch, ragen beim Haupteingang des Gebäudes in die Höhe. Diese sollen eine Nähe zu Gott ermöglichen, aber auch dessen Unterschied zu den Menschen darstellen. „Die Türme sollen dich klein machen, um zu zeigen, dass es nichts Größeres als den Glauben gibt,“erklärt Pellín Payá. Auf der Spitze befindet sich jeweils ein Kreuz und darauf ein Kompass, um zu zeigen, dass der Glaube überall ist und von überall herkommt. Die Kirchenfenster und auch die bunten Fliesenelemente in der Außenfassade leuchten in blauen Farbtönen und sollen das himmlische Blau darstellen. Auch im Inneren der Kirche findet man eine Kombination der modernistischen Architektur und der Glaubensrichtung. Das Gemälde hinter dem Altar zum Beispiel zeigt eine weltliche Frau mit offenen Haaren und sinnlicher Attitüde, die mit gestreckten Armen das Licht Christi empfängt. Hier sieht man ebenfalls viele kleine Details, die die Religion widerspiegeln sollen. Daneben befinden sich auch die Orgelpfeifen. Am 22. Tag jedes Monats findet regelmäßig ein Gottesdienst im Santuario statt. Der 22. Juli ist nämlich der Feiertag der Namenspatronin María Magdalena. Diese soll durch die monatliche Messe geehrt werden. Zusätzlich finden in der Kirche auf Wunsch auch Hochzeiten oder andere kirchliche Festlichkeiten statt.
Ebenfalls sehenswert in Novelda ist das „Casa-Museo Modernista“, das sich im Stadtzentrum befindet. Es handelt sich um ein großbürgerliches Haus vom Anfang des 20. Jahrhunderts, ganz im Stil des Modernismus. Auch hier findet man Blumenmotive und schlangenförmige Elemente der Kunstrichtung wieder. „Wir wollen dem Haus wieder Leben geben“, sagt die Casa-Museo-Direktorin Merche Navarro.
Das Haus beherbergt temporäre Ausstellungen der Stadt. Momentan kann man die Ausstellung „Das Erbe von Jorge Juan“, des bedeutenden Wissenschaftlers und Politikers des 18. Jahrhunderts, und „Unveröffentlichte Dokumente des Novelda-Archivs“besuchen. Die Stadt ist auch in diesem Jahr Teil der „Ruta Europea del Modernismo“(Europäische Modernismusroute). Empfehlenswert ist auch die „Noche de Misterio“, eine interaktive Theateraufführung, und das Jazzkonzert im Mai bei der „Noche de Museos“.