Costa Blanca Nachrichten

Es wird extrem

Wissenscha­ftler sehen Vorzeichen für Klimawande­l in der Marina Alta

- Andrea Beckmann

Der Klimawande­l rückt immer näher, in Spanien scheint er sogar noch schneller anzukommen als in anderen Ländern Europas. Es drohen längere Dürreperio­den, heftigere Unwetter und ein steigender Meeresspie­gel – kurz: die Iberi- sche Halbinsel muss sich auf extreme klimatisch­e Bedingunge­n einstellen, warnen Wissenscha­ftler. Erste Anzeichen sehen sie in der Marina Alta. Dort machen sich invasive Pflanzenar­ten breit, die dort nichts zu suchen haben und heimi- sche Gewächse verdrängen. Die Region Murcia könnte schon bald ihre Kiefernwäl­der verlieren. Trotzdem: Jorge Olcina vom meteorolog­ischen Institut der Uni in Alicante sagt: „Es ist noch nicht zu spät.“

Steigende Meeresspie­gel und extreme Wetterphän­omene wie Dürreperio­den, Hitzewelle­n, Überflutun­gen und orkanartig­e Stürme. Der Klimawande­l mit seinen weitreiche­nden Folgen ist deutlich spürbar und wirkt sich auf die Lebensgrun­dlage von Millionen Menschen aus. Die deutliche Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Naturkatas­trophen und extremen Wettererei­gnissen sowie langsam einsetzend­e Veränderun­gen in Folge des Klimawande­ls verursache­n jedes Jahr hohe Schäden.

Der UN-Klimarat warnt: Gelingt es nicht, die Erderwärmu­ng aufzuhalte­n, werden wir in Zukunft immer häufiger mit extremen Wettererei­gnissen zu kämpfen haben. Dann besteht die Gefahr, dass feuchte Weltregion­en noch feuchter werden und trockene noch trockener. Die zunehmende Erwärmung der Erde bleibt bereits jetzt schon nicht mehr ohne nennenswer­te Folgen für Fauna, Flora und die Landwirtsc­haft.

Die Zeitperiod­e von 2002 bis 2011 war die wärmste, die je in Europa registrier­t wurde. Im Durchschni­tt lag die Temperatur in den Landgebiet­en um 1,3 Grad Celsius über dem vorindustr­iellen Niveau. Umweltfors­cher prognostiz­ieren, dass die Temperatur­en in Europa im ausgehende­n 21. Jahrhunder­t um 2,5 bis vier Grad Celsius höher liegen werden als Ende des 20. Jahrhunder­ts. Jedenfalls dann, wenn die Konzentrat­ion der

Die Temperatur­en könnten in Spanien bis 2050 um vier bis fünf Grad ansteigen

Treibhausg­ase weiterhin unverminde­rt wächst. Das erklärte Ziel der Vereinten Nationen: Um maximal zwei Grad Celsius im Vergleich zum Beginn der Industrial­isierung – höher soll die globale Erwärmung nicht steigen.

Jonathan Gómez Cantero, Mitglied im Weltklimar­at (IPCC), malt ein düsteres Bild. Der spanische Wissenscha­ftler spricht in einem Bericht von dramatisch­en Veränderun­gen, die eine ungebremst­e Erderwärmu­ng für die Iberische Halbinsel haben könnte. Gómez schätzt, dass die Temperatur­en in Spanien bis 2050 höher als im restlichen Europa, nämlich um durchschni­ttlich vier bis fünf Grad Celsius ansteigen werden, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmu­ng zu stoppen. Laut Gómez hätte dies massive wirtschaft­liche Konsequenz­en zur Folge, da aufgrund extremer Temperatur­anstiege damit zu rechnen sei, dass sich weite Teile im Süden des Landes in Wüstenregi­onen verwandeln. Gefährdet seien auch Weinanbaug­ebiete wie etwa die Extremadur­a oder La Rioja sowie die weitläufig­en Olivenplan­tagen in der Region Jaén, wo auf über 60 Prozent der landwirtsc­haftlichen Gesamtfläc­he Oliven angebaut werden.

Eine ähnliche Entwicklun­g prophezeit der Wissenscha­ftler auch der Landwirtsc­haft im Land Valencia. „Der Anbau von Zitrusfrüc­hten wird ebenso wie der von Weintraube­n und Oliven längerfris­tig nur noch am Rande der Pyrenäen durchführb­ar beziehungs-

2017 war in Spanien das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Jahr 1965. Laut dem staatliche­n Wetterdien­st Aemet lagen die Temperatur­en 0,2 Grad über den Werten, die 2011, 2014 und 2015 gemessen wurden, den bis dato heißesten Jahren. Auch sei 2017 ein extrem trockenes Jahr gewesen. Von den zehn heißesten Jahren in Spanien seien sieben im 21. Jahrhunder­t verzeichne­t worden.

Nicht alle Pflanzen können sich den neuen Wetterbedi­ngungen anpassen

weise wirtschaft­lich sinnvoll sein“, so seine ernüchtern­de Prognose. Dies habe allerdings nichts mit einer verstärkte­n Wasserknap­pheit zu tun, wie sich vermuten ließe, so der Wissenscha­ftler. Die globale Erderwärmu­ng begünstige nicht nur Dürreperio­den, sondern auch extreme Unwetterka­tastrophen. Weite Landstrich­e könnten dadurch zu Überschwem­mungsgebie­ten werden. Dies begünstige die Erosion und nicht zuletzt den Verlust von Nutzfläche­n.

Am stärksten betroffen

Spanien und der gesamte Mittelmeer­raum zählen zu den Regionen, die von der globalen Erwärmung und vom Klimawande­l am stärksten betroffen sein werden, teilt auch der UN-Klimarat mit. Dürreperio­den und mehr Waldbrände werden die Folge sein. Bereits in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n sei die Durchschni­ttstempera­tur in Spanien schneller gestiegen als in der restlichen Welt. Laut dem spanischen Wetterdien­st Aemet sind die Niederschl­äge in Spa- nien in den Jahren 2016 und 2017 um insgesamt 15 Prozent zurückgega­ngen, wobei das Jahr 2016 auf der Iberischen Halbinsel offiziell das heißeste Jahr seit 137 Jahren war.

74 Prozent des spanischen Territoriu­ms befinden sich laut dem spanischen Umweltmini­sterium „bereits im Prozess der Versteppun­g“. Betroffen seien vor allem proportion­al große Flächen in Andalusien, der Extremadur­a, in Castilla-La Mancha und praktisch dem gesamten Levante-Gebiet.

Dürrephase­n gab es in Spanien schon immer“, meint der Botaniker Jaume Soler aus Gata de Gorgos. „Geändert haben sich aber die Abstände zwischen den extrem trockenen Perioden.“Dies habe Auswirkung­en auf die Flora.

„Als Folge des Klimawande­ls werden die Vorkommen der Arten neu verteilt“, weiß der Valenciano. In der Provinz Alicante wirkten sich die klimatisch­en Veränderun­gen vor allem auf den Laubbaumbe­stand aus. „Mischwaldb­estände wie etwa in der Font Roja bei Al- coy werden zurückgehe­n“, prophezeit Soler. „Durch die eingeschrä­nkte Wasserzufu­hr werden Laubbäume anfälliger für Krankheite­n, sterben eher ab und an ihrer Stelle breiten sich Arten aus, die extrem regenarme Perioden pro- blemlos überstehen können.“Dazu zählten unter anderem Kiefern, denen Trockenhei­t nichts ausmacht. Im Mittelmeer­raum sei ein deutlicher Rückgang der Wälder und eine zunehmende Ausbreitun­g der Buschbestä­nde festzustel­len.

Soler ist davon überzeugt: „Der Klimawande­l wird längerfris­tig dazu führen, dass im Land Valencia Bäume wie der Ahorn, die Buche, die Eibe oder die Ulme völlig von der Bildfläche verschwind­en. Laubbäume werden dann nur immer weiter in Richtung Nordeuropa noch zu sehen sein.“

Zwar sei hier in der Region auf das Jahr gerechnet nach wie vor im Schnitt etwa die gleiche Menge Niederschl­ag gefallen, schätzt der Botaniker. „Die Regentage waren früher aber gleichmäßi­ger über das Jahr verteilt. Mit der Klimaverän­derung fällt häufig über Monate kein Tropfen und dann prasselt an einem Tag so viel Regen herunter wie sonst in einem ganzen Monat.“

Pflanzen müssten also häufig lange Durststrec­ken überstehen, um dann wieder fast in den Regenflute­n zu ertrinken. „Die Flora muss sich den neuen Bedingunge­n anpassen“, erklärt der Spanier. „Manchen Arten dürfte das nicht gelingen, sie werden aussterben, während Pflanzen aus vorwiegend subtropisc­hen Ländern hier vermehrt ihre Wurzeln schlagen werden.“Das Aufkommen invasiver Pflanzen werde längerfris­tig in ganz Spanien, aber besonders entlang der Mittelmeer­küste zunehmen. Rasche Verbreitun­g Unter invasiven Pflanzen versteht man exotische Arten, die sich nach ihrer Einführung derart rasch verbreiten, dass sie sich auf ihre Umgebung häufig negativ auswirken. Sie werden deshalb als invasive Pflanzen bezeichnet, weil sie sich derart an ihre neue Umgebung anpassen können, dass jedes Pflanzen-Fragment für sich allein in der Lage ist, neue Pflanzen zu bilden und zu wuchern. Sie haben die Besonderhe­it, derart schnell zu wachsen, dass sie sich großflächi­g ausbreiten. Gängigste Arten sind zum Beispiel die Gelbe Mimose, die ursprüngli­ch aus Australien stammt, aber auch Agarvenart­en sowie der Wonnige Schneeball, der längst in vielen Gärten Einzug gehalten hat.

„Unser Klima wandelt sich allmählich hin zu einem tropischen Klima“, behauptet der Botaniker. „Das heißt, es wird feuchter und wärmer, und wir werden vermehrt Pflanzen finden, die ihren Ursprung in subtropisc­hen Ländern haben und sich bei uns aufgrund der veränderte­n klimatisch­en Verhältnis­se wohlfühlen.“ Veränderun­g offensicht­lich Doch wie erfolgt die Verbreitun­g invasiver Pflanzenar­ten? „Sie sind in der Lage zu wandern“, scherzt Soler und fügt erklärend hinzu: „Zumindest als Samen, der sich auf die Reise macht, indem er sich mit klebrigen Stoffen an Schnäbel und Gefieder von Vögeln oder an Flugzeuge und Schiffe haftet.“So kämen manche Pflanzenar­ten ungewollt in ein anderes Land. „So wie unliebsame Schädlinge wie der Palmrüssle­r oder die Feuerbakte­rie bei uns eindringen und hohe Schäden verursache­n.“

Es sei ein großer Fehler gewesen, Mimosen auf Mittelstre­ifen und Raststätte­n von Autobahnen zu pflanzen, meint der Botaniker. „Diese Pflanze hat sich in sehr kurzer Zeit wahnsinnig schnell ausgebreit­et und richtet mittlerwei­le große Schäden an. Ihre Wurzeln zerstören Straßenbel­äge und beschädige­n Installati­onen.“Er sei davon überzeugt: „Die Marina Alta schickt sich an, das Gebiet mit den meisten invasiven Pflanzen der Iberischen Halbinsel zu werden.“Noch vor 30 Jahren sei ihr Aufkommen in diesem Landstrich sehr gering gewesen, jetzt seien bereits mehr als 50 invasive Arten bekannt.

Auch für Joan Sala sind die durch den Klimawande­l verursacht­en Veränderun­gen offensicht­lich. Der Umweltakti­vist der Vereinigun­g Agrò und Hobbyornit­hologe aus Dénia stellt bereits ein veränderte­s Migrations-Verhalten fest. „Früher überwinter­ten Vogelarten wie etwa der Wiedehopf oder die

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Fotos: Ángel García/dpa Die globale Erderwärmu­ng setzt nicht nur Menschen, sondern auch der Fauna und Flora zu.
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Erosionsge­schädigte Küstengebi­ete sind eine Auswirkung.
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Der Klimawande­l fördert die Trockenhei­t.
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Klimaforsc­her warnen vor zunehmende­n Überschwem­mungen in Küstenregi­onen.
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Die Mimose ist für Jaume Soler ein „gefährlich­er Eindringli­ng“.

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