Es wird extrem
Wissenschaftler sehen Vorzeichen für Klimawandel in der Marina Alta
Der Klimawandel rückt immer näher, in Spanien scheint er sogar noch schneller anzukommen als in anderen Ländern Europas. Es drohen längere Dürreperioden, heftigere Unwetter und ein steigender Meeresspiegel – kurz: die Iberi- sche Halbinsel muss sich auf extreme klimatische Bedingungen einstellen, warnen Wissenschaftler. Erste Anzeichen sehen sie in der Marina Alta. Dort machen sich invasive Pflanzenarten breit, die dort nichts zu suchen haben und heimi- sche Gewächse verdrängen. Die Region Murcia könnte schon bald ihre Kiefernwälder verlieren. Trotzdem: Jorge Olcina vom meteorologischen Institut der Uni in Alicante sagt: „Es ist noch nicht zu spät.“
Steigende Meeresspiegel und extreme Wetterphänomene wie Dürreperioden, Hitzewellen, Überflutungen und orkanartige Stürme. Der Klimawandel mit seinen weitreichenden Folgen ist deutlich spürbar und wirkt sich auf die Lebensgrundlage von Millionen Menschen aus. Die deutliche Zunahme der Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen und extremen Wetterereignissen sowie langsam einsetzende Veränderungen in Folge des Klimawandels verursachen jedes Jahr hohe Schäden.
Der UN-Klimarat warnt: Gelingt es nicht, die Erderwärmung aufzuhalten, werden wir in Zukunft immer häufiger mit extremen Wetterereignissen zu kämpfen haben. Dann besteht die Gefahr, dass feuchte Weltregionen noch feuchter werden und trockene noch trockener. Die zunehmende Erwärmung der Erde bleibt bereits jetzt schon nicht mehr ohne nennenswerte Folgen für Fauna, Flora und die Landwirtschaft.
Die Zeitperiode von 2002 bis 2011 war die wärmste, die je in Europa registriert wurde. Im Durchschnitt lag die Temperatur in den Landgebieten um 1,3 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Umweltforscher prognostizieren, dass die Temperaturen in Europa im ausgehenden 21. Jahrhundert um 2,5 bis vier Grad Celsius höher liegen werden als Ende des 20. Jahrhunderts. Jedenfalls dann, wenn die Konzentration der
Die Temperaturen könnten in Spanien bis 2050 um vier bis fünf Grad ansteigen
Treibhausgase weiterhin unvermindert wächst. Das erklärte Ziel der Vereinten Nationen: Um maximal zwei Grad Celsius im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung – höher soll die globale Erwärmung nicht steigen.
Jonathan Gómez Cantero, Mitglied im Weltklimarat (IPCC), malt ein düsteres Bild. Der spanische Wissenschaftler spricht in einem Bericht von dramatischen Veränderungen, die eine ungebremste Erderwärmung für die Iberische Halbinsel haben könnte. Gómez schätzt, dass die Temperaturen in Spanien bis 2050 höher als im restlichen Europa, nämlich um durchschnittlich vier bis fünf Grad Celsius ansteigen werden, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung zu stoppen. Laut Gómez hätte dies massive wirtschaftliche Konsequenzen zur Folge, da aufgrund extremer Temperaturanstiege damit zu rechnen sei, dass sich weite Teile im Süden des Landes in Wüstenregionen verwandeln. Gefährdet seien auch Weinanbaugebiete wie etwa die Extremadura oder La Rioja sowie die weitläufigen Olivenplantagen in der Region Jaén, wo auf über 60 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtfläche Oliven angebaut werden.
Eine ähnliche Entwicklung prophezeit der Wissenschaftler auch der Landwirtschaft im Land Valencia. „Der Anbau von Zitrusfrüchten wird ebenso wie der von Weintrauben und Oliven längerfristig nur noch am Rande der Pyrenäen durchführbar beziehungs-
2017 war in Spanien das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1965. Laut dem staatlichen Wetterdienst Aemet lagen die Temperaturen 0,2 Grad über den Werten, die 2011, 2014 und 2015 gemessen wurden, den bis dato heißesten Jahren. Auch sei 2017 ein extrem trockenes Jahr gewesen. Von den zehn heißesten Jahren in Spanien seien sieben im 21. Jahrhundert verzeichnet worden.
Nicht alle Pflanzen können sich den neuen Wetterbedingungen anpassen
weise wirtschaftlich sinnvoll sein“, so seine ernüchternde Prognose. Dies habe allerdings nichts mit einer verstärkten Wasserknappheit zu tun, wie sich vermuten ließe, so der Wissenschaftler. Die globale Erderwärmung begünstige nicht nur Dürreperioden, sondern auch extreme Unwetterkatastrophen. Weite Landstriche könnten dadurch zu Überschwemmungsgebieten werden. Dies begünstige die Erosion und nicht zuletzt den Verlust von Nutzflächen.
Am stärksten betroffen
Spanien und der gesamte Mittelmeerraum zählen zu den Regionen, die von der globalen Erwärmung und vom Klimawandel am stärksten betroffen sein werden, teilt auch der UN-Klimarat mit. Dürreperioden und mehr Waldbrände werden die Folge sein. Bereits in den vergangenen drei Jahrzehnten sei die Durchschnittstemperatur in Spanien schneller gestiegen als in der restlichen Welt. Laut dem spanischen Wetterdienst Aemet sind die Niederschläge in Spa- nien in den Jahren 2016 und 2017 um insgesamt 15 Prozent zurückgegangen, wobei das Jahr 2016 auf der Iberischen Halbinsel offiziell das heißeste Jahr seit 137 Jahren war.
74 Prozent des spanischen Territoriums befinden sich laut dem spanischen Umweltministerium „bereits im Prozess der Versteppung“. Betroffen seien vor allem proportional große Flächen in Andalusien, der Extremadura, in Castilla-La Mancha und praktisch dem gesamten Levante-Gebiet.
Dürrephasen gab es in Spanien schon immer“, meint der Botaniker Jaume Soler aus Gata de Gorgos. „Geändert haben sich aber die Abstände zwischen den extrem trockenen Perioden.“Dies habe Auswirkungen auf die Flora.
„Als Folge des Klimawandels werden die Vorkommen der Arten neu verteilt“, weiß der Valenciano. In der Provinz Alicante wirkten sich die klimatischen Veränderungen vor allem auf den Laubbaumbestand aus. „Mischwaldbestände wie etwa in der Font Roja bei Al- coy werden zurückgehen“, prophezeit Soler. „Durch die eingeschränkte Wasserzufuhr werden Laubbäume anfälliger für Krankheiten, sterben eher ab und an ihrer Stelle breiten sich Arten aus, die extrem regenarme Perioden pro- blemlos überstehen können.“Dazu zählten unter anderem Kiefern, denen Trockenheit nichts ausmacht. Im Mittelmeerraum sei ein deutlicher Rückgang der Wälder und eine zunehmende Ausbreitung der Buschbestände festzustellen.
Soler ist davon überzeugt: „Der Klimawandel wird längerfristig dazu führen, dass im Land Valencia Bäume wie der Ahorn, die Buche, die Eibe oder die Ulme völlig von der Bildfläche verschwinden. Laubbäume werden dann nur immer weiter in Richtung Nordeuropa noch zu sehen sein.“
Zwar sei hier in der Region auf das Jahr gerechnet nach wie vor im Schnitt etwa die gleiche Menge Niederschlag gefallen, schätzt der Botaniker. „Die Regentage waren früher aber gleichmäßiger über das Jahr verteilt. Mit der Klimaveränderung fällt häufig über Monate kein Tropfen und dann prasselt an einem Tag so viel Regen herunter wie sonst in einem ganzen Monat.“
Pflanzen müssten also häufig lange Durststrecken überstehen, um dann wieder fast in den Regenfluten zu ertrinken. „Die Flora muss sich den neuen Bedingungen anpassen“, erklärt der Spanier. „Manchen Arten dürfte das nicht gelingen, sie werden aussterben, während Pflanzen aus vorwiegend subtropischen Ländern hier vermehrt ihre Wurzeln schlagen werden.“Das Aufkommen invasiver Pflanzen werde längerfristig in ganz Spanien, aber besonders entlang der Mittelmeerküste zunehmen. Rasche Verbreitung Unter invasiven Pflanzen versteht man exotische Arten, die sich nach ihrer Einführung derart rasch verbreiten, dass sie sich auf ihre Umgebung häufig negativ auswirken. Sie werden deshalb als invasive Pflanzen bezeichnet, weil sie sich derart an ihre neue Umgebung anpassen können, dass jedes Pflanzen-Fragment für sich allein in der Lage ist, neue Pflanzen zu bilden und zu wuchern. Sie haben die Besonderheit, derart schnell zu wachsen, dass sie sich großflächig ausbreiten. Gängigste Arten sind zum Beispiel die Gelbe Mimose, die ursprünglich aus Australien stammt, aber auch Agarvenarten sowie der Wonnige Schneeball, der längst in vielen Gärten Einzug gehalten hat.
„Unser Klima wandelt sich allmählich hin zu einem tropischen Klima“, behauptet der Botaniker. „Das heißt, es wird feuchter und wärmer, und wir werden vermehrt Pflanzen finden, die ihren Ursprung in subtropischen Ländern haben und sich bei uns aufgrund der veränderten klimatischen Verhältnisse wohlfühlen.“ Veränderung offensichtlich Doch wie erfolgt die Verbreitung invasiver Pflanzenarten? „Sie sind in der Lage zu wandern“, scherzt Soler und fügt erklärend hinzu: „Zumindest als Samen, der sich auf die Reise macht, indem er sich mit klebrigen Stoffen an Schnäbel und Gefieder von Vögeln oder an Flugzeuge und Schiffe haftet.“So kämen manche Pflanzenarten ungewollt in ein anderes Land. „So wie unliebsame Schädlinge wie der Palmrüssler oder die Feuerbakterie bei uns eindringen und hohe Schäden verursachen.“
Es sei ein großer Fehler gewesen, Mimosen auf Mittelstreifen und Raststätten von Autobahnen zu pflanzen, meint der Botaniker. „Diese Pflanze hat sich in sehr kurzer Zeit wahnsinnig schnell ausgebreitet und richtet mittlerweile große Schäden an. Ihre Wurzeln zerstören Straßenbeläge und beschädigen Installationen.“Er sei davon überzeugt: „Die Marina Alta schickt sich an, das Gebiet mit den meisten invasiven Pflanzen der Iberischen Halbinsel zu werden.“Noch vor 30 Jahren sei ihr Aufkommen in diesem Landstrich sehr gering gewesen, jetzt seien bereits mehr als 50 invasive Arten bekannt.
Auch für Joan Sala sind die durch den Klimawandel verursachten Veränderungen offensichtlich. Der Umweltaktivist der Vereinigung Agrò und Hobbyornithologe aus Dénia stellt bereits ein verändertes Migrations-Verhalten fest. „Früher überwinterten Vogelarten wie etwa der Wiedehopf oder die