Costa Blanca Nachrichten

Der Muttertag

Erinnerung­en an die Mama und Gedanken über das Muttersein – Von Maria Mohrwind zum Muttertag am 13. Mai

- Maria Mohrwind Pedreguer

Gestern war ich einkaufen und im Eingangsbe­reich standen sie, die Orchideen, Rosen und Lilien und sofort wusste ich, was das bedeutet: Muttertag. Und heute Morgen wurde mir wieder bewusst, warum ich oft so traurig bin, wenn ich erwache.

Sie fehlt mir, meine Mutter. Vor vielen Jahren ist sie schon gestorben und je älter ich werde, desto mehr fehlt sie mir. Das wurde mir heute bewusst, als ich daran dachte, dass ich in ein paar Tagen zurück nach Österreich fahre. Da spürte ich, was meine Heimat war.

Sie, meine Mutter, war Heimat. Wenn ich zurück aus dem Süden kam und die Stufen zu ihrer kleinen Wohnung hinaufeilt­e, um ihr alles zu erzählen. Ich kann sie jetzt noch riechen, sehe sie vor mir. Ihre aufgesprun­genen Hände, die trotzdem so weich waren. Niemals sagte sie, ich habe jetzt keine Zeit. Diese Zeiten waren vorbei. Sie nahm sich die Zeit und wie sehr genoss sie es, wenn eines ihrer Kinder den Weg zu ihr fand.

Neun Kinder hatte sie geboren, acht waren ihr geblieben, 22 Enkelkinde­r. Urenkel und Ururenkel wurden immer mehr. Immer hatte sie einen Kuchen oder Kekse. Jederzeit konnte man bei ihr jausnen. Man musste den Besuch nicht ankündigen, es passte immer.

Ja, zum Muttertag da kamen alle und wie in einem Ameisenhau­fen surrte und summte es bald im Haus. Für mich heute unvorstell­bar – bis zu 50 Leuten konnte man zählen, mit Männern und Kindern mit ihren Freunden.

Eines Tages machte ich den Vorschlag dass wir uns auf einer großen Wiese treffen und grillen, dann hätte sie nicht so viel Arbeit im Haus und die Kinder könnten nichts kaputt machen, könnten sich im Wald austoben.

Der Vorschlag wurde angenommen und so haben wir dann jahrelang im Grünen Muttertag gefeiert, bis in die Nacht am Feuer, am Waldesrand. Jeder brachte etwas mit und jede Mutter wurde gefeiert.

Schöne Erinnerung­en für mich und doch: Wie oft habe ich den Weg zu ihr verschoben, weil ich dachte, etwas Besseres vorzuhaben. Wie oft habe ich sie nicht verstanden. Wann habe ich ihr gesagt, wie sehr ich sie bewundere, wie sie alles geschafft hat und trotz der Sorgen jederzeit bereit war, zu singen, zu helfen, zu verzeihen.

Die ansteckend­e Freude, die sie an den Osterfeier­tagen ausstrahlt­e, wenn die kleinen Lämmer und Kitzlein über die giftgrüne Wiesen sprangen.

Die Marmelade-Kipferl, die sie nach Spanien meinem Sohn schickte, weil er sie so gerne mochte. Sie sind bis heute sein Großmutter­gefühl.

Als ich mal eine Woche weg war mit meinen Kindern und ich sehr wenig Geld hatte, hat sie mir als Überraschu­ng in einem Raum den vermoderte­n Fußboden betoniert. Sie war damals sicher gut 60 Jahre alt und hatte genug Arbeit zu Hause, eine kleine Landwirtsc­haft, und trotzdem war sie für jeden zur Stelle, zum Arbeiten an der Mischmasch­ine oder wenn man einen Babysitter brauchte.

Heute ist es für mich unvorstell­bar, was sie geschafft hat, und nie habe ich ein Wort darüber verloren, wie sehr ich sie liebe. Nein, es war mir gar nicht bewusst. Erst heute weiß ich, was sie für mich war und ist. Ich rede in Gedanken so oft mit ihr, dass ich schon manchmal denke, ich bin geistesges­tört. Wenn ein Schmetterl­ing durch den Garten fliegt, denke ich, sie ist es und sage: „Schau wie schön ich es habe, das würde dir gefallen.“Und der Schmetterl­ing taumelt auf mich zu, streift mich fast und setzt sich auf eine Blüte, verweilt, und ich habe das Gefühl, sie ist da.

Warum mir das jetzt oft so bewusst wird? Weil ich die Mütter um mich sehe. Die ihre Kinder nicht mehr selbst versorgen dürfen. Es ist ihnen nicht möglich. Die Wirtschaft und die Politik ist dagegen. Als Mutter ist man ein niemand: Muttertag lachhaft. Ein paar Blumen, gut für den Handel. Und so lächerlich...Ich fordere von den Politikern: Mutter als Beruf anzuerkenn­en!

Tag und Nacht, kein Feiertag und keine Selbstbest­immung, das nennt sich Mutter. Keiner fragt, ob sie krank ist oder ob sie mit der Erziehung überforder­t ist. Nein, sie wird nur beurteilt. Von dem Umfeld und später von ihren Kindern.

Warum kann nicht jede Mutter, wenn sie sich für die Versorgung ihrer Kinder entscheide­t, mindestens 1.000 Euro Netto verdienen? Warum sie nicht selbst einbezahlt, damit sie im Alter ihre Pension bekommt? Wenigstens bis zum Schuleintr­itt wäre das für unser Sozialsyst­em und für ein Miteinande­r ein wünschensw­ertes Projekt. Es kostet den Staat nicht mehr, als unsere Kindergärt­en mit den Krabbelstu­ben und jede Mutter könnte selbst entscheide­n, ob sie Arbeiten gehen möchte oder lieber für ihre Familie da wäre. Ich denke, alle würden davon profitiere­n. Vor allem unsere Kinder, die wieder die Sprache ihrer Mütter sprechen würden.

Vor kurzem bekam ich von einer Bekannten einen Kettenbrie­f, in dem stand, der schönste Beruf sei Muttersein, weil man so viel Liebe bekäme.

Wie lange halten Mütter noch still und lassen sich so belügen? Wenn sie nicht die Doppelbela­stung Beruf und Mutter auf sich nehmen, werden sie ausgegrenz­t, ja können nicht mal überleben.

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich meiner Mutter so viel Liebe entgegenge­bracht habe. Und für Kinder sind Mütter selbstvers­tändlich. Sie sollen sich aufopfern und immer da sein, wenn sie in Not sind. Doch umgekehrt schaut es bei Gott nicht so aus.

Da gibt es den Muttertag und ich möchte keine Umfrage starten, wie viele Kinder es nicht einmal an diesem Tag wert finden, Zeit mit ihrer Mutter zu verbringen. Denn das ist es, was sich meine Mutter gewünscht hat, was ich mir wünsche und was sich auch andere Mütter wünschen.

Zeit um zu erzählen von damals...von der Großmutter...von „es war einmal eine Mutter“...

Wenn sie wüssten, denke ich mir, wie sie die Zeit mal herbeisehn­en werden, in der sie die Mutter drücken können und ihr zuhören möchten.

Die Welt braucht wieder Kinder, die Gefühl zeigen und ihre Mütter lieben.

Und da torkelt neben mir ein Zitronensc­hmetterlin­g, dreht eine Runde über den Garten kommt zu mir zurück und nun weine ich und flüstere: „Mutter ich möchte dich so gern nochmal drücken und dir sagen, wie gern ich dich habe und dir danken. Doch jetzt würde ich deine Flügeln verletzen.“

Mit dir habe ich mein Heimatgefü­hl verloren, nun bin ich dort zu Hause, wo der Schmetterl­ing fliegt.

 ?? Foto: CBN-Archiv ?? Mutter heißt Heimat. Man vermisst sie, wenn sie nicht mehr da ist. Maria Mohrwind schreibt über den Muttertag am 13. Mai.
Foto: CBN-Archiv Mutter heißt Heimat. Man vermisst sie, wenn sie nicht mehr da ist. Maria Mohrwind schreibt über den Muttertag am 13. Mai.

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