Mit Frauenpower
Elf Ministerinnen: Neuer Regierungschef Pedro Sánchez setzt Akzente
In Spanien hat sich ein Regierungswechsel vollzogen, den keiner so erwartet hat. Plötzlich ist Mariano Rajoy weg aus der Politik und seine Volkspartei in der Opposition. Im Handstreich hat der Sozialist Pedro Sánchez die Macht übernommen. Vor einer Woche noch schien der Misstrauensantrag des PSOEChefs chancenlos, sieben Tage später wird sein Kabinett vereidigt.
Mit seinen Personalentscheidungen setzt der neue Ministerprä- sident auch gleich erste Akzente: Elf Ressortchefinnen stehen sechs männlichen Kollegen gegenüber, Frauen haben ein klares Übergewicht in der neuen Regierung. Bei der Besetzung der Posten steht Kompetenz vor Parteiverdienst. Selbst aus anderen Parteien, der Wirtschaft und sogar aus Brüssel erntet Sánchez Anerkennung für die Wahl seines Personals.
Dennoch geben viele Kommentatoren der Regierung Sánchez ein nur kurzes Leben. Der Neue muss mit noch weniger Sitzen im Parlament regieren als sein Vorgänger.
Am Tag der Vereidigung von Sánchez nahm auch die neue Regionalregierung in Katalonien ihre Arbeit auf. Der Neuanfang auf beiden Seiten könnte den Konflikt zumindest entschärfen. „Operation Entspannung“kommentiert denn auch die Zeitung „La Vanguardia“die Entwicklung.
Für das, was am vergangenen Freitag in Madrid passiert ist, gibt es je nach politischer Couleur zwei Sichtweisen: Die einen nennen es „Staatsstreich“, die anderen „Handstreich“. Beiden Interpretationen ist immerhin gemein, dass es sich um ein unerwartet und überraschend eingetretenes Ereignis gehandelt haben muss. So ist es auch: Spanien hat ganz plötzlich eine neue Regierung. Wie es dazu gekommen ist, hat allerdings schon etwas Verwegenes an sich. Dem Sozialisten Pedro Sánchez ist es erstmals in der Geschichte der jüngeren spanischen Demokratie gelungen, einen amtierenden Regierungschef per Misstrauensvotum zu stürzen. Erwartet haben es noch nicht einmal die eigenen Leute, dass der PSOE-Chef seinen Widerpart Mariano Rajoy tatsächlich aus dem Amt kickt. Und noch immer reibt man sich in Spanien verwundert die Augen, dass sieben Jahre Volkspartei-Regentschaft quasi über Nacht vorbei sind.
Vorbei ist auch Rajoys Zeit als Parteivorsitzender. Am Dienstag erklärt er bei einer Vorstandssitzung der Volkspartei seinen Rücktritt vom Amt des Vorsitzenden. „Das ist das Beste für die PP, für Spanien und für mich“, sagt der 63-Jährige in einer emotionalen Rede vor der Parteiführung. Rajoy wird sich völlig aus der Politik zurückziehen. Seit 2004 hatte er die PP geführt. Ein Nachfolger soll in Bälde bei einem Parteitag gewählt werden. Als Favorit gehandelt wird der galicische Regierungschef Alberto Núñez Feijóo.
Der Machtwechsel von Rajoy auf Sánchez vollzieht sich in Re- kordtempo: Am Abend des 23. Mai sitzt die Volkspartei-Führung in einem parlamentsnahen Restaurant zusammen. Man feiert. Kurz zuvor hat die Regierung Rajoy den Haushalt 2018 im Parlament durchgebracht. Mit den Stimmen der fünf Abgeordneten der baskischen Nationalisten von PNV. Der Preis: gut eine halbe Milliarde Euro zusätzlich für das Baskenland. Die Legislaturperiode scheint für Rajoy mit der Verabschiedung des Etats gesichert. Es soll das letzte Mal sein, dass es für die PP etwas zu feiern gibt.
Schon am nächsten Tag wird Rajoys Volkspartei von der Realität eingeholt: Das Nationale Strafgericht verkündet die Urteile im Korruptionsskandal „Gürtel“. Mehrere Ex-Parteimitglieder, darunter der ehemalige Schatzmeister, erhalten hohe Haftstrafen. Auch die PP selbst wird wegen der Verwicklung in den Fall zu einer Geldstrafe von 250.000 Euro verurteilt. Auch Rajoy war als Parteivorsitzender vom Gericht als Zeuge vernommen worden. Der Richter bescheinigt am Tag der Urteilsverkündung seinen Aussagen mangelnde Glaubwürdigkeit. Ein moralischer Tiefschlag für Rajoy.
Das ist das Signal für PSOEChef Sánchez. Er will die Gunst der Stunde nutzen und reicht einen konstruktiven Misstrauensantrag ein. Die Chancen stehen zunächst eher schlecht. Er müsste 176 Stimmen im Parlament hinter sich bringen. Seine Sozialisten aber verfügen nur über 84 Mandate. Immerhin ist das Linksbündnis Unidos Podemos mit seinen 67 Sitzen sofort bereit, den Misstrauensantrag mitzutragen. Die liberalen Ciudadanos sagen Sánchez ab. Sie sind zwar auch für eine Abwahl Rajoys, verlangen aber angesichts ihres Umfragehochs eine sofortige Neuwahl. Dazu ist Sánchez nicht bereit.
Rajoy will das Problem schnell vom Hals haben. Er drängt Parlamentspräsidentin Ana Pastor zu einem baldigen Termin für die Debatte über den Misstrauensantrag. Pastor bestimmt: Donnerstag, 31. Mai. Schon in den Tagen zuvor kommen Forderungen nach einem freiwilligen Rückzug auf. Die Zeitung „El País“kommentiert: „Mit seiner Weigerung zurückzutreten, beraubt sich Rajoy selbst der letzten Gelegenheit, seine politische Figur mit einer letzten mutigen Entscheidung zu würdigen.“Doch der 63-Jährige setzt auf bewährte Taktik: aussitzen.
Die Basken laufen über
Die Debatte beginnt. Rajoy gibt sich noch kämpferisch und greift Sánchez an: „Mit welcher moralischen Autorität sprechen Sie hier? Sind Sie etwa Mutter Teresa von Kalkutta?“, fragt er mit Blick auf den ERE-Korruptionsskandal in Andalusien, in den die Sozialisten tief verstrickt sind. Gleichzeitig