Heilige vom Strand
Elches Misteri – Legenden und Fakten rund um ein uraltes Theaterstück
Das Misteri d’Elx im Lauf der Zeit: Legenden und Fakten rund um ein uraltes Passionsspiel
Elche – mar. Die Patronatsfeiern feiert Elche zu Ehren der Heiligen Jungfrau Maria vom 11. bis 15. August. Eine zentrale Rolle dabei spielt das sogenannte Mysterium von Elche, das Misteri d’Elx, ein Passionsstück, das vor Legenden nur so trieft. Auch deshalb, weil es angeblich aus dem Meer kommt.
Eine der volkstümlichen Überlieferungen erzählt, dass der Soldat Francesc Cantó, eingeteilt für den Küstenschutz gegen maurische Piraten, am 29. Dezember 1370 in einem vor sich her treibenden Holzkahn sowohl die Marienfigur als auch das Manuskript des Mysterienspiels fand. Zu Ehren der Sichtung und des Entdeckers halten die Ilicitanos noch heute jedes Jahr am gleichen Tag im Dezember eine Romería, also eine Pilgerwanderung, zum Strand Tamarit ab, der heute zu Santa Pola gehört. Ursprung unklar Über die Jahrhunderte wurde dieses „Ereignis“immer ausgefeilter inszeniert, Elches Kleinadel gab dazu den Anstoß, wobei Historiker mehrere Einsprüche vorbrachten. So sieht die Forschung organisierte theatralische Darstellungen erst ab dem späten 15. Jahrhundert, und die ältesten „Kopien“des Textes der Marienerscheinung stammen aus dem Jahre 1709, also aus der Neuzeit, während die Fiesta als Ehrerbietung an María 1523 erstmals dokumentarisch nachweisbar wird.
Allerdings verweisen viele der traditionellen Melodien, die seit jeher während der Fiestas und auch im Passionsspiel aufgespielt werden, durchaus auf Mittelalter und Renaissance und die Texte ohne- hin auf passionale Gebräuche aus dem Frühchristentum hin. Man kann also von einem Konvolut von Volksbräuchen und kirchlich gelenkten Riten ausgehen, das sich über Jahrhunderte verfestigte und weder nachweisbar noch widerlegbar geworden ist. Glauben braucht bekanntlich keine Tatsachen. Sonst wäre es Wissen.
Dass Schausteller heilige Handlungen „interpretierten“, ging einigen Kirchenoberen gegen den inquisitorischen Strich. So verbat der mächtige Bischof von Orihuela jede Interpretation des Tuns und Erscheinens der Heiligen Maria in einem Verdikt. Er wollte, dass sich die Elcher wie alle guten Spaniers auf die Reconquista kaprizieren und sich mit marienbezogenen Texten rein auf die Bibel beschränken.
Mit den Marias hatten es die katholischen Glaubenswächter bekanntlich nie leicht. Bei der einen will man die Unbeflecktheit des Zeugungsaktes erhalten, eine andere Maria tilgte man gleich ganz aus dem Kanon – undenkbar, dass Jesus eine Partnerin hatte, mit der er vielleicht noch Nachommen produziert haben könnte, deren Nachfahren vielleicht heute noch unter uns leben könnten.
Die Bürger von Elche mussten sich an Papst Urban VIII. in Rom wenden, der in den 30er Jahren des 17. Jahrhunderts den Bischof von Orihuela überstimmte, weil er von der Reinheit des Ansinnens der Festivitäten in Elche überzeugt war, und es Rom mit der reinen Lehre damals ohnehin nicht so eng sah. Damit, hier ist sich die Wissenschaft weitgehend einig, handelt es sich beim Elcher Mysterienspiel wohl um das älteste, durchgehend aufgeführte Theaterstück Europas.
Es blieb umfehdet. Einmischungsversuche, Zensur und Um- deutungen gab es sowohl unter Franco als auch zuvor unter Diktator Primo de Rivera, dessen antisemitische Ideologen die Judenszenen strichen, weil die von den Spaniern fast völlig vertriebenen Nachbarn zu gut dabei wegkamen.
Die Fiestas von Elche sind im Kern religiös geblieben, die Bruderschaften wachen penibel über die Einhaltung des Mysterien-Katechismus, allein das Ringsrum hat sich verweltlicht und die Mehrheit der Fiesta-Besucher kommt wegen des Spektakels vor einer herrlichen Kulisse, das sich mit den Moros und Cristianos überschneidet, und genießt ein anerkanntes Weltkulturerbe der Menschheit.
Wer heute dem Geburtsort des Elcher Mysterienspiels einen Besuch abstatten will, kann das am Playa Tamarit machen, der Südstrand von Santa Pola, rund 800 Meter lang, mit feinem Sand und fotogen. Er grenzt an den Naturpark der Salinen mit Kormoranen, Flamingos, Schnepfen, Reihern und Sandläufern und ist wegen seiner etwas wilden See, bedingt durch enorme Unterschiede der Wassertiefe ein beliebter Ort von Surfern und anderen Wassersportlern.
Die Bürger holten sich vom Papst in Rom eine Sondergenehmigung