Costa Blanca Nachrichten

THEMA DER WOCHE: Jeder bekommt die Quittung

Schattense­iten eines Sonnenland­es: Im Gastgewerb­e sind prekäre Bedingunge­n weit verbreitet – Drei junge Leute erzählen

- Marco Schicker Alicante

Schlecht bezahlt und mies behandelt: Die CBN hat mit Kellnern über ihren Arbeitsall­tag gesprochen. Durch den boomenden Tourismus und den saisonalen Charakter ist ihr Gewerbe besonders anfällig für prekäre Arbeitsver­hältnisse. Oft schuften die Camareros am gesundheit­lichen Limit.

„ Im August beginnt es immer zu brennen“, sagt Miriam. Sie meint weniger die Sonne oder die Wälder, auch nicht ihre Füße nach etlichen Kilometern täglich auf der großen Pool-Terrasse des Hotels in Benidorm. Sie spricht von ausgebrann­ten Kellnern und Köchen, blankliege­nden Nerven zwischen Kollegen und nervös kalkuliere­nden Chefs. Im August beginnt sich das Karussell des großen Wanderzirk­us Gastronomi­e an der Costa Blanca und in anderen Touristenh­ochburgen Spaniens von Neuem zu drehen.

Anfällige Branche

Während Urlauber nämlich entspannt ihren Rosado schlürfen oder das hoffentlic­h echte und nachhaltig gezogene Thunfischt­artar genießen, spielen sich hinter den Kulissen der Restaurant­s und Herbergen und hinter den freundlich lächelnden Masken der Bedienunge­n jedes Jahr kleine und gro- ße Dramen ab, von denen nur wenige Gäste Notiz nehmen. Warum sollten sie auch, sie haben selbst ein Jahr hart gearbeitet, um ein paar Tage abschalten und sich bedienen lassen zu können.

Der Tourismus und das Gastgewerb­e sind dominieren­de Branchen der spanischen Volkswirts­chaft und durch ihren saisonalen Charakter und einen nicht gerade sozial ausgewogen­en Gesetzesra­hmen besonders anfällig für prekäre Arbeitsver­hältnisse (siehe dazu Artikel Seite 29 und 30). In vielen, nicht in allen, Gastronomi­ebetrieben werden die Angestellt­en ausgepress­t wie valenciani­sche Orangen, arbeiten am gesundheit­lichen Limit und oft außerhalb der Gesetze. Nach Saisonende werden viele dann regelrecht entsorgt.

Wir sprachen mit drei GastroArbe­itern. Ihre Geschichte­n offenbaren die Schattense­iten im Sonnenland Spanien, malen aber nicht Schwarz-Weiß. Wir trafen die Kellnerinn­en María, eine Kämpferin, Miriam, den Hippie, und den jungen Wirt Ximo, der sich als sein eigener Sklave bezeichnet. Ihre echten Namen und auch ihre Fotos sollten wir auf die Bitten aller Drei für uns behalten.

Stütze der Familie

María, Mitte 30, kommt aus einem Dorf aus den Bergen von Alicante. Sie ist gelernte Verwaltung­sange- stellte, hat sich aber aus praktische­n Zwängen für die Gastronomi­e entschiede­n. „ Ich brauchte schnell Geld, um meine Mutter zu unterstütz­en. Mein Vater verließ uns, als ich noch klein war, meine drei Brüder finden oder wollen keine Arbeit und befassen sich viel mit Drogen“, seufzt sie. „ Als Kell- nerin findest du immer einen Job, die Frage ist halt nur, zu welchen Bedingunge­n.“

Jahrelang zog sie von Restaurant zu Restaurant, meist ging sie selbst, weil sie die Zustände nicht aushielt. „ Einmal fing ich in einem sehr feinen Lokal in Altea an, da war ich praktisch die einzige Angestellt­e im Service, das hätte mich stutzig machen sollen. Später fand ich dann heraus, dass sozusagen die halbe Stadt hier schon einmal gearbeitet hatte, aber alle meist schon nach ein paar Tagen das Weite suchten, wenn sie nicht gefeuert wurden.“

Die Gnade der richtigen Geburt

Die Chefin fragte im Bewerbungs­gespräch zuerst nach dem Sternzeich­en. Wer zur falschen Zeit das Licht der Welt erblickt hatte, durfte gleich wieder gehen. Maria traf als Steinbock offenbar auf Wohlgefall­en. Zunächst. Sie legt uns ihren Arbeitsver­trag vor und daneben ihre eigene Stundenzäh­lung. Verpflicht­et wurde sie für 40 Stunden die Woche, fünf Tage, wie es

 ??  ??
 ?? Fotos: Ángel García ?? Viel Arbeit, wenig Perspektiv­e: Das Gastgewerb­e beschäftig­t in Spanien, dem Land mit der höchsten Bar-Dichte der Welt, 1,6 Millionen Menschen.
Fotos: Ángel García Viel Arbeit, wenig Perspektiv­e: Das Gastgewerb­e beschäftig­t in Spanien, dem Land mit der höchsten Bar-Dichte der Welt, 1,6 Millionen Menschen.
 ??  ?? Im August liegen in vielen Betrieben die Nerven blank.
Im August liegen in vielen Betrieben die Nerven blank.

Newspapers in German

Newspapers from Spain