Besser Slow Food
Slow Food: Revolution am Küchenherd – Auch in Spanien findet die Bewegung immer mehr Anhänger
Von weit her sollen Obst, Gemüse und auch Fleisch nicht kommen, besser direkt vom Bauern aus der Gegend. Auch in Spanien ist die Slow-Food-Bewegung aktiv. In Valencia und der Marina Alta kümmern sich zwei Convivien um klugen Anbau und bewusstes Einkaufen.
„ Ich möchte die Geschichte einer Speise kennen. Ich möchte wissen, woher die Nahrung kommt. Ich stelle mir gerne die Hände derer vor, die das, was ich esse, angebaut, verarbeitet und gekocht haben.“Diese Worte stammen von dem Gründer der Slow Food-Bewegung, Carlo Petrini. Der italienische Journalist und Soziologe war es, der die Non-Profit-Organisation 1989 in Rom aus einer Protestaktion heraus ins Leben rief, nachdem der Fastfood-Anbieter McDonalds einen Laden an der Piazza di Spagna nahe der Spanischen Treppe eröffnete.
Heute umfasst die Slow-FoodInitiative ein weltweites Netzwerk von mehr als einer Million Menschen in 160 Ländern, die sich mit Überzeugung für gutes, sauberes und faires Essen einsetzen. Außerdem zählt die Vereinigung weltweit mehr als 100.000 Mitglieder in 1.500 Convivien (lokale Grup- pen), die sich für gefährdete landwirtschaftliche Produkte und Nutztierrassen sowie für die Förderung lokaler landwirtschaftlicher Er- zeugnisse und eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzen.
Auch in Spanien ist die Slow Food-Bewegung längst angekom- men. Knapp 40 Convivien sind landesweit gemeldet, wobei sich das Land Valencia allerdings noch etwas schwer mit der Bewegung tut. So gibt es in dieser Region außer dem Convivium Slow Food Valencia bislang nur das Slow Food Marina Alta, dessen Wirkungsfeld nach Auskunft seines Initiators, Fernando Paris, von Valencia bis Elche reicht.
„ Gut, fair und sauber“– so bringt Paris die Philosophie der Bewegung auf den Punkt. „ Wir sind eine Gruppe von Leuten, die die gleichen ökologischen und ethischen Werte verfolgen“, sagt der Bauunternehmer, der sich bereits seit mehr als 15 Jahren mit Slow Food auseinandersetzt.
Doch was bedeutet es konkret, danach zu leben? Paris muss nicht lange überlegen: „ Zum Beispiel, sich dessen bewusst zu sein, welche Nahrung man zu sich nimmt, sich Zeit bei den Einkäufen zu nehmen und hauptsächlich land- wirtschaftliche Erzeugnisse der Region zu verwenden.“Obst und Gemüse kaufe er zum Beispiel nicht im Supermarkt, sondern er nutze das reichhaltige Angebot der Markthallen, auf Wochenmärkten oder auf den immer beliebter werdenden „ Mercats de la Terra“, bei denen ausschließlich Erzeugnisse der Region angeboten würden.
„ Das bedeutet nicht, dass ich Supermärkte meide“, stellt der Denianer klar. „ Frischwaren kaufe ich dort aber nicht.“
Anderes Verhältnis zum Essen
Bedeutet Slow Food auch, dass man ökologischen Erzeugnissen den Vorrang gibt? Dies bleibe jedem selbst überlassen, meint Paris und erklärt am Beispiel von Kirschen, dass man auch dann schon einen Beitrag zum Umweltschutz leistet, wenn man etwa Kirschen aus dem nahen Vall de Gallinera anstatt aus dem 600 Kilometer entfernten Vall de Jerte kauft. „ Selbst
wenn die Kirschen aus dem Vall de Jerte biologisch angebaut werden, sind die aus dem Vall de Gallinera nicht minder ökologischer, weil sie nicht hunderte von Kilometern über Nationalstraßen und Autobahnen transportiert werden müssen.“
Ändert sich das Verhältnis zur Ernährung, wenn man den Regeln von Slow Food folgt? „ Auf jeden Fall“, meint die Kunstdozentin Imma Mengual, die sich ebenfalls der Slow Food Marina Alta angeschlossen hat. „ Wenn man sich beim Einkauf genau überlegt, was man an diesem Tag auf den Tisch bringen will, sich für Zutaten entscheidet, die aus regionalem Anbau stammen, sie mit Hingabe zu- bereitet und das Essen dann auch noch in guter Gesellschaft genießt, anstatt es zwischen Terminen hurtig hinunter zu schlingen, dann wird man sich längerfristig wesentlich bewusster und folglich gesünder ernähren.“
Mengual betont: „ Die Philosphie Slow bedeutet langsam, hat aber nichts mit lethargischer Langsamkeit zu tun. Vielmehr geht es darum, den natürlichen Zyklus zu respektieren und seine Ernährung der Jahreszeit anzupassen.“Immer mehr Leute würden erkennen, dass sie ungesund leben, „ wenn ihr Speisenplan hauptsächlich aus Fett, Zucker, Milchprodukten und Fleisch besteht“. Beim Stichwort Fleisch fällt Mengual ein: „ Um nach der Slow Food-Philosophie zu leben, ist es übrigens nicht notwendig, ganz auf den Konsum von Fleisch zu verzichten. „ Ich selbst bin zwar Vegetarierin, aber die meisten Mitglieder unserer Gruppe sind Fleischkonsumenten. Allerdings achten sie sehr darauf, dass nur Fleisch auf ihren Teller kommt, der von Tieren aus artgerechter Haltung stammt.“
Auch Fernando Paris schaut beim Fleischkonsum sehr genau hin. „ Selbst wenn ich auswärts esse und unter Zeitdruck stehe, bestelle ich Gerichte, die ich verant- worten kann“, sagt der Spanier. „ Ich würde zum Beispiel keinen Hamburger essen, der aus industriell verarbeitetem Fleisch besteht und obendrein auch noch in schlechtem Öl gebraten wurde.“
Ein weiteres Hauptanliegen der Slow Food Marina Alta besteht darin, brachliegenden landwirtschaftlichen Fächen wieder einen landwirtschaftlichen Nutzen zu geben.
„ In dieser Beziehung hat die Krise durchaus etwas Gutes bewirkt“, meint Paris. „ Es hat ein Umdenken stattgefunden. Inzwischen gibt es wieder mehr bewirtschaftete Fel-
Immer mehr Grundbesitzer wollen ihre Ländereien bearbeitet wissen
der in der Region als noch zu Zeiten des Baubooms.“Hauptsächlich junge, arbeitslose Leute würden sich zunehmend auf die Landwirtschaft besinnen.
Hier leistet die Slow-Food-Vereinigung auch Hilfestellung. Mit zunehmenden Erfolg bringt sie Eigentümer von Ländereien mit Leuten zusammen, die Interesse am Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse haben, aber keine Felder besitzen. „ Brachliegendes Land ist unproduktiv und wird früher oder später Bauland“, sagt Imma Mengual. „ Das erkennen immer mehr Leute, die in der Bestellung der Felder eine Zukunfts-Chance sehen und denen der Landschaftsschutz am Herzen liegt.“
Bestimmte Sorten erhalten
Insbesondere in Dénia würden zunehmend Grundbesitzer ihre Ländereien Leuten überlassen, die sich dem Anbau widmen wollen. „ Die meisten verlangen dafür noch nicht einmal eine Pacht“, weiß Mengual.
„ Häufig wird vereinbart, dass sie stattdessen einen Teil der Ernteerträge erhalten. Oft reicht es Besitzern von Ländereien auch schon, dass ihre Parzellen nicht verwildern, sondern bearbeitet werden.“
Großes Interesse haben SlowFood-Vereinigungen daran, dass bestimmte landwirtschaftliche Produkte oder Feldfrüchte nicht verschwinden, sondern erhalten bleiben. Auch Slow Food Marina Alta habe sich das zum Ziel gemacht, bestätigt Mengual. „ Wir setzen uns zum Beispiel gezielt dafür ein, dass die Melonensorte Meló del Pinyonet, die hier früher in großen Mengen angebaut wurde und ziemlich in Vergessenheit geraten ist, nicht völlig von den Agrarflächen verschwindet.
Und Fernando Paris ergänzt: „ Diese Melone wurde früher nach der Ernte im Sommer auf dem Dachboden aufbewahrt, wo sie sich den ganzen Winter über hielt. Unsere Groß- und Urgroßväter hatten dadurch das ganze Jahr über frische Früchte.“
Einer der wenigen Landwirte, die den Meló del Pinyonet noch anbauen, ist Benjamin Ortolá. Der Benissaner Landwirt verkauft seine biologischen Erzeugnisse auf dem Mercado de les Porxes, der jeden zweiten Samstag im Monat in Benissa veranstaltet wird, oder sonn- tags auf dem Mercat de la Terra in Jesús Pobre. Er kultiviere diese Melone, die ihren Namen dem an einen Pinienkern erinnernden Samen verdankt, hauptsächlich für den Eigenverbrauch, erzählt der Spanier. Bei Konsumenten sei sie nicht mehr sehr gefragt. „ Dabei hält sie sich im Gegensatz zur Wassermelone über Monate und kann ohne großen Aufwand aufbewahrt werden“, weiß der Ökoanbauer.
Ortolá zeigt auf mehrere Stauden von Sherry-Tomaten, die noch nicht ganz gereift von der Decke seiner überdachten naya baumeln. „ Diese Tomaten hängen da schon seit Wochen und werden im Winter soweit gereift sein, dass sie ihre Abnehmer finden.“Zur Zeit verlangten seine Kunden noch die großen Tomaten, die sich für den Salat eigneten. „ Diese Art der hängenden Konservierung war vor über 50 Jahren, als es hier noch keine Kühlschränke gab, ganz normal“sagt Ortolá. „ Damals baumelten nicht nur Tomaten und Melonen, sondern auch Zwiebeln, Peperoni, Knoblauch und vieles mehr von den Decken der Dachböden und Terrassen.“
Zurück zu den Wurzeln
Damals habe es in der Marina Alta noch sehr viele Landwirte gegeben. „ Es waren Anbauer, die kleine Flächen bearbeiteten, aber die Auswahl an Produkten war groß, weil jeder etwas anderes kultivierte“, erzählt der Benissaner. „ Kaufen musste man die Produkte nicht, es herrschte zwischen den Landwirten ein großer Austausch an Waren. Bis in die 1970er Jahre funktionierte das so.“Inzwischen würden immer mehr Landwirte sich darauf besinnen und dazu zurückkehren, untereinander ihre Produkte zu tauschen. Er selbst betreibe dieses Tauschgeschäft mit einigen Anbauern aus der Region.
Auch Samen von Gemüse- und Obstsorten würden häufig und aus gutem Grund unter Anbauern verschiedener Gebiete getauscht werden. „ Damit die Pflanzen nicht anfällig für Schädlinge werden oder sich genetisch verändern, sollten sie nicht über Jahre in der selben Erde, das heißt in dem gleichen Anbaugebiet, gezogen werden“, erklärt Ortolá. „ Den Pflanzen tut es gut, wenn sie zwischendurch immer mal die Gegend wechseln.“Dies sichere ihren gesunden Fortbestand.
Carlo Petrini wehrt sich dagegen, dass Slow Food häufig als ein Gourmetverein angesehen wird. Gerne verweist er darauf, dass sich die Bewegung auch in Entwicklungsländern einsetzt. Vor kurzem hat der Gründer in Brasilien zwei Kochschulen in Favelas eröffnet. Dort lernen Kinder zu kochen, ohne Zutaten zu verschwenden. Für solche Initiativen wurde 2004 das Netzwerk Terra Madre gegründet. Inzwischen konnten damit allein in Afrika innerhalb eines Jahres 1.000 Gärten für Kleinbauern geschaffen werden, die nach Petrinis Vorstellung in den kommenden Jahren auf 10.000 Gärten anwachsen sollen.