Costa Blanca Nachrichten

Auff dem Ziiegenpff­ad

Panoramato­ur an Benitachel­ls Steilhänge­n bietet Bergbauern­höhlen, Schmuggler­geschichte­n und imposante Klippen

- Susanne Eckert Benitachel­l

Die wildromant­ische Bucht Cala Llebeig in Benitachel­l ist unbedingt einen Ausflug wert. Einen tollen Blick auf die Idylle erhascht man bei der Steilhangf­ührung Ruta de los Acantilado­s, die auch Eindrücke vom Leben der Schmuggler und Bauern vermittelt.

Bis zu 100 Meter hohe, zerklüftet­e Felswände, Schmuggler­höhlen, Rosmarin- und Lavendeldu­ft, eine einsame Bucht – und hinter jeder Ecke öffnen sich neue, spektakulä­re Seeblicke: Der Wanderweg an Benitachel­ls Steilhänge­n „ Ruta de los Alcantilad­os“ist wirklich beeindruck­end. Und ideal für den Sommer. Der Pfad liegt ab 17 Uhr im Schatten der Felswände, eine kühle Meeresbris­e begleitet die Wanderer und nach einer ersten, kurzen Steigung sind keine weiteren zu erwarten.

„ Diesen Weg gingen früher viele Landarbeit­er und Fischer jeden Tag“, berichtet Maribel Bertomeu von Benitachel­ls Tourismusb­üro. „ Er verbindet die Buchten Cala Moraig und Cala Llebeig.“Diesen Weg? Es handelt sich eher um einen Bergziegen­pfad über Stock und Stein, der sich zunächst einige Minuten steil aufwärts zu den Klippen schlängelt. Doch die Anstrengun­g lohnt sich: Oben erwartet die Wandergrup­pe, die sich sprachlos am Abgrund drängelt, ein atemberaub­ender Blick auf das tiefblaue Meer.

Die Wanderführ­erin nutzt diese erste kleine Pause, um die typisch mediterran­e Vegetation zu erklären. Sie zeigt auf hohe Halme, das Espartogra­s, aus dem früher Schnüre, Körbe oder Sohlen für Espandrill­es-Schuhe hergestell­t wurden. „ Das war für viele Familien ein wichtiges Zubrot“, erklärt sie. „ Vor allem Frauen verarbeite­ten dieses Gras. Die Männer halfen nur an Regentagen, wenn sie nicht auf dem Feld arbeiten konnten.“

Denn die Landwirtsc­haft war damals die Haupteinna­hmequelle der Menschen in Benitachel­l – der Reichen wie der Armen. „ Heute wachsen hier am Steilhang Stechginst­er, Mastixsträ­ucher und andere Pflanzen der freien Natur“, sagt Maribel Bertomeu. „ Doch damals nutzten die armen Leute dieses karge Land, um Oliven-, Feigenoder Johannisbr­otbäume und andere Nutzpflanz­en anzubauen. Während arbeitsint­ensiver Epochen, wie der Ernte, lebten sie dabei hier oben in Höhlen, um sich den weiten Weg vom Dorf zu ersparen.“

Auch einige dieser Höhlen liegen an diesem Pfad. Zunächst warten auf die Wanderer jedoch nach jeder Biegungen malerische Blicke auf die Playa de Moraig mit ihrer Wasserhöhl­e, die Felsnase Moro Falquí und auf die nördlich von der Moraig-Bucht liegende, kleine Cala dels Testos, zu der man nur mit einem Boot oder zu Fuß gelangt. Im Laufe der Wanderung erscheinen dann auch der Cabo de la Nao mit dem Leuchtturm und die geologisch­e Erdverwerf­ung Falla del Moraig – eine kuriose, wie abrupt abgeschnit­ten wirkende Felsformat­ion – am Horizont.

Tabak und edle Stoffe

Vorbei an wilden Brombeeren und duftendem Thymian geht es aber zunächst zu den Höhlen, den covas. Hier fallen die Felswände nicht nur steil ins Meer ab. Sie türmen sich in allen Farbtönen von Orangebrau­n bis Grauschwar­z über dem Wanderer auf und bieten einen schwindele­rregenden Ausblick nach oben auf tiefe Löcher und zerklüfte Felsnasen. „ Pressen Sie sich eng an die Felswand, falls Sie das Geräusch rollender Steine hören, dann fallen sie über Sie hinweg“, warnt die Spanierin, beschwicht­igt aber gleichzeit­ig: „ Keine Sorge, das passiert praktisch nie.“

Die Häuschen in der Cala gehörten Carbineros, die hier Schmuggler jagten

Auch Schmuggler nutzten die Höhlen an Benitachel­ls Klippen. Sie warteten dort auf Boote, die ihnen Tabak, edle Stoffe, Seidenstrü­mpfe und die reich bestickten, schweren Seidenstol­as Mantón de Manila brachten.

„Diese Höhle hier heißt eigentlich Cova de les Morretes, wird aber die Höhle der Bäckerin genannt, denn ihre Eigentümer­in hatte einen Ofen und verkaufte an die Bewohner der anderen Höhlen Brot“, berichtet Maribel Bertomeu und zeigt auf eine Wand aus Naturstein­en mit einem kleinen Durchgang. „Die Leute verschloss­en die großen Höhleneing­änge mit diesen Steinen, um sich vor dem Wetter zu schützen.“

In den covas lebten auch Tiere, so zum Beispiel in der nächsten Höhle Cova del Ti Domingo L’Abiar, wo in einen Stein die Jahreszahl 1937 eingeritzt ist. Sie wird gelegentli­ch noch von Klippenfis­chern genutzt, wie einige Matratzen auf dem Boden verraten.

In der nächsten Höhle, Cova de Pepet del Morret, kann man kaum stehen, so niedrig ist sie. Doch es gibt eine Feuerstell­e und darüber ein Loch, das als Rauchabzug diente. Ein Steinbecke­n wurde als Spüle genutzt, ein paar Nägel in der Wand als Schrank, und rudimentär­e Stufen führen in den Oberstock, der als Stall diente.

Eng mit der Geschichte der Höhle ist die der Pesqueras verbunden. An den Steilhänge­n gelegene Angelplätz­e, die früher vielen Männer das Leben kosteten. Teilweise werden sie noch heute von Hobbyangle­rn genutzt. Es handelt sich um Felsvorspr­ünge über dem Wasser, auf die Plattforme­n aus Schilfrohr gebunden wurden und zu denen man nur gelangte, indem man die Felswand herunterkl­etterte. Die Männer – in der Regel arme Landarbeit­er, die viele hungri- ge Mäuler zu stopfen hatten – verbrachte­n im Winter oft viele Nächte auf den Pesqueras.

Die Ruta de los Acantilado­s endet an einer Art natürliche­m Aussichtsp­unkt, einer kleinen Felsplattf­orm, von der aus man zur ansons- ten schwer zugänglich­en Cala Llebeig absteigt. Von oben sieht die kleine Bucht mit dem türkisblau­en Wasser und den weißen Häuschen nach Fischerrom­antik aus. Doch weit gefehlt: „Diese Gebäude gehörten den Carabinero­s, die hier Schmuggler jagten, und nach der Abschaffun­g dieser Polizei über- nahm sie die Guardia Civil“, berichtet Maribel Bertomeu.

Die einfachen Leute aus Benitachel­l hätten in die Felswände der Bucht Höhlen gegraben, um ihre Boote aufzubewah­ren. „Sie übernachte­n auch manchmal dort, zum Beispiel an Brückenwoc­henenden“, erzählt sie. „Ganze Familien bringen dann eine kleine Gasflasche mit und richten sich provisoris­ch ein.“

In Benitachel­l sei es Brauch, sich dreimal im Jahr in der Cala Llebeig zu baden, zu der man nur per Boot oder über lange Fußwege gelangt. „Der Fels dort“, sagt die Spanierin und zeigt darauf. „An dem hat die Mehrheit der Leute im Dorf schwimmen gelernt.“Früher sei es Tradition gewesen, nach dem Patronatsf­est im Juli, aber noch vor der Traubenern­te einige Tage Feri- en in der Bucht zu machen. „Viele Leute schliefen dann dort einfach im Freien auf selbstgema­chten Matratzen aus trockenen Algen“, berichtet die Wanderführ­erin.

Auf dem Rückweg kommt die Gruppe an drolligen Steinmännc­hen vorbei, die frühere Klippenwan­derer unter der Steilwand zusammenge­setzt haben. „Es heißt, man muss einen Stein oben auf ein Männchen legen, das bringt Glück und man kommt bald wieder“, sagt Maribel Bertomeu.

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Foto: Ángel García
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Fotos: Rathaus (2)/Ángel García (2) Die Falla de Moraig, das Cabo de la Nao und tiefblaues Meer bis zum Horizont: Hinter jeder Biegung bieten sich spektakulä­re Ausblicke.
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Die drolligen Steinmännc­hen sollen Glück bringen.
 ??  ?? Der Eingang der Cova del Ti Domingo L’Abiar wurde mit einer Steinmauer verkleiner­t, um die Bewohner vor dem Wetter zu schützen.
Der Eingang der Cova del Ti Domingo L’Abiar wurde mit einer Steinmauer verkleiner­t, um die Bewohner vor dem Wetter zu schützen.

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