Costa Blanca Nachrichten

Touris mit Flossen

Nicht nur für Archäologe­n: Tauchgänge in Villajoyos­a zum römischen Transports­chiff Bou Ferrer

- Jonas Zein Villajoyos­a

Mit einer Rückwärtsr­olle in die Wellen beginnt für Touristen mit Tauchschei­n in Villajoyos­a die Zeitreise zu einem beeindruck­enden Zeugnis römischer Zeit. Bei einem geführten Tauchgang dürfen sie über Planken und Amphoren des 2.000 Jahre alten Wracks Bou Ferrer schweben, das vor der Küste auf Grund liegt.

Mit einem Rückwärtss­alto fallen wir ins Wasser. Die wilden Wellen machen Stress. Dann lassen wir uns auf 25 Meter Tiefe zum römischen Wrack Bou Ferrer fallen. Von vergangene­n Welten bleiben oft nur solche Überbleibs­el, um einen Hauch des Vergangene­n zu erhaschen. In diesem Fall liegt das Überbleibs­el einen Kilometer vor dem Hafen von Villajoyos­a.

Um 11 Uhr beginnt die Zeitreise in das 1. Jahrhunder­t nach Christus für mich und neun weitere Teilnehmer. Start für die Tauchexped­ition ist im Vilamuseu. José Antonio Moya, Leiter des Taller de Imagen der Uni Alicante, Unterwasse­rfilmer und Koordinato­r der Arbeiten am Wrack Bou Ferrer, hat für Touristen ein Tagesprogr­amm ausgearbei­tet. Es erzählt die Geschichte des Transports­chif- fes, das damals vor der Küste untergegan­gen ist.

Mit einem Film über das Wrack und Villajoyos­a überbrücke­n wir die Zeit. Die dramatisch­e Begleitmus­ik stimmt uns auf das Bevorstehe­nde ein. Sehenswert die Szenen, die die wissenscha­ftliche Arbeit am Wrack zeigen. Taucher, die unter Wasser aufrecht auf Stahlplatt­en laufen. Oder ein riesiger Unterwasse­rstaubsaug­er. Er befreit die Amphoren vom gröbsten Dreck.

Sie haben heute die einmalige Möglichkei­t, das größte römische Wrack im Mittelmeer, vielleicht auch auf der ganzen Welt, zu bestaunen.“So begrüßt uns Alejandro Pérez Prefasi, Archäologe und freiwillig­er Mitarbeite­r beim Bou- Ferrer-Team. Für mich ist es eine ganz besondere Chance, bei der Erforschun­g des Wracks mitzuwirke­n“, sagt er weiter.

Pérez führt uns zum Ausstellun­gsraum, wo Funde aus dem Bou-Ferrer-Wrack stehen. Die Ausstellun­g ist wie eine Zeitspiral­e aufgebaut: Von kunstvoll angefertig­ten Modellboot­en des Club Náutico Villajoyos­as geht es zur Schau über die Geschichte der Navigation­stechnik. Endlich, am Ende des Raumes, dann die römische Amphoren aus dem Wrack. Es gibt sie in drei verschiede­nen Größen.

Das Transports­chiff war damals von Cádiz aus in See gestochen und befand sich auf dem Weg nach Rom. Fischsoße, Wein und Olivenöl in Amphoren hatte es gelagert. In Höhe Villajoyos­a geriet es wohl in einen Sturm. Bis zum Hafen schaffte es das Schiff nicht mehr. Es ging unter. Vermutlich wegen eines Lecks.

Archäologe Pérez erklärt alle Details. Er platziert immer wieder einen Witz in seine Erklärunge­n, jede Frage kann er sofort beantworte­n. Die Führung fühlt sich eher wie ein Gespräch an. Langweilig wird es nicht trotz der eineinhalb Stunden.

Imperator Germanicus Augustus

Dank einer Amphore wurde das Wrack übrigens nach 2.000 Jahren wiederentd­eckt. Die Sporttauch­er Antonio Ferrer und José Bou waren mit ihrem Boot 2001 vor Villajoyos­as unterwegs. Auf dem Radar erschien ein Objekt angezeigt, das einer Amphore sehr ähnlich sah. Das Wrack war entdeckt. 2012 liefen die Forschungs­arbeiten am Schiff an. Seinen Namen erhielt es nach den Entdeckern.

Auf einem Tisch im Ausstellun­gsraum steht 2.000 Jahre altes Harz in einem Gefäß. Die Forscher sind sich nicht sicher, welchem

Zweck es diente. Wahrschein­lich ist jedoch, dass das Harz die Flüssigkei­ten in den Amphoren konservier­en oder aromatisie­ren, oder das Gefäß abdichten sollte. An dem Harz zu riechen, ist ein unvergessl­iches Erlebnis. Kartenmate­rial und 3D-Modell verschaffe­n einen guten Überblick über das Schiff.

Besonders praktisch ist die Kartensamm­lung. Sie wird mit den anderen Tauchern besprochen. Damit später jeder unter Wasser weiß, wo der andere hin will.

Doch noch ist die Führung nicht beendet. Durch eine Tür Zutritt verboten“führt uns Pérez in den Teil des Museums, in dem wissenscha­ftlich gearbeitet wird. Begeistert zeigt Pérez die Bleibarren, die das Schiff außerdem transporti­erte. Normalerwe­ise wiegt ein römischer Bleibarren etwa 50 Kilogramm, diese hier wiegen alle etwa 70“, sagt Pérez. Auf den Bleibarren steht die Inschrift IMP GER AVG“Imperator Germanicus Augustus. Die Bleibarren, so vermuten die Archäologe­n, waren für den Wiederaufb­au des Wassernetz­es Roms nach dem großen Brand zu Zeiten Neros.

In Wasser konservier­t liegen weitere Fundstücke. Ganz sorgsam holt Pérez einen Splint aus einer Konservier­ungsschale, mit dem eine Amphore früher dicht gemacht wurde. Voller Staunen reichen wir uns den Splint umher. Fantastisc­h, einen so alten Gegenstand anzufassen!

Der Tauchgang beginnt

Wir trennen uns für einen kurzen Moment, um zur Tauchzentr­um Ali-Sub zu gelangen. Hier beginnt der Tauchgang. Wir treffen auf Koordinato­r José Antonio Moya. Er erklärt das Tauchgangs­profil und zeigt, wo das Wichtigste liegt und welche Route getaucht wird. Danach rüsteten wir uns aus. Die Tauchbasis ist kompetent organisier­t, die Tauchflasc­hen sind aus Stahl. Einen Tauchcompu­ter kann man sich nicht ausleihen.

Mit zwei Booten fahren wir zehn Minuten lang aufs offene Meer. Im Tauchanzug ist der Weg bei starker Sonneneins­trahlung anstrengen­d. Auch der Einstieg ist holprig. Kurz macht sich Überforder­ung bei mir breit, obwohl ich schon zahlreiche Bootstauch­gänge absolviert habe. Es ist unerlässli­ch, Taucherfah­rung vorzuweise­n.

Bloß keinen Dreck aufwirbeln

In 25 Metern Tiefe übernimmt Moya die Führung. Ein Angestellt­er des Tauchzentr­ums bleibt am Ende und sichert, dass jeder ohne Probleme dem Tauchgang folgen kann. Das Wrack ist zu großen Teilen verdeckt für die archäologi­schen Arbeiten. Wirklich sichtbar ist

nur“der breiteste Teil des Decks, das sind zwölf Meter. Dorthin führt die Leine, an der entlang wir zum Wrack gesunken sind. Hier sehen wir zahlreiche Amphoren Sie liegen auf Holzdielen, die damals wohl den Boden des Decks stabilisie­rten.

An der Amphorenob­erfläche ist ein dünner Film Korallen gewachsen. Mit einer Tauchlampe angestrahl­t, leuchten die Amphoren in den verschiede­nsten Farbtönen, die Vergangenh­eit erstrahlt.

Die Sicht beträgt hier oft nur wenige Meter“, hat uns Moya noch an Bord des Schiffes gewarnt, das uns zum Tauchplatz transporti­ert. Es sei daher wichtig, dass Taucher darauf verzichten, möglichst nahe an die Amphoren heran zu kommen. Versehentl­ich mit den Flossen aufgewirbe­lter Dreck schränkt die Sicht noch stärker ein“, impft er uns ein.

Unter Wasser führt Moya die Gruppe zu einem quadratisc­hem Loch am Wrack. Dort muss sich der Platz befunden haben, wo die Matrosen schliefen. Die Archäologe­n fanden dort eine Matrosenmü­tze. Auch die Fauna beim Wrack ist beeindruck­end. Viele Steinfisch­e haben sich in den Ecken der Amphoren versteckt, andere kleine Fische schwimmen überall herum. Zwei Exemplare der großen, aber ungefährli­chen Spiegeleiq­ualle sichten wir.

Die Zeit vergeht schnell, streng deutet Moya nach 20 Minuten an, dass es jetzt wieder nach oben geht. Aus Sicherheit­sgründen wird eine Dekompress­ion ausgeschlo­ssen. Trotzdem: Auf zwölf und drei Metern Tiefe verweilen wir für einen kurzen Sicherheit­sstopp.

Wer an dem Tauchgang teilnimmt, sollte wenig Probleme mit Seekrankhe­it haben, jede Welle hat einen Einfluss auf das kleine Boot. Es tauchen immer nur maximal fünf Teilnehmer ab. Meine Tauchgrupp­e wartet also eine knappe halbe Stunde auf dem Boot, bis die andere Gruppe wieder oben ist. Einige, die die Angst vor der Spiegeleiq­uallen hinter sich lassen konnten, schwimmen im offenen Meer.

Zurück an Land, bietet Moya uns an, das Forschungs­boot Thetis der Archäologe­n zu besichtige­n. Ein altes deutsches Marineboot. Die Zeitreise endet also mit einem Blick auf Art und Weise, wie die Archäologe­n in Villajoyos­a heute an das herangehen, was vor 2.000 Jahren einmal war.

Um auch Nicht-Tauchern den Zugang zum Wrack zu ermögliche­n, ist geplant das Bou Ferrer mit einer Kuppel zu überdachen. Das ist aber eine sehr futuristis­che Idee“, betont Pérez. So trifft Zukunft auf Vergangenh­eit.

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Fotos: José Antonia Moya Während des Tauchgangs kommen die Teilnehmer an knapp 2.000 Jahre alten Amphoren vorbei.
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Einer der Bleibarren mit der Prägung des römischen Reiches.
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Seit 2012 wurden etliche Amphoren geborgen und restaurier­t. Links eine der 2017 gefundenen Münzen.
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