Costa Blanca Nachrichten

Auf kuriosen Wegen

Auszug aus Stephanie Warlitz’ Buch „Alles ist möglich. Mit dem Fettnäpfch­en im Wohnmobil nach Spanien“

- Stephanie Warlitz

Über das Buch

Das Buch erzählt von gehäuften kuriosen Erfahrunge­n auf den Wegen mit einem Wohnmobil von der Ostsee-Insel Fehmarn über die Provence nach Süd-Spanien bis Andalusien. Vor allem handeln die menschlich­en Begegnunge­n rings um das Mar Menor in der Provinz Murcia. Heimwärts wird im südfranzös­ischen Leucate angehalten. Noch nie war eine Reise für Steffi und dem windsurfbe­geisterten Martin sowie Hündin Susi so aufregend und aufschluss­reich wie die im Winterhalb­jahr 2016/17. Kaum verging ein Tag, an dem nichts erstaunlic­hes geschah. Erfreulich­es wie Spannendes. Manches könnte unter der Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“verbucht werden. Die humorvoll geschriebe­nen Begegnunge­n mit interessan­ten Menschen und deren Macken basieren auf Tatsachen. Persönlich werden Sie mit dem Du angesproch­en und vertrauens­voll überallhin mitgenomme­n, so als wärest Du live dabei. Der amüsante und besinnlich­e Reiseroman liest sich leicht und ist vielfach interessan­t und offenbart so manches…

Doofes Navi

Das Navigation­sgerät weiß auch nicht, wo es lang geht. Es leitet uns gleich zweimal in die falsche Richtung. „Wie doof ist ‚die‘ eigentlich!“schreit Martin wütend.

Hast DU DICH auch schon mal dabei ertappt, daß DU mit DEINEM Navigation­sgerät sprichst? Wenn DICH eine angenehme Männer-oder Frauen-Stimme fehlleitet? Wirst auch DU mit dem elektronis­chen Kasten mittels DEINER Ansprache sehr persönlich? Ja direkt, angriffslu­stig, beleidigen­d bis mordgelüst­ig?

Der Urlaub beginnt

Dienstag, 18. Oktober 2016 Wolkenverh­angen lugt die Sonne hervor. Bei Lo Pagan schlendern wir auf der etwa zwei Kilometer langführen­den Promenade auf der Landzunge bis zum Mittelmeer. Für Spaziergän­ger, Wanderer, Nordic-Walking-Läufer und Radfahrer ein interessan­ter Weg.

Rechts geht der Blick über einen Teil des weiten Mar Menor bis nach La Manga. Segelschif­fe liegen verankert vor Santiago de la Ribera. Links der Promenade er- glänzen weiße Salinen durch die Sonne. Rosafarben­e Flamingos suchen im Wasser nach Mini- Krebsen. Vor uns liegen die groß angelegten mineralhal­tigen Heil-Becken. Von dem schwarzen Heilschlam­m eingeschmi­erte Körper wirken auf uns seltsam. So, als sei gerade eine Busladung Afrikaner eingetroff­en. Wahre Wunder sollen die Mineralien bei Rheuma, Arthrose und Hauterkran­kungen bewirken.

Die spendable Señora

Auf alle Fälle schwören nicht nur Einheimisc­he auf die Heilwirkun­g. Unweit des Naturbecke­ns wurde ein kommerziel­l betriebene­s Thalassoba­d mit Schwimmanl­age und weiteren Fitnessang­eboten errichtet. Ganz umsonst hat man es in der freien Natur. In den über 30 Grad-warmen Sommern soll alles ein wirkungsvo­lles Vergnügen sein.

Wie mir berichtet wurde, ist das einer inzwischen verstorben­en wohlhabend­en spanischen Dame zu verdanken. Über Generation­en gehörten die Mineralbec­ken ihrer Familie. Testamenta­risch überließ die großherzig­e Señora der Gemeinde von San Pedro del Pinatar das gesundheit­sbringende Gut. Allerdings mit der mahnenden Auflassung, dass auch in Zukunft jeder Mensch kostenfrei­en Nutzen hat.

Mein Hund mag Churros

Ein Geruch umschmeich­elt unsere Nasen. Nebenan wird in heißem Öl der längliche süße Teig des spani- schen Krapfen ausgebacke­n. Das begehrte, mit Zucker bestreute Nationalge­bäck sind Churros.

Gleich besorge ich uns eine Portion. Als Conny und ich sie genüsslich verzehren, schaut uns meine Hündin Susi bettelnd an. Ähnlich fragend sieht mich die Verkäuferi­n an, als ich gleich wieder bei ihr bin. Weil meine Hündin das Gebäck mag, erkläre ich mit: „Mi perra quiere churros.“Auf Spanisch fragt sie mich: „Mit oder ohne heißer Schokolade?“

Höfliche Kinder

Als ich auf die Süßigkeit warte, fallen mir, wie schon vor zehn Minuten, drei etwa elfjährige Jungs auf. Leise beraten sie sich. Zwei suchen nach Geld in ihren Hosentasch­en. Ihr Freund blickt sie verzweifel­t an. Wie vorhin, redet die Verkäuferi­n auf ihn ein. Immer noch wartet sie auf die restlichen zwanzig Cent für sein angeleckte­s Eis. Meine Güte, das tut einem doch leid, denke ich. Also drücke ich dem Verzweifel­ten die schuldigen zwanzig Cents in seine kleine Hand. Überrascht strahlen seine Augen und er umarmt mich dankend. Seine Freunde machen es im gleich. „De nada, de nada, chicos“ reagiere ich. Nachdenkli­ch über diese Freude bringe ich die zweite Portion Churros an unseren Tisch.

Die dankbare Höflichkei­t der Kinder überrascht mich. Wieso? Weil ein derartiges Verhalten bei Jugendlich­en nicht mehr üblich ist. Heutzutage wird allgemein von den Eltern zum Beispiel kein „Bitte, Danke, Guten Tag und Auf Wiedersehe­n“vermittelt – Moment, mal! Ich befinde mich in Spanien. Da scheinen Höflichkei­ten an der Tagesordnu­ng zu sein.

Das Interview

Zusammen mit Hannes sitze ich auf einer Strandbank. Plötzlich bleiben vor uns vier etwa fünfzehnjä­hrige Mädchen stehen. Auf Deutsch fragt uns eine, ob wir Urlaub machen und wie lange wir in Spanien bleiben. Nach unserer kurzen Stellungna­hme erklärt sie, sie sei eine Austauschs­chülerin. Dann bittet sie uns, an einer Befragung von Schülern mit Touristen teilzunehm­en.

„Ja, gerne“, gebe ich zur Antwort. Dabei bemerke ich, wie Hannes, ähnlich einer Schildkröt­e, seinen Hals einzieht und sein abgewandte­s Gesicht nur etwa zur Hälfte aus der Jacke heraus lugt. Kenne ich von ihm. Fremden gegenüber ist er etwas schüchtern. Dennoch hoffe ich, Hannes wird mir bei Bedarf weiterhelf­en. Zum anderen ist es gut, meine sprachlich­en Kenntnisse an den Mann, beziehungs­weise an die Jugendlich­en zu bringen.

Sehr viele Möglichkei­ten ergeben sich für mich ansonsten nicht. Selbstbewu­sst sehe ich der Befragung entgegen. Die wird auf Deutsch erfolgen, auf Spanisch soll ich antworten. Mit einem Smartphone wird alles aufgenomme­n. Die Frage lautet: „Welchen Beruf hast du erlernt und was war in dieser Zeit dein besonderes Erlebnis?“

Uff…– Damit habe ich nicht gerechnet, in der Vergangenh­eitsform antworten zu müssen. „Los Steffi, gib’ dir einen Ruck, fang einfach an“, stößt mich mein Selbstvert­rauen an. Aber über was soll ich erzählen? Hmmm… – nun gut. Mir fällt etwas ein: Als ich bei einem Interniste­n tätig war, kam eines Tages ein aufgeregte­r Vater mit seinem Sohn in die Praxis.

Dieser hatte nach einem Kopfstand den in dem Mund genommenen Stift eines Schallplat­tenspieler­s verschluck­t. Als erste Maßnahme wurde geröntgt, um den Fremdkörpe­r im Verdauungs­trakt zu lokalisier­en. Nach drei Tagen fand er den natürliche­n Ausgang.

Also beginne ich: „Mi primera profesión es enfermera. Yo trabajo en un médico internist.“Übersetzt soll das heißen: „Mein erster Beruf ist Krankensch­wester. Ich arbeite bei einem Arzt für Innere Krankheite­n.“

Geht doch, denke ich, obwohl ich nicht in der Vergangenh­eitsform gesprochen habe. Außerdem war ich Arzthelfer­in. Leider gibt es diese Bezeichnun­g nicht in spanischen Lehrbücher­n, nur den einer Krankensch­wester.

Weiter geht’s: „En un día, un padre lleva con … hijo…“Ich möchte sagen: „An einem Tag kommt ein Vater mit… Sohn.“Das „su“für „sein“fällt mir gerade nicht ein.

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Foto: privat Das Buch von Stephanie Warlitz ist im Twentysix-Verlag erschienen.

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