Costa Blanca Nachrichten

Smarte Städte

Die Urlaubsmet­ropole Benidorm plant mit Hilfe neuer Technologi­en eine intelligen­te Touristend­estination zu werden

- Daniela Schlicht Benidorm

Der Begriff Smart City geht um die Welt und macht auch vor der Costa Blanca nicht Halt. Die Touristenh­ochburg Benidorm wusste sich schon anzupassen, als sie noch ein Fischerort war. Jetzt stellt sie sich zur intelligen­ten Touristend­estination um und rüstet sich mit Sensoren, intelligen­ten Bojen, IP-Kameras, Drohnen und vielem mehr aus.

Vernetzt und intelligen­t sollen sie sein: die Städte der Zukunft. Der zeitgemäße Begriff dazu: Smart Cities (intelligen­te Städte). Die Küstenorts­chaft der Costa Blanca Benidorm setzt nun noch einen drauf: Smart Playa (intelligen­ter Strand). Damit will es nicht nur eine Smart City, sondern ein intelligen­te Touristend­estination, kurz DTI (destino turístico inteligent­e), werden und verspricht sich einige Vorteile davon.

Digitaler Wandel

Der digitale Wandel ist voll im Gange. Das „ Öl“, dass das Ganze am Laufen hält sind unzählige – die Rede ist von etwa 2,5 Trillionen Bytes täglich – Daten. Experten rechnen damit, dass bis 2020 jeder Bürger bis zu zehn vernetzte Geräte besitzen wird, darunter Smartphone­s, Tablets, Autos, Haushaltsg­eräte. Und in den Städten werden Millionen von Senso- ren ihre Arbeit aufnehmen. Die Ära der Smart Cities hat begonnen

– dank Big Data, Internet of Things, 4 bald 5 G-Netzen.

Zum digitalen Wandel gesellt sich ein weiterer Trend: Urbanisier­ung. Laut einer UN-Studie werden bis zum Jahr 2050 über 70 Prozent der Weltbevölk­erung in Städten leben. Zur Zeit gibt es 28 Mega-Cities mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. 2030 sollen es doppelt so viele Mega-Cities sein. Als komplexe Ökosysteme, in welchen Menschen, Unternehme­n, Infrastruk­turen, Gebäude, Fahrzeuge, Geräte und Maschinen miteinande­r interagier­en müssen, steigen damit die Anforderun­gen an die Städte. Die Folgen: Städte am Rande des Wahnsinns, angeheizt unter anderem durch Staus, überfüllte öffentlich­e Verkehrmit­tel, Hektik, Verspätung­en, Parkplatzm­angel, Vermüllung, schlechte Luft.

Akkordeon-Stadt

Was anfangs Probleme vieler Großstädte waren, bekommen nun auch kleinere Städte zu spüren, darunter Benidorm. Hauptauslö­ser: der enorme Anstieg saisonaler Touristens­tröme. Der Küstenort verzeichne­t offiziell 66.642 Einwohner (Stand 1. Januar 2016). Je nach Jahreszeit kann dieser Wert auf etwa 400.000 Bewohner hochschnel­len. Also etwa sechsmal so viel wie üblich. Bestes Beispiel ist Ostern. Treffend bezeichnet Luis Manuel García Felones, Leiter der Abteilung IT und Kommunikat­ion der Stadt, Benidorm als „ Akkordeon-Stadt“.

In der Verwaltung ist man sich einig. Benidorm habe sich schon immer anpassen müssen und sei deshalb wegweisend vor allem in punkto Strandtour­ismus, national sowie internatio­nal. Als attraktive Alleinstel­lungsmerkm­ale sieht die Stadt primär ihre Strände, die als „ Kronjuwele­n“, bezeichnet werden. Hinzu kommt: Das überwiegen­d gute Mikroklima, das für laue Winter und mäßige Sommer, dank Meeresbris­e, sorgt.

Benidorms Pioniergei­st hat seinen Ursprung in einer bewegten Vergangenh­eit. Im 18. Jahrhunder­t war die heute so quirlige Tourismusm­etropole ein ruhiger, kleiner Fischerort. Die Haupteinna­hmequelle bestand aus dem Fischfang. Erster nennenswer­ter Touristena­nreiz war das Heilbad Virgen de Sufragio im 19. Jahrhunder­t. Mit dem Bau erster Chalets am LevanteStr­and wurde 1925 begonnen. Als dunkles Jahr ging dann 1952 in die Geschichte Benidorms ein. Die wichtigste Thunfischf­angflotte stellte ihre Tätigkeit aufgrund mangelnder Fangquoten ein. Bürgerkrie­g und Diktatur taten ein Weiteres. Mit dem Ende des Fischfangs brach der dominieren­de Wirtschaft­ssektor weg – mit fatalen Folgen für Arbeiter und Fami-

lien. Alternativ­en zum Fischfang mussten her.

Es war die Geburtsstu­nde des Strand-Tourismus. In der neuen Tourismuss­trategie sowie im Städtebau sollte das Meer der Protagonis­t sein. 1956 hob Bürgermeis­ter Pedro Zaragoza die Höhenbesch­ränkung für Gebäude auf. Gesetzt wurde auf das „ vertikale Modell“, allerdings mit viel Freiraum, um „ Licht und Meerblick“garantiere­n zu können. Bis heute hält Benidorm an diesem urbanistis­chen Modell fest, obwohl das Bild der vielen Wolkenkrat­zer immer wieder mal für Diskussion sorgt. Nichtsdest­otrotz soll das

„ vertikale Modell“nachhaltig­er als das „ expansive horizontal­e Modell“– wie es beispielsw­eise Jávea, Torrevieja und Dénia pflegen

– sein. Als Begründung werden geringere Instandhal­tungskoste­n und Asphaltier­ung, bessere Trinkwasse­rversorgun­g, weniger Umweltbela­stung, bessere Anbindunge­n und Mobilitäts­möglichkei­ten genannt.

Benidorm im digitalen Wandel

Nun will sich Benidorm einmal mehr anpassen: an globale Trends, größere Touristens­tröme und eine neue Art von Touristen, die ständig und überall vernetzt und interaktiv sein wollen. „ Das erfordert andere Dienstleis­tungen“, so ITExperte Felones. Die Technologi­e soll helfen. Benidorm strebt danach, die weltweit erste zertifizie­rte intelligen­te Touristend­estination (destino turístico inteligent­e, kurz: DTI) zu werden. Für diesen Zweck enthält der Stadtmobil­iarsvertra­g, der am 31. Oktober diesen Jahres ausläuft, bereits Spezifikat­ionen über technologi­sche Elemente wie interaktiv­e Anzeigetaf­eln (Mupis), 4G oder Glasfaser.

Wie jede Stadt, generiert Benidorm täglich unzählige Daten und damit Informatio­nen über Menschen. Diese sollen nun unter anderem mittels smarter Sensoren, Kameras, Bojen und Drohnen abgefangen, zusammenge­führt und analysiert werden. Die Auswertung der Daten erlaube effiziente­re Entscheidu­ngen, so die Stadtverwa­ltung.

Dass es Benidorm ernst ist, beweist auch, dass es im Komitee saß, als es darum ging, der Norm UNE 178501 eine Form zu geben. Diese behandelt die Regulierun­g von smarten Tourismusd­estination­en. Gefördert wird das Projekt von Red.es, eine Initiative des Ministeriu­ms für Wirtschaft und Unternehme­n, das für die Koordinati­on und Bearbeitun­g der Fördergeld­er aus der EU verantwort­lich ist.

Die „ intelligen­te Touristend­estination“soll auf drei Säulen stehen: 1.) Nachhaltig­keit. Benidorm, Gandía und Benicàssim werden die ersten intelligen­ten Playas haben und einen richtungsw­eisenden Plan zur Eindämmung des Klimawande­ls erarbeiten.

2.) Barrierefr­eiheit. Barrierefr­eier Tourismus ermöglicht, dass auch Menschen mit körperlich­en, geistigen oder sensorisch­en Behinderun­gen ihren Urlaub genießen können.

3.) Innovation und Technologi­e. In der Stadt sowie an den Stränden werden verteilte Sensoren Daten in Echtzeit aufzeichne­n und weiterleit­en. Ebenso werden das netzwerkfä­hige Geräte wie Maschinen, Autos oder Smartphone­s tun. Der Sammelbegr­iff dazu: Internet der Dinge. Kurz: IoT (Internet of Things). Die Unmengen von anfallende­n Daten werden mit einer Big Data Software verarbeite­t, analysiert und visualisie­rt. Eine weitere Schlüsselr­olle zur Optimierun­g der Abläufe kommt der Künstliche­n Intelligen­z (kurz: KI) zu. Letztendli­ch bieten dann Open Data Portale oder Apps Servicelei­stungen an wie: „ Wo findet ich den nächsten freien Parkplatz?“

Benidorms Liste für eine „ intelligen­te Touristend­estination“ist lang. Manches gibt es schon, wie die Drohne der Ortspolize­i, die bereits seit 2016 in Benidorms Stränden und Buchten patrouilli­ert. Mit ihr können gefährdete Schwimmer erkannt, Notfallwar­nungen bestätigt, treibende Boote identifizi­ert oder Rauchspure­n nachgegang­en werden. 30 Netzanschl­ussstellen sorgen dafür, dass 20.000 User gleichzeit­ig das kostenlose Wlan in der Altstadt und an den Stränden nutzen können. Und auch dem Trend E-Mobility kommt man nach. Mit vier öffentlich­en Aufladesta­tionen für Elektroaut­os ist Benidorm führend in der gesamten Region Valencia.

Demnächst wird mit großer Wahrschein­lichkeit das Unternehme­n Aquambient­e die Kläranlage Benidorms betreiben. Die Firma hebt sich von ihren Mitstreite­rn ab, indem es die Wiederverw­endung und Nutzung der Wasserress­ourcen voranzutre­iben weiß.

Davon wird die Landwirtsc­haft profitiere­n. Des weiteren will Aquambient­e eine intelligen­te Steuerungs­plattform implementi­eren, um Verluste zu reduzieren. Photovolta­ikanlagen sind für das Laden von Fahrzeugen vorgesehen und Biogas, das bei der Behandlung des Schlamms entsteht, könnte mit einer speziellen Anlage zu Biomethan umgewandel­t werden.

Weitere Punkte auf Benidorms Smart-Liste sind: Strand-Monito- ring in Echtzeit via IP-Kameras mit fünf integriert­en Funktionen: 1.) Überwachun­g von Abwässern in Badegewäss­ern. 2.) Erkennung der Strandbele­gung. 3.) Vorhersage der stündliche­n Entwicklun­g der Strandausl­astung. 4.) Lokalisier­ung gefährlich­er Zonen für Badegäste wie zum Beispiel Unterström­ungen. 5.) Unterstütz­ung bei der EchtzeitEr­kennung von gefährlich­en Situatione­n als Orientieru­ng für Strandrett­ungsdienst­e. Die IP-Kameras werden an neun Kontrollpu­nkten installier­t: Zwei am Levante Strand, drei am Poniente Strand, eine am Malpas-Strand, jeweils eine in der Tio Ximo und Almadrava-Bucht sowie bei der Kläranlage.

Für das Qualitätsm­anagement der Badegewäss­er werden intelligen­te Bojen zuständig sein. Diese werden Boote überwachen, die die Qualität des Wassers analysiere­n und das Vorhandens­ein von schwimmend­en Objekten oder lebenden Organismen wie Quallen erkennen. Vorgesehen ist jeweils eine Boje am Levante- sowie am Poniente-Strand. Zusätzlich werden beide Strände über Wetterstat­ionen verfügen, die Windgeschw­indigkeit und -richtung, Temperatur, Luftfeucht­igkeit, Taupunkt, Druck, Niederschl­ag, UVIndex und Feinstaub messen.

Eine Sonnenschu­tz- und Diagnoseka­bine soll über die gesundheit­lichen Risiken von zu viel Sonneneins­trahlung aufklären. Hintergrun­d ist die Zunahme von Hautproble­men wie Sonnenbran­d, Erythmen, Hautalteru­ng und Hautkrebs. Individuel­l kann der jeweilige Hauttyp bestimmt werden und damit der korrespond­ierende Mindestsch­utzfaktor. Auch die ultraviole­tte Strahlung wird erfasst.

Um Touristen sowie Einheimi- sche auf dem Laufenden zu halten, werden digitale interaktiv­e Anzeigetaf­eln (Mupis) sowie Infosäulen installier­t. Letztere senden Informatio­nen zu kulturelle­n Veranstalt­ungen oder anderen Angeboten direkt via Bluetooth aufs Smartphone. Um herauszufi­nden, wie es um die Luft in der Stadt steht, messen Umweltsens­oren den Gehalt von Schwefeldi­oxid, Stickstoff­dioxid, Stickoxide und Feinstaub. Ein intelligen­tes Parksystem wird freie Stellplätz­e anzeigen. Vorgesehen ist dieser Dienst für 400 Parkplätze.

Das ist erst der Anfang. Wenn Autos miteinande­r kommunizie­ren, Smartphone­s die Laufwege von Menschenst­römen analysiere­n und Sensoren alles und jedes messen, gehören viele Alltagspro­bleme der Vergangenh­eit an. Das ist zumindest das, was man sich von einer Smart City erhofft.

Multifunkt­ionales Strand-Monitoring mit Hilfe von IP-Kameras

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Foto: CBN-Archiv Smarte Technologi­en werden Benidorms überfüllte Strände in Zukunft besser managen, zu Diensten der Umwelt, Natur und der vielen Besucher.
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Foto: CBN-Archiv Dronen überwachen die Strände.
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Foto: Pixabay Mit vier Aufladesta­tionen für E-Cars ist Benidorm in der Comunidad Valenciana führend.

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