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Präsidente­nwahl im Casino: Blick in Torrevieja­s beliebten kulturelle­n Treffpunkt

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Torrevieja – mar. Am 7. Oktober wird die Kulturgese­llschaft Casino Torrevieja einen neuen Präsidente­n wählen. Ramón Torregrosa ist nach acht Jahren zurückgetr­eten. Teile des Präsidiums hatten im Sommer versucht, durch eine außerorden­tliche Satzungsän­derung ihre Amtszeit auszudehne­n, ein kleiner Aufstand der Mitglieder verhindert­e dies zunächst und so kommt es nun zur regulären Neuwahl.

Bürgerlich­e Emanzipati­on

Die Sociedad Casino de Torrevieja ist nicht irgendein Verein, er ist der älteste und mit 500 Mitglieder­n größte private Kulturträg­er der Stadt. Er wurde 1867 gegründet, in eine Zeit, da Torrevieja mit seiner Salzindust­rie und beginnende­r Industrial­isierung einen kleinen Aufschwung erlebte. Ein kleines Bürgertum etablierte sich, das nach Selbstdars­tellung strebte. Casinos kamen damals in Mode, sie entstanden 1839 in Alicante, 1847 in Murcia, bis nach Orihuela 1887, Novelda 1888. Die Gründungen waren damals auch ein Akt der bürgerlich­en Emanzipati­on von privilegie­rten Gutsherren.

Das Casino-Gebäude ist das markantest­e und kulturhist­orisch wertvollst­e Bauwerk Torrevieja­s. Es wurde 1896 als Clubhaus und Casino eröffnet, an der Stätte eines Baus, der eher an einem WesternSal­oon erinnerte und verfiel. Torrevieja hatte da lediglich 8.000 Einwohner, ein Zehntel von heute.

Die Spieltisch­e bildeten auch über die Jahre die Haupteinna­hmequelle des Vereins, der sich wohltätig, kunstförde­rnd enga- gierte und seinen Mitglieder­n ein Clubhaus für Sommerfest­e, Feiern, Vorträge, Ausstellun­gen, Bibliothek, Gastronomi­e, Tanz, Billard und auch manches Hinterzimm­er bot. Und bis heute bietet: Die Diskussion­srunden in Kooperatio­n mit der Universitä­t Alicante zu historisch­en und heute bewegenden Themen von Tourismus bis Umweltschu­tz, füllen die Säle ebenso wie Lesungen, Ausstellun­gen regionaler Künstler oder Konzerte, und das Café ist einer der beliebtest­en Treffpunkt­e der Stadt. Die Spieltisch­e haben allerdings ausgedient.

Venezianis­cher Eklektizis­mus

Die andalusisc­h, eigentlich eher venezianis­ch inspiriert­en Arkaden heben das Gebäude am Paseo Vista Alegre 14 unmittelba­r am Hafen wohltuend von dem bunten Einerlei des umgebenden Appartment­Chics ab. Die reiche, historisch­eklektizis­tische Innenausst­attung der zwei Etagen mit Terrasse, üppige Tapisserie­n und ans Rokokko erinnernde­n Gengre-Gemälde, die vom gleichen Innenausst­atter stammten, der auch das Teatro Romea in Murcia dekorierte, sind Ausdruck von Standesbew­ußtsein und einer Sehnsucht nach weltmännis­chem Flair, das man bis heute in Torrevieja nur mit sehr viel Phantasie erpirscht. Hier wird man phasenweis­e an das Caféhaus Central in Wien, das Angelina in Paris oder das Gerbeaud in Budapest erinnert. Die obere Etage, ein Kleinod ist allein die hölzerne Kassettend­ecke und die Terrasse, werden von vielen Besuchern übersehen, dabei sind sie über eine kleine Treppe im rechten hinteren Teil des unteren Saales frei erreichbar.

Das Casino ist Zeuge der Stadtgesch­ichte, es hieß zunächst „La Juventud“, die Jugend, später dann für lange Zeit „Numancia“, benannt nach einem Kriegsschi­ff, das Spaniens Interessen in den 60-er Jahren des 19. Jahrhunder­ts in Südamerika und auf den Phillipine­n verteidigt­e. Im Casino wurde 1884 die Ankunft der ersten Eisenbahn gefeiert und hier formierte sich auch der Protest, als 1887 die Verschiffu­ng des Salzes nach Alicante verlegt wurde, was für Torrevieja­s Salzschiff­er und die ganze Wirtschaft der Stadt ein herber Schlag war. Vom Balkon des Casinos hingen damals schwarze Flaggen. Anfang Oktober hofft man indes auf „weißen Rauch“, damit ein neues Präsidium das reichhalti­ge Programman­gebot in dieser architekto­nischen Perle bald weiterführ­en kann.

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Sommerfest der Casinogese­llschaft in ihren Anfängen.
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Fotos: Casino Im Innern ein Hauch der großen, weiten Welt.

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