Kein Grund zum Jubeln: Was die Landesregierung vermeldet – und wie es um das Mar Menor wirklich bestellt ist
Alles klar im Mar Menor? Realität widerspricht Jubelmeldungen der Regierungskommission
Murcia – mar. „ Das Mar Menor hat den Sommer mit klarerem Wasser und weniger Kontamination als in den Vorjahren überstanden“. Das meldet euphorisch das Comité de Asesoramiento Científico del Mar Menor, das von der Landesregierung zur Evaluierung der Regenerierungsmaßnahmen des größten salzhaltigen Binnengewässers Europas eingesetzt wurde. Doch es handelt sich nur um eine Momentaufnahme und die Kommission steht nicht das erste Mal unter dem Verdacht, kleine Verbesserungen gezielt als Jubelmeldungen im Sinne des Auftraggebers zu verbreiten.
Immerhin seien Nitrat-, Silikat-, Ammonium- und Clorophyllwerte rückläufig und habe sich die durchschnittliche Transparenz von einem Meter im vorigen August auf fünf Meter Tiefe gesteigert. Die durch Überdüngung entstandene Algensuppe – vor allem verursacht durch Einleitungen der Landwirtschaft – trübte das Mar Menor in den Vorjahren so stark ein, dass Lichteinstrahlung und Sauerstoffgehalt rapide absanken und vor allem das Seegras Posidonia absterben ließen. Dieses ist wiederum ein wichtiger Lebensraum und Teil der Nahrungskette der Lagune. Binnen der zwei Jahre von 2016 bis 2017 verlor das Mar Menor 85 Prozent seiner Posidonia-Bestände.
Kritiker von unabhängigen Umweltverbänden stoßen sich daher auch an der „ Klarmeldung“ des akademisch besetzten Gremiums, denn die Klärung des Mar Menor sei Folge des Absterbens der Seegraswiesen. Da nichts mehr da sei, was wachse und das Wasser trüben könne, kläre es sich natürlich. Das heißt aber nicht, dass es nun lebensfreundlicher wäre.
Besonders zwei Tiere, die See- pferdchen und die Riesenmuschel Nacra brauchen Posidonia zum Überleben. Ihre Bestände gehen proportional zu jenen der Posidonia zurück. Um die Balearen, aber auch vor der Costa Blanca ereignete sich in den vergangenen Jahren ein dramatisches, aber kaum beachtetes Massensterben der mit bis zu vier Meter Höhe größten Mittelmeermuschel. Um Menorca und vor Valencia gilt sie bereits als „ nahezu ausgestorben“.
Umweltgifte setzen ihr zu, aber vom Menschen bekommt sie den Rest: Die Regionalregierung Murcias hatte zu Saisonbeginn 87 „ ökologische Ankerhalter“an den kleinen Inseln des Mar Menor versenkt und mit Bojen gekennzeichnet. Dennoch stellten Taucher dieser Tage erhebliche neue Schäden an den letzten Nacra-Beständen in der Nähe fest, weil sich die Jachteigner nicht an die vorgegebenen Ankerplätze hielten. Am 8. August sprach die Landesregierung ein Ankerverbot aus. Es dauerte aber Wochen, bis dieses sich auch herumgesprochen hatte.
Aus Sicht der Umweltschützer viel zu spät haben das Comité de Asesoramiento und das murcianische Umweltministerium auf ihrer letzten Sitzung Anfang der Woche beschlossen, die Reißleine zu ziehen. Abschnitte, in denen sowohl noch lebende Nacras sowie Kolonien von Hippocampus guttulatusSeepferdchen leben, sollen unter Schutz gestellt und für den Bootstourismus, die Fischerei und das Baden „ in konkreten und begrenzten Zonen“, wie die Regionalregierung nachschiebt, gesperrt werden.
Es entsteht also kein geschlossenes Schutzgebiet, sondern lediglich punktuelle, durch Bojen gekennzeichnete Siedlungszonen, an die sich Nacras und Seepferdchen hoffentlich halten, sobald sie im Amtsblatt ausgewiesen sein werden. Die Aktion Anker hatte ja gerade vor Augen geführt, wie großartig die Koexistenz von Mensch und Tier im Mar Menor funktioniert. Die Landesregierung setzt weiter darauf.
Koexistenz von Mensch und Natur funktioniert im Mar Menor nicht