Costa Blanca Nachrichten

Ein dickes Buch schreiben

Zu „Staatsvers­chuldung auf Höchststan­d“– CBN 1.810

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Die Staatsvers­chuldung ist mit Sicherheit interessan­t für die Leser der CBN. Ich möchte die Zahlen nicht wiederhole­n, aber ich möchte einen Beitrag zu einer Wahrheitsf­indung leisten, die viele Bürger dieses Landes nicht wissen. Nach dem Tode des Caudillo Franco wurde Spanien über Nacht eine Demokratie. Der erste Ministerpr­äsident Suárez hat sich redliche Mühe gegeben, aus diesem gewalttäti­gen Land eine Demokratie zu machen.

Der übernächst­e Ministerpr­äsident González, der von deutschen Frauen wegen seines Lächelns geliebt und verehrt wurde, hatte riesige Geldsorgen. Der CDU-Bundeskanz­ler Kohl in Deutschlan­d, der mit ihm eng befreundet war, war ihm behilflich. Bald ein Drittel des spanischen Staatshaus­halts ist im laufe von zwei bis drei Jahren mit deutschen Steuergeld­ern finanziert worden. In Deutschlan­d hat das niemand gewusst. Genau wie hier in Spanien wurden solche Transaktio­nen verschwieg­en und unter den Teppich gekehrt. Wenn das in Deutschlan­d an die Öffentlich­keit gekommen wäre, hätte man diese Leute zum Teufel gejagt.

Als wir im Jahre 1981 zum ersten Mal spanischen Boden betraten, haben wir festgestel­lt, dass allein hier in der näheren Umgebung tausende Haus- und Wohnungsbe­sitzer während der Urlaubszei­t ihre Wohnungen oder Häuser vermietete­n und teilweise ihre eigenen Garagen als Wohnungen benutzt haben. Abgabenzah­lungen und Steuerzahl­ungen waren völlig unbekannt. Kurz danach gab es nun ein Gesetz, das besagt, dass alle Einnahmen aus Vermietung­en mit einer Steuer von 25 Prozent belegt wurden. Auch daran hat sich nur ein einziger Vermieter in unserem Dorf Els Poblets gehalten. Hunderte andere haben sich mit diesen Vermietung­en eine goldene Nase verdient. Und das geschieht seit mindestens 30 Jahren.

Nie sind diese illegalen Vermieter von irgendeine­r spanischen Institutio­n kontrollie­rt worden. Es wäre ein Leichtes gewesen, eine Truppe von Studenten mit Fragebögen in verschiede­nen Sprachen zu den Häusern und Wohnungen zu schicken. Mit dem Auftrag, den anwesenden Menschen nur einige Fragen zu stellen. Nämlich die: Sind Sie Eigentümer? Zeigen Sie mir einen Nachweis wie Bezahlung der IBI. Oder sind Sie Mie- ter? In diesem Fall hätte man die Mieter aufgeforde­rt, Namen und Anschrift zu nennen, Anzahl der Personen und den Mietpreis den sie bezahlen mussten. Dann hätte der Staat die Möglichkei­t gehabt, alle diese Hunderttau­sende von Steuerhint­erziehern in den Griff zu bekommen, und Spanien hätte heute nicht diese Schulden.

Vor ein paar Jahren, hat sich die Regierung damit gebrüstet, dass über 80 Millionen Urlauber hier in Spanien ihren Urlaub verbracht hätten. Jeder Dümmste hätte sich ausrechnen können, dass Milliarden von Euro die Staatskass­en saniert hätten. Man hätte die niedrigen Renten erhöhen können, man hätte einen Teil der riesigen Staatsvers­chuldung bezahlen können, und die Regierung hätte viel mehr Möglichkei­ten gehabt, Institutio­nen zu unterstütz­en, die selbst kein Geld haben.

Das ist auch nur ein Teil der Wahrheit. Es hat eine Zeit gegeben, in der die Guardia Civil sich geweigert hat, irgendeine nutzvolle Arbeit zu machen. Sie klagte darüber, dass sie die zugesagten Uniformen nebst Schuhen nicht bekam. Ein Bekannter von uns, der bei der Seprona beschäftig­t war, hat uns einige Dinge erzählt, wie die Nichtliefe­rung von Uniformen. Zum Teil konnten wegen Geldmangel­s die Fahrzeuge nicht betankt werden. Dieser junge Polizist tat hier an der Küste seinen Dienst und hat sich sehr schnell versetzen lassen. Weil er die Anzeigen von Umweltstra­ftaten – es müssen so an die 30 bis 40 gewesen sein, die in einem Schuhkarto­n abgelegt waren, nicht dem Gericht überge- ben konnte, weil der damalige Vorgesetzt­e ihm das strikt untersagt hatte. Jeder kann sich den Frust vorstellen, wenn nicht einmal seine Arbeit anerkannt wurde.

Es kommt noch schlimmer. Die Steuerhint­erziehung hat Formen angenommen. Zum Beispiel, der Gärtner, der Poolpflege­r oder Maler – jeder Handwerker nannte nur seinen Preis und hielt die Hand auf und wollte sein Geld in bar. Auf Nachfrage der Erstellung einer richtigen Rechnung wurde nur müde gelächelt und darauf hingewiese­n, dass der Nachbar sehr erfreut gewesen sei, die Mehrwertst­euer eingespart zu haben. Dieses Geschäftsg­ebaren war und ist in diesem Land Standard. Ein Rechtsanwa­lt, den wir wegen einer Garantiesa­che bemühen mussten, schrieb einen halbseitig­en Brief an die Geschäftss­telle einer Autofirma. Als wir ihn wegen der Rechnung fragten, bekamen wir zur Antwort: 300 Euro in bar. Rechnungss­tellung mit IVA, unbekannt.

Dann noch eine Sache: Im Laufe der letzten zehn Jahre wurde jedem Bürger klar, dass irgendetwa­s nicht stimmen konnte. Papstbesuc­h, Formel-1-Rennen in Valencia. Wer Ecclestone kennt, weiß, wer das ist, und weiß, was seine Arbeit kostet. Dann kam der Umbau des Hafens, der Bau der Gebäude um die Regatta des Amerca’s Cup zu veranstalt­en. Einige andere Dinge wollen wir gar nicht erwähnen.

Was uns stutzig gemacht hat, war die fortschrei­tende Verschuldu­ng von Valencia. Die Zeitungen überschlug­en sich mit Horrormeld­ungen. Als einer der Ersten wur- de der Ministerpr­äsident beschuldig­t, sich neue Anzüge und Zubehör verschafft zu haben, die einer seiner Freunde bezahlt hatte. Und dann folgte Skandal auf Skandal. Bald die gesamten Mitglieder der Regionalre­gierung wurden vor Gericht zitiert, und viele davon waren so entnervt, dass sie aus dem Nähkästche­n geplaudert haben. Was diese Leute angestellt hatten, war in der Welt ein einmaliger Vorgang.

Das Schlimmste war, dass der Spiritus Rector von einem valenciani­schen Gericht freigespro­chen wurde. Man hat begonnen, die Sache wieder aufleben zu lassen. Aber man wird so lange brauchen, bis der „liebe Gott“ihn geholt hat. Er wird wahrschein­lich nie ein Gitter vor seinem Schlafzimm­er haben. Mit den Milliarden, die von einer politische­n Kaste hier gestohlen worden sind, hätte man in Holland und Belgien die Staatshaus­halte finanziere­n können. Spanische Ministerpr­äsidenten, gleich welcher Couleur muss das Staatsaufk­ommen ihres Landes völlig gleichgült­ig gewesen sein.

Wir sind jetzt 37 Jahre mit Spanien verbunden. Aber je älter wir werden, umso häufiger kommen uns Gemeinheit­en zu Ohren, die hier so manchem Bürger widerfahre­n sind. Wir versuchen, das zu recherchie­ren, um wenigstens den Wahrheitsg­ehalt zu prüfen. Mindestens 99 Prozent dieser Leute legen Beweise vor, die uns zutiefst empören. Besonders in unserem Wohnort Els Poblets. Darüber könnten wir ein dickes Buch schreiben. Helga und Norbert Grass Els Poblets

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