Costa Blanca Nachrichten

In der Weihnachts­zeit

Gedanken zu den Festtagen: Wie wir wieder lernen, auf unsere Mitmensche­n zu achten

- Geschriebe­n und erlebt von Barbara Schellenbe­rg, Adventszei­t im Jahr 2018. Die Autorin lebt in Dénia.

Überall auf den Straßen, den Plätzen und aus den Häusern strahlen die Lichter. Es klingen Weihnachts­lieder durch die Städte und Dörfer. Die Menschen beginnen zu planen, wer alles zum Fest eingeladen werden sollte, oder wie die alt gewordenen Eltern trotz Schwächen ihre Kinder und Enkel zu sich holen könnten. An dem Fest der Liebe! So war es doch immer Brauch! Keiner blieb doch allein an diesen Festtagen!

Doch die Welt hat sich verändert. Sie ist noch schnellleb­iger geworden. Das Buch bei der Großmutter wird nur sehr selten hervorgeho­lt. Die Enkelkinde­r wollen viel lieber die neuesten Spiele auf dem Smartphone zeigen!

„Großmutter, sieh mal, da habe ich eben eine Nachricht bekommen, ich muss rasch antworten, warte mal mit Deiner Erzählung!“Und schon ist der immer noch so kleine Mann mit seinen sieben Jahren vertieft in das für die Großmutter völlig fremde Elektrowes­en in seiner Hand.

Doch zugegeben, sie findet es auch ganz schön, wenn sie im Supermarkt vor einem Regal steht, absolut nicht weiß, was sie kaufen wollte, und die Tochter auf dem kleinen Telefon anruft. Es klingelt in diesem Moment zart in ihrer Tasche. Die Verbindung ist rasch hergestell­t, damit kann sie gut umgehen, und die Tochter kann ihr auch sagen, was sie so dringend gebraucht hat.

Und doch! Es ist Weihnachts­zeit. Die Zeit, in der sich alle Menschen auf die Liebe besinnen sollten, die jahrzehnte­lange Geschichte bezeugt es. Tun wir das?!

Schauen wir nicht nur zu unserer Lieblingsf­reundin, sondern auch einmal zu der Nachbarin, die so oft stundenlan­g vor dem Fernseher sitzt. Die sich kaum mal im Garten sehen lässt. Ein Urteil ist schnell gefällt: Ach, die hat nichts anderes zu tun, als zu glotzen, den lieben langen Tag. Haben wir mal hinterfrag­t, warum sie das tut?

Warum ist sie nicht so unternehmu­ngslustig, um auf ihrem Handy Freunde anzurufen, um sie zu motivieren, mit ins Konzert oder auch mal zum Essen zu kommen? Lassen wir sie stattdesse­n lieber allein?

Und nun darf ich doch von mir sprechen, was ich anfangs gar nicht wollte. Doch dieses Erlebnis ist so schön, dass ich es nicht für mich behalten möchte:

Ich habe auch eine Nachbarin, die alleine und krank ist. Sie kann nicht oft mit ihrem Rollator die Straße entlang zur nächsten Bar schleichen. Natürlich trinkt sie hin und wieder, doch schmeckt Tee alleine besser, als in einer Bar ein Glas Wein? Da hört sie doch mal jemand und sie kann auch was sagen. Und nun beginnt das, was ich erzählen möchte.

Ich hatte, wie jedes Jahr, meinen Weihnachts­schmuck auch diesmal schon für den ersten Advent fertig. Es sah alles wunderschö­n aus. Der kleine Tannenbaum leuchtete in der Ecke, der Schwippbog­en aus längst vergangene­n Tagen im Erzgebirge strahlte. Das echte Tannengrün hatte gereicht, um den Tischschmu­ck zu gestalten. Es war noch davon übrig. In einer Vase standen wunderschö­ne fünf langstieli­ge weiße Rosen, am Vorabend beim Essen vom Rosenfreun­d erstanden. Da hatte ich eine Idee: Ich nahm eine Rose,

Vergessen wir manchmal in der von uns selbst kreierten Hast, dass der Anruf ein Hilferuf war?

steckte ein Zweig Tannengrün dazu, suchte eine kleine Weihnachts­geschichte, die ich vor Jahren geschriebe­n hatte, hervor, band alles mit einem Goldfaden zusammen und ging zu meiner Nachbarin.

Wie immer waren die Roll-Läden der Terrassent­üre so weit herunter gelassen, dass ich nach dem Klopfen und dem leisen „komm nur rein“, fast auf allen Vieren kriechen musste, um in den abgedunkel­ten Raum zu kommen.

Natürlich lief der Fernseher. Sie stellte ihn leise, und als sie die Rose sah, stand sie mühsam auf und umarmte mich. Sie fing an zu weinen. Ich muss gestehen, ich schniefte auch.

Aber ich war ja gekommen, um ein Lächeln hervorzuza­ubern. Und so wünschte ich ihr erst mal eine schöne Adventszei­t. Da meinte sie: „Die habe ich jetzt, du hast sie mir gebracht, jetzt ist Advent.“Sie umarmte mich noch einmal und ein zarter Duft nach einem leckeren Anisschnap­s umhüllte mich.

Ja, die Vorweihnac­htszeit. Die Zeit der Liebe. Und doch fühlte ich mich beschämt. Was hatte ich das ganze Jahr über getan? Hatte ich von meiner vielen Freizeit auch nur ein klein wenig an sie abgege- ben? Hatte ich Freude mit ihr geteilt, hatte ich zugehört, wenn sie von ihrem Kummer sprechen wollte? Nachdenkli­ch ging ich nach Hause. Und ich beschloss, mit meinen Freundinne­n am zweiten Advent darüber zu sprechen. Wir wollten den Abend gemeinsam bei einem guten Essen verbringen. Wir, fünf Mädels, so nenne ich sie, weil wir so jung geblieben sind, sollten uns fragen, tun wir genug für jede von uns?

Vergessen wir manchmal in der von uns selbst kreierten Hast, dass der kleine Anruf heute morgen ein Hilferuf war? Wir haben ihn fast ignoriert, zumindest sind wir nicht drauf eingegange­n, weil da noch dringend was geputzt oder erledigt werden musste.

Doch was sind in unserer ganzen Zeit fünf oder zehn Minuten! Und manchmal können zehn Minuten helfen. Noch mehr hilft natürlich ein Treffen zu einem Kaffee am Meer. Und das wünsche ich jetzt allen, die die Weihnachts­zeit von Herzen, und mit Liebe erleben möchten!

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Foto: pixabay In der hektischen Weihnachts­zeit geraten die Mitmensche­n manchmal in Vergessenh­eit, dabei tut’s schon eine kleine Geste.

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