Wohin geht es?
Von Parcent über die Sierra de Carrascal geht es auf abenteuerlichen Pfaden auf fast 1.000 Meter
Eine Gratwanderung: Die Sierra de Carrascal bei Parcent bietet einen wunderschönen Panoramaweg mit spektakulären Aussichtspunkten.
Vor rund 10 Millionen Jahren geschah es, dass die afrikanische Kontinentalplatte einen Ruck nach Norden machte und auf die europäische Platte traf. Die Gesteins- schichten wurden an die Oberfläche gedrückt, Felsmassive und Gebirgszüge entstanden.
So auch an der heutigen Costa Blanca, die damals tief auf dem Meeresgrund schlummerte. Eine besonders spannende Formation hat sich mit der Sierra de Carrascal gebildet, die vom Vall de Pop bis zum Kamm einen Höhenunterschied von fast 800 Metern aufweist. Von überall her zieht diese majestätische Bergformation die Blicke auf sich und weckt bei so manchem Wanderer Lust auf eine Besteigung. Hat man diese Höhendifferenz überwunden, wird man mit einer unschlagbaren und unvergesslichen Aussicht belohnt, die starke Eindrücke hinterlässt. Die Aufstiegsroute beinhaltet keine technischen Schwierigkeiten, setzt aber dennoch ein gewisses Maß an Kondition voraus.
Eindrucksvolle Gratwanderung
Folgen Sie nun der gelb–weißen Markierung auf der bergab führenden Straße, die im Barranco ihre Fortsetzung findet. Nach zehn Minuten auf einen Wirtschaftsweg wechselnd, trifft man nach weiteren 15 Minuten auf die Hauptstraße Parcent - Coll de Rates. Überqueren Sie diese und folgen Sie der Markierung auf der gegenüberliegenden Seite weiter. Vorbei an diversen Tierställen, die zum idyllisch gelegenen Restaurant Piscina gehören, steigen Sie nun langsam aufwärts. Nach dem letzten Haus geht das Sträßchen in einen gut sichtbaren und perfekt frei geschnittenen Wanderweg über. Die Hänge sind mit wohlriechenden Kräutern, Zistrosen und Ginster bedeckt und jeder Schritt offenbart weitere Naturwunder. Nach insgesamt etwa 40 Minuten Gehzeit kommt die Quelle La Foia“in Sicht, wo man immer wieder Gruppen von Spaniern trifft, die sich hier mit dem frischen Quellwasser versorgen und den neu angelegten Picknickplatz gerne zu ei- „
nem kleinen Schwätzchen nutzen.
Weiter geht es nun halbrechts auf maurischem Pfad aufwärts. Wälder wechseln zu kahlen Hängen, schroffe Felsklötze ragen in den Himmel und nach jeder Kurve bietet sich ein neuer Ausblick.
Etwa 1,25 Stunden werden Sie unterwegs sein, wenn ein Hinweisschild auf den Schneebrunnen Cava de Neu aufmerksam macht. Diesen Abstecher empfehle ich Ihnen nicht unbedingt, der Aufstieg dorthin ist etwas Kräfte raubend und der Schneebrunnen zeigt sich ziemlich verfallen und mit Kletterpflanzen überwuchert.
Bleiben Sie stattdessen auf dem wunderschönen Panoramaweg, der gemächlich aufwärts führt und zwischendurch immer wieder spektakuläre Aussichtspunkte bereit hält. Hier lässt sich mit Genuss, nur wenige Kilometer von der belebten Küste entfernt, das alte Spanien in aller Gemütsruhe entdecken.
Nach ca. 2,5 Stunden Gesamtgehzeit hat man die steinige Hochfläche Tossal de Polupi erreicht, die sich als beliebter Aufenthaltsort für Schaf- und Ziegenherden zeigt. Von hier aus kann man sehr gut unser nächstes Ziel, die Feuerwache auf dem Kamm der Sierra de Carrascal erkennen.
Aber zuvor sollten Sie hier auf der aussichtsreichen Hochfläche eine kleine Rast einlegen. Erfreuen Sie sich an den kleinen Blumenpolstern, die wie zufällig aus der toten Karstwildnis wachsen und natürlich an dem herrlichen Ausblick bis zum Küstenstreifen.
Für den Weiterweg orientieren Sie sich an den markierten Pfählen, die man dankenswerterweise neuerdings hier aufgestellt hat. Bald mutiert die Route zum schmalen und etwas abenteuerlichen Pfad, der sich am Abhang der Sierra entlang schlängelt. Letztendlich wechselt er die Hangseite und erreicht die weithin sichtbaren Antennen. Hier ist mit knapp 1000 Metern der höchste Punkt unserer Wanderung erreicht und eine kleine Aussichtspause obligatorisch.
Tief unten liegt das aus neun kleinen Orten bestehende Vall de Pop, geprägt von Weinanbau und Landwirtschaft, ein beliebtes Ausflugsziel zur Mandelblütenzeit. Durchflossen wird es vom Río Gorgos, der sein Gesicht je nach Jahreszeit ändert und auf seinem 53 Kilometer langen Weg nach Starkregen schon für so manche unangenehme Überraschung gesorgt hat. Gegenüber erblickt man die wilde Felskette der Sierra Ferrer und den am Col de Rates aufsteigenden Penya Talay.
In der Ferne erahnt man die unwirkliche Silhouette von Benidorm mit den immer mehr in den Himmel wachsenden Hochhäusern, wobei die Bergkette von Puig Campana bis Sierra Aitana dage- gen wie eine bezaubernde Modelllandschaft wirkt.
Wenn Sie dann an der Feuerwache vorbei kommen, haben Sie den höchsten Punkt der Wanderung verlassen. In weit ausholenden Serpentinen folgt man dem betonierten Wirtschaftsweg, wo man geruhsam abwärts schlendernd das herrliche Panorama in vollen Zügen genießen kann.
Nach etwa 30 Minuten erreichen Sie das Restaurant auf dem Coll de Rates (626 Meter), hier könnten Sie, gemütlich auf der Terrasse sitzend, Kraft für den immerhin noch etwas über einstündigen Abstieg schöpfen. Vielleicht lassen Sie auch die Gedanken in das Mittelalter schweifen, als der Pass Coll de Rates noch ein recht unsicherer Übergang war, bei dem man permanent mit Raubüberfällen rechnen musste.
Gelassene Rückkehr
Glücklicherweise sind diese schlimmen Zeiten vorbei und man kann gelassen dem weiteren Wegverlauf entgegen blicken. Dazu biegen Sie wenige Meter vor der Hauptstraße links auf einen Wan- derpfad ab. Er kreuzt die Straße am Mirador und führt dahinter gelb-weiß markiert abwärts. Sie befinden sich nun auf dem historischen Verbindungsweg ParcentTárbena, den schon im Mittelalter die Weinbauern mit ihren voll beladenen Rosinenkörben gegangen sind.
In Serpentinen führt er gemächlich erst durch blühende Macchia, dann durch Orangen- und Mandelplantagen abwärts, bis er in Parcent auf die Hauptstraße und ihren Ausgangspunkt trifft. Vielleicht statten auch Sie dem hübschen Ort noch einen Besuch ab, von dem schon der Alicantiner Schriftsteller Gabriel Miró in den höchsten Tönen schwärmte und Parcent als sein wunderschönes und heiß geliebtes Paradies zwischen den Bergen“bezeichnete.