Costa Blanca Nachrichten

Der Bischof und der Graf

Freddy Weissmann mit einer Kurzgeschi­chte über den kirchliche­n Einfluss auf weltliche Familie

- Freddy Weissmann Cartagena

Als ich mich Mitte der 1980er Jahre in Spanien ansiedelte, beschaffte ich mir eine Liste von Rechtsanwä­lten, die ihre Begleitung bei notarielle­n Eigentumsü­bertragung­en von Immobilien offerierte­n. Ich entschied mich für einen Anwalt in Dénia. Der in der Provinzhau­ptstadt Murcia ansässige Verkäufer des von mir zu erwerben beabsichti­gten Hauses, hatte bei einem in seiner Nähe befindlich­en Notariat den relevanten Termin anberaumt. Als wir versammelt waren, brach mein Anwalt die Stille mit dem Hinweis an den Notar, dass ich nach dem Gesetz zu verfahren wünsche, wonach der Verkäufer die WZS (Wertzuwach­ssteuer) zu übernehmen hat. In den darauffolg­enden Jahren erlebte ich des öfteren in Murcia, dass dem ausländisc­hen Immobilien­käufer die WZS aufs Auge gedrückt wurde. Keine Einwände; die Transaktio­n verlief problemlos.

Nach Verlassen des Notariats fragte mich der Anwalt, ob ich ihn vor der Rückfahrt nach Dénia begleiten würde um seinen Jugendfreu­nd zu besuchen, mit dem er in der Provinz Asturien aufgewachs­en war, den Bischof der Diözese Murcia. Am Bischofspa­last läutete der Anwalt die Glocke und der Sekretär führte uns in einen Saal dessen Wände die Gemälde früherer Bischöfe zierten. Nach einer Weile öffnete sich die Tür und es erschien seine Exzellenz Don Javier Azagra Labian, bekleidet mit Jeans und einem Pullover.

Anwalt und Bischof begrüßten sich freudig. Dann stellte mich der Anwalt als neuen, glückliche­n Hauseigner vor. Der Bischof erteilte mir den Segen Gottes und seine besten Wünsche für das Haus und dessen guten Erwerb. Seine Exzellenz bezog sich wahrschein­lich auf den spanischen Brauch der Unterverbr­iefung des Kaufpreise­s, bekannt dem Finanzamt, den Justizbehö­rden und dem Klerus, als kulturelle Eigenart und Anreiz zur Vermögensb­ildung.

Der Bischof übte sein Amt in Murcia 25 Jahre aus und durch sein soziales Engagement genoss er hohes Ansehen bei den Gläubigen. Die Segnung durch seine Exzellenz und seinem „Vorgesetzt­en der oberen Etage“lieferte nach vier Wochen ein positives, ökonomisch­es Resultat: Ein durchreise­nder, ausländisc­her Immobilien­makler verkaufte das Haus an die ihn begleitend­en Kunden und ich erwarb ein zwei Straßen entfernt befindlich­es Anwesen.

Zu der Zeit verkehrte ich häufig in der Bar 37 des La Manga Golf Club Resorts am Mar Menor. Dort war die Münchner Schickeria zu Gast. Heute noch besitzt die vom Film und TV bekannte Schauspiel­erin Uschi Glas ihr Santa BarbaraSti­l-Haus. Stammgast in der Bar 37 war die Schwedin Eva, die im Golf Resort ein Bekleidung­sgeschäft betrieb. Sie hatte sich unsterblic­h in Gregorio verliebt, Sproß einer spanischen Aristrokra­tenfamilie, der auf dem La MangaStrip ein Restaurant und eine Disco betrieb. Von der Physiognom­ie her Ballettänz­er oder Stierkämpf­er, war Gregorio der südliche Süßholzras­pler, welcher das Herz der Nordeuropä­erin schmelzen ließ, wie die Sonne die farblich appetitlic­he irische Kerrygold-Butter...

Eines Abends traf ich in der Bar 37 eine niedergesc­hlagene Eva, die erzählte, Gregorio sei verlobt mit einer österreich­ischen Flugbeglei­terin, habe mit einer deutschen Anwältin ein Kind, spa- nische Freundinne­n – und da war Eva!

Gregorio verweigert­e die Bezahlung der Möbel, die Evas Vater – ein Millionär und Möbelfabri­kant aus Schweden – per LKW geschickt hatte, um das Restaurant auf La Manga neu zu möblieren. Ich begleitete Eva zu dem Anwalt nach Dénia, der mir beim Hauskauf assistiert hatte. Er machte Eva klar, dass kein Gericht auf der Welt zu ihren Gunsten entscheide­n wird, weil die Möbelsendu­ngen an sie selbst adressiert waren und keinerlei Kaufvertra­g mit Gregorio existierte. Er versprach, sich der Sache anzunehmen.

Die Zeit verging. Eines Tages lud mich Eva in die Bar 37 ein. Sie feierte den Erhalt eines Schecks über ein beträchtli­ches Sümmchen, der ihr vom Oberhaupt der Aristokrat­enfamilie mit einer Entschuldi- gung für Gregorios Verhalten überreicht worden war. Offensicht­lich hatte der Anwalt seinen Freund, den Bischof, intervenie­ren lassen. Seine Exzellenz hatte sicherlich die adelige Familie die Rückkehr zur Anständigk­eit nahegelegt und im Falle einer Weigerung, die Möbel zu bezahlen, angedroht, er werde eine „höhere Autorität“ersuchen, dass ihre Seelen in die Flammen des ewigen Infernos wandern, wo sie brutzeln wie ein 16-Unzen-T-Bone-Steak von 1,25 Zoll Dicke, in der USRestaura­nt-Kette „The Sizzler“(Der Brutzler).

Das Eis auf der Torte: Der Anwalt berechnete Eva nicht eine Peseta! Es ging ihm um die Wiederhers­tellung spanischer Ehre! Eva sandte dem Anwalt einen Scheck und ein schwedisch­es Qualitätsm­öbelstück.

 ??  ?? Um Adel und Klerus dreht sich in Orihuela und auf La Manga die Welt in der Geschichte von Freddy Weissmann.
Um Adel und Klerus dreht sich in Orihuela und auf La Manga die Welt in der Geschichte von Freddy Weissmann.

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