Deutscher Doppelsieg
Pascal Ackermann gewinnt das Tagesrennen Clasica de Almería knapp vor seinem Landmann Marcel Kittel
Mit dem amtierenden Landesmeister Pascal Ackermann hat sich erstmals ein deutscher Radsportler bei der Clásica de Almería in die Siegerliste eintragen können. Dabei ist die Liste lang, denn das Radrennen ist am vergangen Sonntag bereits zum 34. Mal ausgetragen worden. Die ersten sechs Ausgaben waren zwar noch Amateuren vorbehalten gewesen, seit 1992 aber hat das Event als Profi-Rennen schon internationales Format.
Illustre Siegerliste
Unter den bisherigen Gewinnern tauchen so illustre Namen wie Wjatcheslaw Yekimov, Jerome Pineau, Michael Matthews, Mark Cavendisch oder dem letztjährigen Sieger Caleb Ewan auf. Nicht von ungefähr hat die Clásica de Almería mittlerweile die höchste Kategorie erreicht, der Eintagesrennen zugeordnet werden können.
Weshalb von Astana über Cofidis und Katusha bis zum spanischen Movistar kaum ein Spitzenteam die Clásica de Almería auslässt. Was angesichts des entspre- chend hochkarätigen Teilnehmerfeldes wiederum zur Folge hat, dass der Ausgang des Rennens von Eurosport in 40 verschiedene Länder übertragen wurde.
Ein Kuriosum stellt die Clásica de Almería zumindest aus spanischer Sicht allerdings schon dar. Denn im Land der Bergspezialisten, ist das Rennen eher eine Angele- genheit für Sprinter. Dabei wären Almerías Landschaften für das Gegenteil prädestiniert, wie die Spanien-Rundfahrt belegt, die wenn sie die Provinz hin und wieder in ihrem Etappenplan berücksichtigt, stets eine Bergankunft vorsieht.
Dem deutschen Team BORAhansgrohe dürfte dies sicherlich ganz recht sein, denn in seinem Kader befinden sich zwar mit Rafal Majka, Leopold König oder Emanuel Buchmann auch einige gute Bergfahrer. Mit Peter Sagan, Sam Bennett oder Pascal Ackermann in seinen Reihen, werden die meisten Erfolge aber doch bei Sprintankünften verbucht.
Vor zwei Jahren ergatterte der sächsische Sprinter Rüdiger Selig, der sich lediglich dem Dänen Magnus Cort geschlagen geben musste, einen achtbaren zweiten Platz für BORA-hansgrohe. Und drei Jahre zuvor hatte der Ire Sam Bennett für das deutsche Team, als es noch NetApp-Endura hieß, den ersten Sieg einfahren können.
Im Kreis der Favoriten
In den neun Jahren seiner Existenz hat das in Oberbayern angesiedelte Team, dessen Hauptsponsoren zurzeit die deutschen Unternehmen BORA und hansgrohe sind, eine erstaunliche Entwicklung genommen. Beim Rennen in Almería zählte es, obwohl sich die erste Garde nicht im Aufgebot befand, trotzdem zu den heißen Anwärtern auf den Sieg dank der Präsenz von Pascal Ackermann.
Ein Pascal Ackermann, der als Juniorenfahrer zunächst auf der Bahn große Erfolge feierte und bei Deutschen Meisterschaften aber auch bei Europa- und Weltmeisterschaften Medaillen und Titel sam-
Im Land der Kletterer ist das Rennen in Almería eher etwas für Sprinter
meln konnte. Irgendwann wollte ich dann aber doch auf die Straße wechseln, denn nur im Kreis fahren, war mir auf Dauer zu langweilig“, erinnert sich Ackermann.
Seine heutigen Sprintqualitäten führt er zum Teil auf seine Erfahrung als Bahnfahrer zurück. Auf der Bahn fährst du ohne Bremsen und musst dich in einer größeren Gruppe behaupten können“, bemerkt er. Dadurch habe ich gelernt, bei einer Massenankunft im Positionskampf den Überblick zu behalten.“
Ein Jahr zum Einrahmen
Im vergangenen Jahr gelang Pascal Ackermann der große Durchbruch in seiner noch jungen Profi-Karriere. Bei der Abschlussetappe der Tour de Romandie erzielte der 25-Jährige einen ersten großen Erfolg, dem in der Saison noch acht weitere Siege folgen sollten, darunter der Gewinn der Deutschen Straßenmeisterschaft im Juli im hessischen Einhausen.
Bei der Clásica de Almería ging Ackermann 2017 schon einmal an den Start, damals aber noch als Helfer für seinen Teamkollegen Rüdiger Selig, während er diesmal als Kapitän seiner Equipe antrat. Obwohl er vor dem Start tief stapelte und bei der Unterschriftenkontrolle in Almería noch erklärte, dass er in dieser Saison erst sein drittes Rennen bestreite.
Ein Rennen, das über 192 Kilometer von der Provinzhauptstadt Almería zunächst nach Norden in die Sierra de Filabres und die Sierra de Alhamilla führte, wo zwei Anstiege der dritten und einer der zweiten Kategorie zu bewältigen waren. Diese waren zwar anspruchsvoll genug, um dem Rennen Härte zu verleihen, lagen aber zu weit vor dem Ziel, um für den Ausgang entscheidend zu sein.
Verfolgung in der Abfahrt
Tatsächlich war es am Ende die Abfahrt von den Bergen, die für eine Vorentscheidung sorgen sollte. Auf dem Weg zurück nach Almería, um von dort schließlich das Ziel in Roquetas anzusteuern, brach das Peloton auseinander. In der vorderen Ausreißergruppe mit über 30 Fahrern, darunter nahezu ausschließlich Siegesanwärter, war Mitchelton-Scott, das in den beiden letzten Jahren jeweils den Gewinner stellte, mit sechs seiner sieben Fahrer am stärksten vertreten.
Daher verschärfte das australische Team enorm das Tempo, um die Abgehängten nicht wieder herankommen zu lassen. BORAhansgrohe hatte vorne zumindest vier Fahrer platzieren können. Ein erneuter Zusammenschluss wäre uns aber fast lieber gewesen, weshalb wir uns bei der Führungsarbeit zurückhielten“, kommentiert Ackermann den Rennverlauf.
Aufgrund des von MitcheltonScott vorgegebenen Tempos kam die Spitzengruppe am Ende weit früher als erwartet in Roquetas an, wo die Fahrer die Ziellinie dreimal überquerten, da zum Schluss noch ein sechs Kilometer langer Rundkurs zurückzulegen war. Auf der zweiten und letzten Runde des Stadtkurses drängten dann auch die Fahrer von BORA-hansgrohe an die vorderste Front.
Der Luxemburger Jempy Drucker zog den Sprint für Pascal Ackermann an, während bei Mitchelton-Scott der mitfavorisierte Italiener Trentin überraschenderweise die Vorarbeit für den Slowenen Mezgec leistete. Als Trentin etwa 150 Meter vor dem Ziel seinen Dienst als vollendet ansah, trat Pascal Ackermann an, während sich Marcel Kittel vom russischen Team Katuscha an sein Hinterrad hängte und Mezgec mit den beiden nicht mithalten konnte.
Auf den letzten Metern hätte Kittel ihn fast noch abgefangen, mit einigen wenigen Zentimetern Vorsprung konnte Ackermann aber noch vor seinem Landsmann die Ziellinie überqueren, um daraufhin sogleich eine Hand vom Lenker zu nehmen und sie zur Faust geballt triumphierend in die Luft zu recken. Denkbar knapp zwar, aber das Ziel ist nun mal da, wo es ist“, bemerkt Pascal Ackermann, der am Ende alles richtig gemacht hatte, die Entfernung für seinen Endspurt gut kalkuliert hatte und den herausgefahrenen Vorsprung retten konnte.
Noch auf dem Fahrrad ließ ein enttäuschter Marcel Kittel, der den Sieg um Haaresbreite verpasst hatte, den Kopf verständlicherweise hängen. Nur wenige Minuten später auf dem Podium konnte er sich aber auch über diesen verdienten zweiten Platz sichtlich freuen. Mit seinem Sieg Anfang Februar beim Trofeo de Palma auf Mallorca hat der Thüringer in dieser Saison ja auch schon ein erstes großes Erfolgserlebnis gehabt.
Auf der Zielgeraden war ich schlecht positioniert und musste erst noch um Pascal herumfahren“, analysiert Kittel den verlorenen Sprint. Wenn man gegen jemanden wie ihn gewinnen will, darf meinen einen solchen Fehler einfach nicht machen“, fügt er hinzu. Das Rennen in Almería wertet Marcel Kittel, weltweit einer der erfolgreichsten Sprinter der letzten Jahre, trotzdem positiv. Es war kein einfaches Rennen und hat mir gezeigt, dass meine Beine richtig gut sind, was mich für die kommenden Aufgaben optimistisch stimmt“, stellt er fest.
Die kommenden Aufgaben hat auch ein nach wie vor erfolgshungriger Pascal Ackermann im Blick, wobei er sogar schon auf die Ende September im britischen Yorkshire anstehende Weltmeisterschaft schielt.
Ich will in diesem Jahr bei der WM angreifen, denn die Strecke mit einem eher welligen Profil liegt mir“, bekundet Ackermann, der schon 2016 bei der U-23 WM die Silbermedaille gewinnen konnte. Irgendwann muss ich mir die WM zum Ziel setzen und warum soll ich noch länger damit warten“, fragt sich das Ausnahmetalent. Nicht auszudenken, was dann in seinem Heimatort Minfeld los wäre, wo Pascal Ackermann eine allgemeine Radsportbegeisterung ausgelöst hat und wo schon jetzt immer wieder Radsportfans aufkreuzen, um sein Geburtshaus zu fotografieren. In der weniger als 2.000 Einwohner zählenden Gemeinde in Rheinland-Pfalz ist bereits eine Straße nach Ackermann benannt worden. Wenn er tatsächlich den WM-Titel gewinnen sollte, könnten die Minfelder ihr Dorf nach ihm benennen wollen.
Zum Finale lieferten sich Ackermann und Kittel ein spannendes Duell