55 Näherungsverbote:
Stadtamt für Gleichberechtigung bekommt weibliche Verstärkung – 55 Näherungsverbote in Calp
Expertinnen von Calps Gleichstellungsamt im Gespräch über Häusliche Gewalt
Calp – ms. 55 Näherungsverbote wegen Häuslicher Gewalt gelten aktuell in Calp. 55 Fälle, in denen Frauen die Erniedrigung und Gewalttätigkeit ihrer Partner nicht mehr ertrugen und Anzeige erstatteten. Sie gehören damit zur Minderheit, sagt Tania Segovia, die als Rechtsberaterin in Calps Stadtamt für Gleichberechtigung arbeitet. Unterstützung erhält sie dort seit kurzem von Sozialarbeiterin Shaila Monasor und der jungen Psychologin Nuria Moya.
CBN: 55 Näherungsverbote – ist das viel für eine Stadt wie Calp?
Tania Segovia: Die Zahl spiegelt wohl etwa ein Zehntel der Realität wider. Die große Mehrheit der Betroffenen zeigt Gewalt in der Partnerschaft gar nicht erst an. Nuria Moya: Oft kommen die Frauen wegen ganz anderer Anliegen. Etwa, weil sie Hilfe bei der Scheidung benötigen. Und im Lauf des Gesprächs stellt sich dann manchmal heraus, dass sie sich trennen wollen, weil Gewalt im Spiel ist. Dann arbeiten wir uns langsam an das Thema heran.
Warum kommen so viele Frauen nicht von ihrem Partner los?
Shaila Monasor: Grund ist in der Regel zum einen die emotionale und zum anderen die finanzielle Abhängigkeit vom Partner. An beiden Aspekten versuchen wir hier
auf sozialer und psychologischer Ebene zu arbeiten.
Täuscht der Eindruck, dass sich manche Frauen aus irgendeinem Grund offenbar immer wieder auf gewalttätige Männer einlassen?
Moya: Es gibt keinen Prototyp Frau, der für Häusliche Gewalt anfällig ist, wenn Sie das meinen. Aber häufig ist eine frühe Beziehung, in der Gewalt auf der Tages- ordnung stand, ein Auslöser dafür, dass das Selbstbewusstsein der Frauen so leidet, dass sie verletzlicher sind. Eine spätere Partnerschaft, in der dann vielleicht nur“psychologische Gewalt herrscht, wird dann als regelrecht normal empfunden. Viele Frauen erleiden anschließend Depressionen oder Angstzustände und manche Aggressoren haben so etwas wie einen Radar“, mit dem sie leichte Opfer erkennen. Oft isolieren sie ihre Partnerin zuerst gezielt, die Frau wird wieder abhängig und die Gesellschaft gibt ihnen sogar noch die Schuld daran. Segovia: Dieses Abhängigkeitsverhalten wird oft als StockholmSyndrom abgetan. Monasor: Aber zum Beispiel bei Missbrauchsfällen in der Kirche, wo die Opfer zum Teil jahrelang schweigen, wird das doch auch nicht einfach so hingenommen. Moya: Hinzu kommt, dass der Anteil falscher Anzeigen wegen Häuslicher Gewalt bei etwa 0,007 Prozent liegt.
In Schulen, Rathäusern und auf Demos – überall ist das Thema Gleichberechtigung präsent. Haben Sie den Eindruck, dass das alles etwas bringt?
Segovia: Auf jeden Fall. Häusliche Gewalt und Gruppenvergewaltigungen gab es schon immer. Aber jetzt herrscht weniger Toleranz und wir nennen das Phänomen bei seinem Namen. Monasor: Trotzdem haben wir noch viel Arbeit vor uns. Man denke an die Ungerechtigkeit in der Arbeitswelt. Und auch wir Frauen tragen übrigens ständig dazu bei, gesellschaftliche Geschlechterstereotype zu bedienen.
Wenden sich auch ausländische Betroffene an Ihr Büro?
Segovia: Unsere Klienten spiegeln die internationale Einwohnerstruktur Calps wider. Etwa 50 Prozent sind Ausländer. Wir sprechen neben Spanisch und Valenciano auch Englisch und behelfen uns notfalls mit Dolmetschern. Eine gute Verständigung ist in solchen Fällen ungeheuer wichtig. An der Sprache soll es nicht scheitern.