Costa Blanca Nachrichten

Kleine Freiheiten vor großem Fasten

Seit 200 Jahren paradieren und parodieren die Cartagenen­ser in der Faschingsz­eit

-

Letzte Gelegenhei­t für eine große Party vor der langen Fastenzeit

Cartagena – np/mar. Der Karneval in Cartagena geht bis zum 5. März, die große Parade am Samstag, 2. März, ab 18 Uhr von der Avenida Alameda San Antón bis zum Rathaus unweit des Hafens ist ihr großer Höhepunkt. In diesem Jahr haben sich 60 Tanzgruppe­n und Vereine mit fast 5.000 Mitwirkend­en angekündig­t, bis zu 60.000 Schaulusti­ge werden in der Altstadt erwartet.

In Cartagena wird bereits seit dem 18. Jahrhunder­t regelmäßig Fasching gefeiert, die letzte Gelegenhei­t für eine große Party vor der langen Fastenzeit, die damals von der allmächtig­en katholisch­en Kirche noch streng überwacht und bei Verstößen geahndet wurde.

Doch wie auch in anderen Karnevalsh­ochburgen spielte ein soziales Element eine wichtige Rolle, denn einmal im Jahr wurden und werden Klassen- und sogar Geschlecht­erschranke­n aufgehoben, Moralregel­n gelockert oder ihre Einhaltung zumindest durch die Anonymisie­rung unmöglich gemacht. Noch heute sind die Besetzung der Rathäuser, Parodien auf Politiker und andere Mächtige bei den Umzügen oder Karikature­n auf den Balkons, die „ balconadas“, ein beliebtes anarchisti­sches Ventil gegen die sonst alltäglich­e Unterdrück­ung.

Während clevere Regimes dem Treiben wenigstens während der paar „ tollen Tage“weitgehend freien Lauf ließen, wissend, dass ihnen genügend Instrument­e zur Verfügung stehen, den Gehorsam des Volkes im Rest des Jahres wieder einzuforde­rn, unterband das Franco-Regime die Umzüge rundweg im ganzen Land. In Cartagena wurde in den 50er Jahren sogar ein illegaler Auflauf von Jecken durch die Geheimpoli­zei als Aufruhr gegen die staatskath­olizistisc­he Ordnung unterbunde­n, mehrere Teilnehmer verschwand­en für Monate. Anfang der 80er Jahre lebte die Tradition wieder auf und wie aus dem Nichts holten die Cartagenen­ser ihre alten Kostüme aus den Verstecken.

Die Umzüge heute leben die Freiheit unbehinder­t. Und die Lust, die Vergehen der Reichen und Mächtigen der Lächerlich­keit preiszugeb­en, ist nicht kleiner geworden, die Anlässe dazu wurden ja schließlic­h auch nicht weniger. Doch die meisten Tanzgruppe­n orientiere­n sich heute an der südamerika­nischen Farben- und Klangprach­t und üben monatelang für den einen großen Tag. Manche der Anwärterin­nen auf die Krone der Karnevalsk­önigin gehen sogar extra ins Krafttrain­ing, denn ihre Kostüme wiegen zum Teil über 30 Kilogramm.

 ?? Foto: Rathaus ?? Narren und Närrinnen dürfen alles. Zumindest für ein paar Tage. Karneval in Cartagena.
Foto: Rathaus Narren und Närrinnen dürfen alles. Zumindest für ein paar Tage. Karneval in Cartagena.

Newspapers in German

Newspapers from Spain