Cambridge dank Mama
Am internationalen Tag der Muttersprache 2019 pendelt Englisch in Spanien zwischen Boom, Wahn und Brexit
Was einen milk coffee“vom herben café con leche“unterscheidet, weiß Kimberley Hood längst. Für die 36-jährige Engländerin aus Alicante ist Spanien zur Heimat geworden. Das zeigt nicht zuletzt ihr Akzent, wenn sie Spanisch spricht, in dem das Britische maximal ein Aroma ist. Nicht üblich ist das bei Briten an der Costa Blanca, die oft allein an der Aussprache im Spanischen verzweifeln. But who cares?
Denn in der Regel kommen sie in ihrer Muttersprache weit genug. Englisch scheint Europa vollends erobert zu haben, ob als EU-Sprache oder an Schulen. Doch Anderes sagt der Brexit: Am 29. März schrumpfen die englischen Muttersprachler in der EU gehörig auf nur noch ein Prozent. Spielt das wohl eine Rolle in Spanien?
Gerade hier ließ die Krise die universelle Sprache der Briten als Rettungsweste gegen den sozialen Abstieg erscheinen. Der Englischboom nahm so durchaus Züge eines Wahns an. 2013 war für das spanische Verhältnis zu Englisch ein besonderes Jahr, auch wegen des berühmten café con leche“.
Gerade das junge Spanien hatte in der Zeit des Abstiegs realisiert, dass es ohne Orientierung ins Ausland nicht gehen würde. In die Suche nach dem letzten Rest Würde platzte Ana Botella, Bürgermeisterin von Madrid, als sie sich mit ihrer Stadt in Argentinien für Olympia 2020 bewarb.
Ganz Spanien verbarg vor dem Fernseher das Gesicht in der Hand
Facepalm“, wie man heute sagt. Hochpeinlich war dem Land die auf English dargebotene Rede. Botellas Auftritt war nicht nur erfolglos, sondern rührte gehörig spanische Fremdsprachenkomplexe auf.
Zum einen verkörperte Botella, Jahrgang 1953, Generationen von Spaniern, die Englisch nie wirklich gelernt hatten. Die Rede war beileibe nicht schlecht, denn von ihrem Sprachtrainer verfasst, und auch verständlich und grammatisch korrekt. Rhetorisch richtig war es auch, Café con leche on the Plaza Mayor“zu sagen statt Milk coffee on the Main Square“. Doch die Theatralik der Madrider Bürgermeisterin zeigte: Es war ein auswendig gelernter Text, in einer Sprache, in der sich Botella unwohl fühlte.
Die riesige Häme der Spanier zeigte aber auch, wie wenig viele inhaltlich vom Text im klaren Englisch verstanden hatten. Irgendwie ging da ein Ruck durchs TV-Publikum. So wie eine Botella
oder ein Rajoy („It’s very difficult todo esto“) dastehen wollte niemand mehr. Auf die neue englische Welle setzte auch Kimberley Hood, die 2013 die Sprachschule Language10“in Alicante eröffnete. Solche privaten Academias de idiomas“gab es in der Stadt schon zuhauf. Vor allem für Englisch, ab 2011 aber, als Angela Merkel spanische Fachkräfte einlud, vermehrt auch für Deutsch.
Doch Hood setzte voll auf Englisch und hatte als Muttersprachlerin den Bonus native speaker“. Der zog beim Publikum ja besonders. Das zeigten allein die Werbeplakate der vielen Academias in der City.