Ein Muss für Kunstfreunde
Málaga hat sich im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte zur Kulturhauptstadt gemausert – ein attraktives Angebot lockt
„ Ein Traum ist unerlässlich, wenn man die Zukunft gestalten will“, diesen weisen Satz hat der französische Poet Victor Hugo irgendwann im 19. Jahrhundert gesagt. Auch der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe hat seine Meinung zu Träumen in Worte gefasst. Der Satz „ Träume keine kleinen Träume, denn sie haben keine Kraft“, stammt aus seiner Feder.
Beide Zitate scheint sich Francisco de la Torre zu Herzen genommen haben, als er vor knapp zwei Jahrzehnten Bürgermeister von Málaga wurde. Damals hatte der PP-Politiker einen großen Traum: Er wollte seinen Geburtsort in eine Kulturhauptstadt verwandeln und dem bis dahin eher auf Sonne und Meer ausgerichteten Tourismuskonzept einen qualitativen Schub verleihen, der auf internationalem Niveau Widerklang finden sollte. De la Torre wollte sich nicht damit begnügen, auf ein Zentrum für kontemporäre Kunst zu zählen, in dem zu dieser Zeit hauptsächlich avantgardistische Künstler aus anderen Teilen Spaniens ausgestellt wurden. Auch die Stiftung, die Werke des renommierten Künstlers Pablo Ruíz Picasso in dessen Geburtshaus an der Plaza de la Merced zeigte, reichte ihm nicht. Der Bürgermeister hatte eine Vision und diese setzte er um: In nur wenigen Jahren gelang es ihm, Málaga in eine Stadt der Museen zu verwandeln.
Im Oktober 2003 wurde im Palacio de Buenavista das Museo Picasso Málaga eröffnet, das nach seiner Reorganisation im Jahr 2017 in noch modernerem Glanz erstrahlt und dessen Sammlung um zahlreiche Kunstwerke erweitert wurde. Knapp 300 Werke Picassos in unterschiedlichen Techniken und Stilen und aus diversen Epochen seines künstlerischen Schaffens wurden zusammengetragen. Ein Kunsttempel, der in Andalusien Besucherrekorde schlägt: 2017 kamen beispielsweise genau 635. 891 Picasso-Fans.
2011 legte sich Málaga eine weitere Kulturattraktion zu, das Museo Carmen Thyssen, das im Palacio de Villalón eröffnet wurde und in dem mehr als 250 Werke aus der Kollektion der Baronin Carmen Thyssen-Bornemisza zu sehen sind. Diese gehören zu einer der wichtigsten Sammlungen spanischer und andalusischer Kunst vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn der Moderne im 20. Jahrhundert.
Im März 2015 zogen schließlich die Russen in Málaga ein, die in der früheren Tabakfabrik, die 2004 in den Besitz der Stadt überging, eine Filiale des Museums von Sankt Petersburg eröffneten, die erste in Europa. Dort laufen derzeit drei Ausstellungen, die entweder bis September dieses Jahres oder sogar bis Februar 2020 präsentiert werden. Alle ranken sich um das Thema, welche Rolle die Frau in den vergangenen Jahrhunderten in der russischen Kunst und Gesellschaft gespielt hat.
Modern und durchgestylt
In unterschiedlichen Bereichen des wunderbar modernen und durchgestylten Museums kann der Besucher in die jeweiligen Kunstepochen eintauchen. Im Saal „ Santas, Reinas y Obreras“(Heilige, Königinnen und Arbeiterinnen) werden Werke russischer Maler von Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts gezeigt, die sich mit dem Frauenbild zu Zeiten der Schriftsteller Puschkin, Tolstoi oder Dostojewski beschäftigen.
Eine Epoche, in der Frauen in Russland ein hartes Leben führten
und noch kein Recht auf eine Ausbildung oder einen Platz im gesellschaftlichen Leben hatten. Parallel zog im Verborgenen jedoch der emanzipatorische Gedanke bereits seine Kreise. Vor allem in der Welt der Literaten und Künstler.
Tradition und Moderne
In einem anderen Saal können die Besucher Werke von russischen Künstlerinnen aus der Kollektion Krystyna Gmurzynska bewundern, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erschaffen und von Gmurzynskas Mutter Antonina, einer der ersten okzidentalen Sammlerinnen dieses Genres, zusammengetragen wurden. Diese Ausstellung ist bereits durch diverse europäische Länder gereist und in zahlreichen Büchern und Katalogen erwähnt.
Direkt an diesen Saal schließt sich die Ausstellung „ Libres y Decisivas“(Frei und entschlossen) an, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Betrachter in die Welt der russischen Künstlerinnen einzuführen, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit starker Ausdruckskraft, Tiefe und auch Leichtigkeit zwischen Tradition und Avantgarde bewegten.
Málaga kann sich ohne Übertreibung als Kultur-Mekka bezeichnen und ist ein Muss für jeden spanischen, europäischen oder internationalen Kunst- und Kulturinteressierten. Nicht nur die Museen haben Anziehungskraft, auch die schön restaurierte Altstadt, in die in den vergangenen Jahren Millionenbeträge aus dem EUFonds Feder flossen, viele andere historische Highlights, sowie das musikalische und gastronomische Angebot sind nicht von schlechten Eltern.
Die Umsetzung von de la Torres Traum verschlang mehr als 100 Millionen Euro. Und auch der Etat, den die Stadtverwaltung dem Kulturressort jährlich zukommen lässt, kann sich sehen lassen: 2019 beläuft sich dieser auf 15 Millionen Euro – von denen allerdings fast zwei Drittel den Oster-Bruderschaften zugute kommen.
Konzept ging auf
Aus der Portokasse kann das nicht bezahlt werden, doch diese Investitionen scheinen sich gelohnt zu haben – und nach wie vor zu lohnen. De la Torre hat Anfang des neuen Millenniums offensichtlich den Stein der Weisen für Málaga entdeckt. Denn die Museen locken immer mehr Urlauber an. 2018 kamen drei Millionen Besucher, die sich für das vielfältige und qualitativ hochwertige Kunstangebot interessierten. Das kurbelte die Wirtschaft enorm an, die Kassen klingelten dank eines Umsatzes von 547 Millionen Euro fröhlich.
Ein Besuch in Málaga lohnt also auf jeden Fall, selbst wenn man aus entfernteren Ecken Spaniens anreisen muss. Das gilt für alle Liebhaber der Kunst und diejenigen, die es noch werden möchten.