Im TV vergewaltigt
Südliche Provinz beendet 2019 nach Flutkatastrophe schwer angeschlagen – Landwirte kritisieren Politik
Was ist bei „ Big Brother“gelaufen? Die Staatsanwaltschaft klagt einen Teilnehmer der TV-Show wegen sexueller Belästigung einer volltrunkenen Kandidatin an, die sich nicht wehren konnte. Die Produktionsfirma schritt nicht ein. Sie konfrontierte das verstörte Opfer am Folgetag mit den Szenen – natürlich vor laufender Kamera.
Alicante – sw. Das Jahr des Jahrhundertgewitters ist also vorbei. Der heftigste Regen seit 140 Jahren ließ im September den Süden der Provinz Alicante schwer getroffen zurück. Drei Menschen starben, 200.000 Menschen verloren Besitz, die Schäden beliefen sich auf mindestens 1,5 Milliarden Euro. Längst sind nicht alle Spuren der Katastrophe beseitigt, wie man feststellt, wenn man im Raum Dolores oder Almoradí umherfährt.
Zumindest treffen nach und nach die finanziellen Hilfen der Verwaltungen ein. Das Land Valencia hat in diesen Tagen 7,4 Millionen Euro für die Rathäuser besonders getroffener Orte bestimmt. Laut Beschluss vom 5. Dezember, der nun im Amtsblatt erschien, werden 22 Gemeinden begünstigt, die ExtraKosten während und nach der Notlage stemmen mussten, 19 in der Provinz Alicante, 15 in der Vega Baja.
Felder voller faulender Früchte
Bis 26. Februar 2020 haben die Rathäuser Zeit, gegenüber der Landesagentur für Sicherheit und Notfälle die Beträge zu begründen. Mit 3,2 Millionen Euro erhält wie erwartet Orihuela den höchsten Betrag, gefolgt von Santa Pola mit 1,5 Millionen und Almoradí mit 389.000 Euro. Der Großteil des Geldes deckt Zahlungen für Maschinen und Fahrzeuge, sowie Geräte und Werkzeuge, um Straßen und Wege freizuräumen.
Doch es gibt auch Kritik. Orihuelas Bürgermeister Emilio Bascuñana (PP) beschuldigte Landeschef Ximo Puig (PSOE), nicht rechtzeitig notwendige Dokumente für EU-Hilfen abgeschickt zu haben. Einen Antrag für die von Brüssel versprochenen Solidaritätszahlungen hatte die Zentralregierung am 28. November gestellt.
In der Antwort versicherte die EU, den Antrag zu prüfen und möglichst rasch zu erfüllen – aber auch eine Absage sei bei mangelnden Begründungen möglich. Puig beantwortete den Vorwurf nicht, sondern wies darauf hin, dass seine Landesregierung seit der Katastrophe den Weg für über 100 Millionen Euro freigemacht hätte, darunter die bereits geflossenen Direktzahlungen an Haushalte, die lebensnotwendige Güter verloren hatten.
Zusätzlich zu den 100 Millionen kündigte Puig 30 Millionen Euro an, um landwirtschaftliche Schäden, die nicht von Versicherungen gezahlt werden, zu erstatten. Die Gelder sind schwer nötig. „ Un año para olvidar“, Ein Jahr zum Vergessen, hätten Alicantes Landwirte erlebt, schrieb Eladio Aniorte vom Bauernverband Asaja in einem vielzitierten Kommentar.
Ein „ annus horribilis“sei 2019 bereits ohne das Katastrophengewitter Dana gewesen. Denn schon zuvor war klar, dass etwa die Zitrusfrüchte die schlechteste Ernte seit 15 Jahren einfahren würden. Grund sei die Überflutung des Marktes mit „ massiven Importen“aus Südafrika. Mit diesen Produkten, die weder die hiesigen sanitären noch arbeitsrechtlichen Bedingungen erfüllen müssen, könnte das an der Costa Blanca kultivierte Obst und Gemüse nicht mithalten.
„ Wie oft sah ich Felder voller faulender Früchte – einfach weil es sich nicht lohnt, sie einzusammeln“, schreibt Aniorte. 30 Prozent weniger als im Jahr zuvor hätte der Sektor 2019 eingenommen – und 123 Millionen Euro verloren. Besonders hart ging Aniorte mit der EU-Handelspolitik ins Gericht.
„ Europa gebraucht uns als Wechselstube für Traktate und Wirtschaftsinteressen mit Drittländern
– in aller Ruhe, da unsere Vertreter in Brüssel nicht ein Stück Widerstand zeigen.“So sei die Dana im September auf eine „ sehr, sehr angeschlagene Landwirtschaft“herabgefallen. 500 Liter Regen pro Quadratmeter an zwei Tagen – zu viel für die laut Aniorte mangelhaften Infrastrukturen am Segura.
„ Alle sahen, dass die Katastrophe erst richtig losging, als der Regen vorbei war – weil das Ufer an mehreren Stellen brach.“Das Vertrauen in die Verwaltungen sei erschüttert. 550 Millionen Euro Verluste durch Dana hätte Asaja für die Landwirtschaft errechnet. „ Und heute, drei Monate später, haben wir null Hilfen bekommen, weder aus Madrid noch aus Valencia.“Es sei gut, dass 2019 endlich vorbei ist.
Schon vor der Dana war 2019 für die Bauern ein „Horrorjahr“.