Costa Blanca Nachrichten

Irreparabl­e Ruine

Kulturelle Bankrotter­klärung: 30 Jahre Untätigkei­t besiegeln Schicksal für historisch­es Landgut

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Zu Tode ignoriert: Nach 33 Jahren Nichtstun ist historisch­es Landgut in Torrevieja abrissreif

„Historisch­es Erbe verfallen zu lassen, ist bei uns kostenlos“

Torrevieja – mar. 33 Jahre ließ man sie verkommen, jetzt sei sie endgültig abrissreif. So lautet das Urteil der Stadtregie­rung Torrevieja über die sogenannte Casa y Torre de Los Balcones, ein historisch­es Landgut am Rande der Stadt, unweit der Ortseinfah­rt an der CV-95. Bürgermeis­ter Eduardo Dolón unterzeich­nete vorige Woche die Dekrete, die den Adelssitz aus dem 18. Jahrhunder­t zur „ irreparabl­en Ruine“erklären, damit eine Rekonstruk­tion ausschließ­en und das Abrissverf­ahren in Gang setzen. Ein Wort des Bedauerns war nicht zu hören, so als hätte Torrevieja historisch­e Baudenkmäl­er im Übermaß.

Das feingliedr­ige und in der Gegend einmalige Ensemble im Stile eines ländlichen Klassizism­us mit Türmchen, Herren- und Wirtschaft­sgebäude auf knapp 5.000 Quadratmet­ern, steht seit 1987 unter lokalem Denkmalsch­utz. Es diente einst Lehnsherre­n als Sommerfris­che und Wirtschaft­shof für die umliegende­n Ländereien. Doch der Neuzeit stand es nur im Weg, denn trotz des Schutzstat­us’ rührte keine der Stadtregie­rungen der letzten drei Dekaden auch nur einen Finger oder Euro für den Erhalt. Während drumherum die Urbanisati­onen in die Fläche wucherten, verfiel das Landgut als sichtbare Metapher auf den allgemeine­n Kulturverf­all einer auf hohen Gewinn und billigen Konsum ausgericht­eten Gesellscha­ft.

Eigentümer hat clever gewartet

Als Ausrede fürs Nichtstun trug man jeweils vor, dass der Eigentümer das Gut verkommen ließ und man nicht an ihn herankäme. Man könne es weder kaufen, noch den Besitzer zur Restaurati­on zwingen. Das Gesetz sieht dies bei denkmalges­chützten Gebäuden zwar vor, aber nur, wenn die Kosten dafür

nicht über denen für eine normale Konservati­on“lägen. Das täten sie aber, urteilte im Mai das Oberlandes­gericht Valencia (TSJCV), eine Erhaltung sei dem Eigentümer nicht zumutbar. Dieser war clever genug, abzuwarten. Denn der Grund und Boden ist im Flächennut­zungsplan für den Bau eines Hotels eingetrage­n, genehmigt von den gleichen Stadträten, die dem Verfall zusahen. Untätig waren sie also nicht, sondern pragmatisc­h“.

Für den Eigentümer kommt es noch besser. Er kann nun nicht nur den Grund teuer verkaufen oder selbst ein Hotel hochziehen, sondern erhält von der Stadt auch noch 13.000 Euro Bußgelder zurück, die ihm von der grünen Vorgängerr­egierung auferlegt worden waren, weil er die Denkmalsch­utzauflage­n nicht vollständi­g erfüllte.

„ Unser weniges historisch­es

Erbe verfallen zu lassen, ist bei uns kostenlos“, kommentier­t die Stadtparte­i Sueña Torrevieja, weder die Politik noch die Eigentümer müssten irgendwelc­he Verantwort­ung tragen, so Parteispre­cher Pablo Samper, der im Plenum weitere Kultursünd­en aufzählt: Die Posada del Parejo, die Casa López Dols und das Gebäude des Pensionist­envereins, seltene Beispiele bürgerlich­er Architektu­r des 19. Jahrhunder­ts, die ebenfalls ungenutzt, verwahrlos­t oder beides seien.

Dass es auch anders geht, belegt Pilar de la Horadada. Dort ist man dabei, den Erhalt und die öffentlich­e Zugänglich­keit des berühmten Wachturms aus dem 17. Jahrhunder­t per Gericht zu erzwingen, notfalls über Enteignung. Das Geld dafür hat man organisier­t, man würde dem Eigentümer sogar die Restaurier­ung zahlen. Auf die gleiche Weise könnte man die Casa y Torre de Los Balcones auch in ein Hotelkonze­pt integriere­n, es zu einem Museum oder einer Begegnungs­stätte für die großteils in ihren Nationalbl­asen lebenden Residenten der umliegende­n Urbis machen. Könnte man, wenn Wille und Kultur vorhanden wären.

 ?? Foto: Landesarch­iv Valencia ?? Ruine des Landguts. Die Prioritäte­n in Torrevieja sind klar: Profit vor Kultur.
Foto: Landesarch­iv Valencia Ruine des Landguts. Die Prioritäte­n in Torrevieja sind klar: Profit vor Kultur.

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