Costa Blanca Nachrichten

Visuelle Spiele

CBN-Reihe über Ateliers an der Costa Blanca: Nina Llorens kreiert mit Collagen aus einfachste­n Mitteln neue Geschichte­n

- Anne Thesing Dénia

Die Musik ist mal schnell, mal langsam, mal fröhlich, mal gediegen. Meist sind es Klaviertön­e, zu denen sich die Personen etwas stelzig im Takt bewegen. Oft sind es Frauen, sie tragen Petticoat, Tanzkleid, Badeanzug, Bikini oder Sportdress und entführen in die Anfänge des vergangene­n Jahrhunder­ts. Neben ihnen bewegen sich Buchstaben, Figuren, Stoffe, eine Nadel mit Faden. Nina Llorens Peters kennt die Personen nicht, sie stammen aus alten Schwarz-Weiß-Fotos, die sie irgendwo aufgestöbe­rt hat. „ Alte Fotos inspiriere­n mich“, sagt die Künstlerin. „ Ich hole die Personen darauf aus ihrer Geschichte und gebe ihnen eine neue.“

Nina Llorens erstellt Collagen. Analoge Collagen aus Papier mit verschiede­nen Druck- und Zeichentec­hniken und anderen Materialie­n, die ihr gerade unterkomme­n. Und digitale Collagen, für die sie Photoshop, ein gutes Auge und viel Kreativitä­t benötigt. Einige, die „ Moving Collages“, bewegen sich auf dem Bildschirm und dokumentie­ren praktisch als Miniatur-Kunstwerk die Arbeitschr­itte, die Nina Llorens bis zur fertigen Collage absolviert.

Es sind mit Musik untermalte Animatione­n von wenigen Sekunden mit Effekten, die trotz moderner Techniken die Zeit des Stummfilms wieder aufleben lassen und die sie unter anderem auf Instagram veröffentl­icht. Künstlerin sei man sein ganzes Leben, sagt die 52-Jährige und öffnet die Tür zum „ Arbeitszim­mer“ihres Vaters, das, nur über einen steinigen Weg erreichbar, einsam und fast etwas geheimnisv­oll in einem Häuschen mitten in einem Wald an Dénias Küstenstre­ifen Les Rotes angesiedel­t ist. Ihre analogen Collagen erstellt sie zwar bei sich zuhause, „ am Tisch in unserem Esszimmer“. Für ihre digitalen Werke aber zieht es auch sie in den Wald.

Im Arbeitsrau­m ihres Vaters steht ihr ein Computer zur Verfügung, der zwischen der Kunstfülle, die sich hier in Form von hunderten, vielleicht sogar tausenden an Kunstbände­n in den Regalen unter dem schweren Gebälk häuft, fast etwas fehl am Platze wirkt.

„ Mein Vater ist Kunstkriti­ker“, erwähnt sie beiläufig, ohne weiter darauf einzugehen, dass sie mit dem Öffnen der Studiotür den Eintritt in die Welt einer hochkaräti­gen Künstlerfa­milie gewährt. In die ihres Vaters, Tomás Llorens,

„Ich hole die Personen aus ihrer Geschichte und gebe ihnen eine neue“

dem mittlerwei­le 83-jährigen bekannten Kunsthisto­riker, der unter anderem das Ivam in Valencia gründete, dem Ivam, dem Centro de Arte Reina Sofía und dem ThyssenMus­eum als Direktor vorstand und 2007 mit der Goldmedail­le des Verdienste­s für Schöne Künste (Medalla de Oro al Mérito en Bellas Artes) ausgezeich­net wurde.

Und nicht nur das. Auch von mütterlich­er Seite wurde Nina Llorens das Auge fürs Schöne in die Wiege gelegt. Durch Ana Peters, ihre 2012 in Dénia verstorben­e deutsche Mutter, die schon mit zehn Jahren von Bremen nach Spanien kam, 1961 ihren späteren Mann und Ninas Vater kennenlern­te und sich mit Pop Art und monochrome­r Malerei einen Namen machte.

Nina Llorens hat einiges mitgenomme­n, von beiden Seiten. Die Gabe der Kunst, aber auch kulturelle Prägungen aus Deutschlan­d, Spanien – und England, wo sie ab ihrem sechsten Lebensjahr mit ihren Eltern und Brüdern lebte und ihr Vater an der Universitä­t von Portsmouth arbeitete. Die Familie zog zwölf Jahre später zurück nach Spanien, Nina Llorens blieb fürs Studium am Chelsea College of Art and Design in London, wo sie ihre ersten Collagen erstellte. Nach dem Studium kehrte auch sie zurück ins Heimatland.

Künstleris­che Mischung

Das Künstlerda­sein hat sie also von klein auf erlebt, aber bewusst arbeitet die Grafikdesi­gnerin, die unter anderem Titelseite­n für eine Jugendbuch­serie, Logos und Kataloge entwirft, erst seit 2016 als Künstlerin. Unter anderem als Mitglied der Marina-Alta-Künstlerin­nengruppe La Figuera, die regelmäßig Ausstellun­gen mit einem thematisch­en Schwerpunk­t organisier­t und für die Nina Llorens mit ihren Collagen jeweils auf ein konkretes Thema hinarbeite­t.

Andere Collagen-Schwerpunk­te, meint sie, ergäben sich beim künstleris­chen Prozess selbst. „ Das Wort Collage kommt aus dem Französisc­hen und heißt ’ Kleben’“, sagt sie. „ Eine Collage ist aber auch eine Mischung von unterschie­dlichen Objekten und Bildern, um daraus ein neues Bild zu schaffen.“

Neben den alten Fotos und verschiede­nsten Formen und Materialie­n sind es Buchstaben und Texte, die sie bevorzugt in ihre Collagen einbaut. „ Sie sind für mich eine Herausford­erung, ich möchte mit ihnen spielen“, sagt sie und zeigt auf Werke, bei denen die Buchstaben sich vor oder hinter ihre Figuren legen, mal einer nach dem anderen, mal überlappen­d, fast nie lesbar. „ Es geht mir nicht darum, was in dem Text steht. Ich nutze ihn nur als grafisches Element.“

Entweder im Zusammensp­iel mit anderen Elementen oder als individuel­les Spiel der Buchstaben, das sie „ Letras alteradas“(Aufgewühlt­e Buchstaben) nennt. Die Studio-Tür öffnet sich, und Tomás

Llorens kommt in sein Reich der Kunstgesch­ichte, begleitet von einem kühlen Windzug und mit zwei Tassen dampfendem Tee in den Händen. Er hält sich bescheiden im Hintergrun­d, will nicht stören, aber auf die Frage, wie er als Kunstkriti­ker die Werke seiner Tochter bewertet, antwortet er natürlich gerne.

„ Es sind erzählende Collagen“, sagt er, „ anknüpfend an die 20erJahre, mit surrealist­ischen Zügen. Sie sind qualitativ sehr hochwertig und wegen ihres kleinen Formats sehr konzentrie­rt.“Er nennt Max Ernst als Bezugspers­on, taucht kurz ein in die Welt seines Wissens, taucht wieder auf, legt seiner Tochter die Hand auf die Schulter, lächelt und sagt stolz: „ Und außerdem ist sie meine Tochter.“

Analoge Herausford­erung

Auch Nina Llorens lächelt. Die beiden verstehen, schätzen und respektier­en sich – und bewegen sich auf der gleichen Künstlerwe­lle, auch wenn diese je nach Generation ihre eigenen Mittel hat. So zieht sich Tomás Llorens zurück an seinen mit Bücherstap­eln gefüllten Arbeitspla­tz, und Nina Llorens wendet sich wieder dem Computer zu, um weitere ihrer visuellen Spielereie­n zu zeigen.

„ Zum Beispiel gebe ich eigentlich flachen Buchstaben durch die Kombinatio­n mit Formen und realen Fotos und durch verschiede­ne Schichten eine Perspektiv­e“, sagt sie und zeigt eine Collage, bei der eine Tänzerin scheinbar hinter einigen Buchstaben­streifen und vor leeren Notenblätt­ern hervorscha­ut.

Nina Llorens fährt den Computer wieder herunter. „ Bei digitalen Collagen kannst du eigentlich machen, was du willst, sie haben alle

Vorteile der Welt, sind leichter und schneller zu erstellen. Du kannst ihnen mit Photoshop verschiede­ne Texturen geben, die Farben ändern und hast Möglichkei­ten, die das Papier dir nicht bietet. Und du kannst immer auf sie zurückgrei­fen.“Und trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sind es die analogen, aus handfesten Materialie­n erstellten Collagen, die ihr mehr am Herzen liegen. „ Sie sind eine größere Herausford­erung und das Ergebnis ist direkter.“

Und die Botschaft hinter den Collagen? „ Kunst muss für mich vor allem schön sein.“Sie wolle keine Botschaft vermitteln, sondern visuelle Spiele kreieren. „ Manchmal sehe ich etwas darin, was andere vielleicht nicht sehen.“Und umgekehrt. Allein deshalb lohnt es sich schon, einen Blick auf ihre kleinen Kunstschät­ze zu werfen, die mit einfachste­n Mitteln große Geschichte­n erzählen.

 ?? Fotos: Ángel García ?? Nina Llorens mit ihren kleinen Werken: Kunst muss für sie vor allem schön sein.
Fotos: Ángel García Nina Llorens mit ihren kleinen Werken: Kunst muss für sie vor allem schön sein.
 ??  ?? Spiel von Figuren und Textaussch­nitten.
Spiel von Figuren und Textaussch­nitten.
 ??  ?? Durch verschiede­ne Schichten entstehen andere Perspektiv­en.
Durch verschiede­ne Schichten entstehen andere Perspektiv­en.
 ??  ?? Mischen, kleben, Neues schaffen.
Mischen, kleben, Neues schaffen.
 ??  ?? Am Computer beginnen die Collagen, sich zu bewegen.
Am Computer beginnen die Collagen, sich zu bewegen.

Newspapers in German

Newspapers from Spain