Glorias Krater
Erste Strandlinie wird zur Gefahr – Die Gota fría „Gloria“richtet Schäden in Höhe von über 15 Millionen Euro in Valencia an
Sturmtief „Gloria“riss ganze Strände und Vorgärten weg, überflutete Häuser und Geschäfte, hinterließ Tote. Jetzt heißt es aufräumen, Schäden beziffern und der Frage nachgehen, wie solche Katastrophen künftig verhindert werden können.
Zum dritten Mal in einem Jahr steht Los Alcázares unter Wasser
Valencia – red. Das Sturmtief „ Gloria“hat eine Schneise der Verwüstung entlang der Mittelmeerküste hinterlassen: Trümmer, Ruinen, Zerstörung – und auch eine gewisse Resignation, mit der Menschen übermächtigen Naturgewalten gegenüberstehen. „ Gloria“riss 14 Menschen in den Tod, 83 Verletzte blieben nach dem Unwetter vom 19. bis 25. Januar zurück und zwei Menschen werden noch von ihren Familien vermisst. „ Gloria“war eines der schlimmsten Unwetter in diesem Jahrhundert. Und in irgendeiner Form wird es wiederkommen.
„ Wir müssen einsehen, dass solche extremen Wetterphänomene häufiger an der Mittelmeerküste auftreten werden. Sie werden schwere Schäden verursachen und Menschenleben kosten. Die Behörden müssen dringend an den Klimawandel angepasste Hochwasserschutzpläne erarbeiten, die klar festlegen, wie die Stadt- und Gebietsplanung künftig aussehen muss“, sagte Jorge Olcina, Leiter des Klimainstituts der Uni Alicante.
Den Casas del Pinet in Elches erster Strandlinie schlägt das letzte Stündchen. „ Gloria“warf kindskopfgroße Felsbrocken in die Verandas der malerischen Häuser, unterspülte den Grund so gründlich, dass der Felsen, auf dem die Häuser gebaut sind, blank liegt. „ Die Schäden an öffentlichem und privatem Eigentum gehen in die Millionen, am stärksten betroffen sind die Häuserzeilen aus den 80er Jahren“, erklärt Carlos González, Bürgermeister von Elche, bei einem Rundgang. Ihm geht es hier nicht mehr nur um die Frage der Lebensqualität, sondern um die Sicherheit der Bewohner.
Noch während der Bürgermeister seine Statements in die Kameras spricht, sieht man Bewohner das Innere ihrer überfluteten Häuser trockenlegen und reinigen, als könne man das Unvermeidliche mit einem Wischmop verdrängen. Und hier wird sogar weiter gebaut. Das Hotelprojekt Arenales der Firma Princesol steht ebenfalls direkt am Strand. Umdenken sieht anders aus, was für die Bau- und Siedlungspolitik im Norden der Costa Blanca genauso gilt wie für den Süden. Am Las-Marinas-Strand in Dénia machte der Vizepräsident der spanischen Regierung, Pablo Iglesias (Unidas Podemos), „ das Scheitern des Stadtentwicklungsmodells mittels großer Siedlungsprojekte“aus.
Was die Sachschäden durch „ Gloria“betrifft, so beziffert das Versicherungskonsortium sie derzeit auf 76 Millionen Euro in Spanien. Allein in der Region Valencia zeichneten die darin vertretenen Gesellschaften 11.600 Schadensmeldungen auf, was einem Geldbetrag von 15,3 Millionen Euro entspricht. Dieser entstand unter anderem aufgrund von rund 4.000 Überschwemmungen, 3.800 Gebäudeschäden und 300 kaputten Autos. Diesmal mussten Dénia in der Marina Alta, Daimús in der Provinz Valencia und Peñíscola in Castellón am meisten unter dem Unwetter leiden – den nackten Zahlen der Versicherungsgesellschaften zufolge jedenfalls. Wahrscheinlich aber blickt ein Einwohner von Los Alcázares am Mar Menor, der nun zum dritten Mal in weniger als einem Jahr den Schlamm aus seinem Wohnzimmer schippt, dem Desaster mit anderen Augen ins Gesicht als ein Versicherungsangestellter. Der Ortskern steht inzwischen regelmäßig nach heftigen Regenfällen unter Wasser, weil er direkt im Abflussgebiet mehrerer Ramblas liegt. Die Anwohner fordern Hilfe vom Staat, der über die Flüsse waltet. Doch nicht Madrid ließ die Urbanisationen ohne ordentliche Drainage und Auffangstationen erbauen. Die Genehmigungen dafür erteilten jene Kommunen und die Regionalregierung, die jetzt von Madrid eine Lösung fordern und die Bürger als Opfer vorschieben.
Das Rathaus in Dénia beziffert die Unwetterschäden auf 1,24 Millionen Euro. Das Las-Marinas-Gebiet und auch die Marineta Cassiana und das angrenzende Las Rotas hat es heftig erwischt. Nun versucht die Stadt Dénia ebenso wie die Nachbarn Jávea und Calp, die gröbsten Schäden in Windeseile zu beheben. Ostern steht nämlich vor der Tür. „ Wir können davon ausgehen, dass die Strände weitgehend wieder hergestellt sein werden, wenn die ersten Osterurlauber eintreffen“, sagte Dénias Strandstadtrat Pepe Doménech.
Viel zu tun bleibt in Les Deveses. Viele Häuser in erster Linie trennen nur noch wenige Meter Strand von der Brandung. „ Gloria“rauschte hier mit über 100 Sachen entlang und verwandelte die Gebäude in ein Trümmerfeld, ähnlich wie vor etwa drei Jahren. „ Diesmal hat es uns voll erwischt“, sagt María Alemany. „ Das Haus gehört unserer Familie seit 70 Jahren. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als wir dort über die Dünen wanderten und noch Feste veranstaltet wurden. Damals war der Strand über 300 Meter breit.“Jetzt muss er regelmäßig mit Sand aufgeschüttet werden, doch mit jedem Unwetter
nimmt das Meer ihn wieder mit und rückt unaufhaltsam näher an die Häuser heran – ähnlich wie das an der Playa Babilonia in Guardamar der Fall ist.
Nicht nur der Klimawandel bedroht die erste Strandlinie. Viele Strände schwinden, weil die Sedimente sich nun vor Wellenbrechern oder den Molen der Sporthäfen ablagern. Letztendlich speisen die Flüsse Júcar, Turia und Serpis die Strände, aber die Strömungen stoßen auf zahlreiche Hindernisse und können die Sedimente dort nicht mehr ablagern. Auch die Dünen können aufgrund der vielen Bebauung nicht mehr so viel wie früher zur Regeneration der Strände beitragen. All das führt dazu, dass an einigen Stellen die Bewohner in erster Strandlinie zunehmend gefährlich leben. „ Dort müssen die Behörden mit den Eigentümern verhandeln und sie zur Umsiedlung bewegen“, sagte Klimaforscher Jorge Olcina.
Keine Panik schüren
Niemand will Panik schüren. Selbst Meteorologen hüteten sich davor, „ Gloria“so zu benennen wie ihre gefürchteten Vorgänger. Man wollte Panik vermeiden nach der Dana im September in der Vega Baja. „ Gloria war eine neue Gota fría oder Dana, eine klassische Situation, nur wollte niemand diese Begriffe verwenden“, sagte Samuel Biener, Geograph und Klimatologe an der Universität Alicante. Wie aber sich dagegen rüsten? „ Wir haben an der Mittelmeerküste eine sehr komplizierte Situation. Es werden Gesetze wie Patricova oder Pativel gemacht, die gut sind. Aber sie kommen zu spät, denn praktisch die ganze Küste ist bereits bebaut. Es ist viel teurer, alles niederzureißen, wasdas Idealste wäre, als Anpassungsmaßnahmen für das zu unternehmen, was schon da ist“, sagt Biener. Mit Prävention, Aufklärungsarbeit und einem Bewusstsein für Gefahr kann man diesen Unwettern seiner Ansicht nach begegnen. Der Wiederaufbau stellt einige vor große Probleme, etwa den Club Náutico Les Bassetes, dem „ Gloria“in Benissa die größten Schäden zufügte. Das Rathaus beziffert die Gesamtschäden am Hafen in einem provisorischen Gutachten für die Regierungsvertretung in Alicante auf 530.000 Euro.
Das Unwetter zerstörte nicht nur die Dämme, sondern auch Einrichtungen wie Restaurant und Tauchschule. Nun muss der Hafen ausgebaggert und gesäubert werden. „ Wir sind bereit zu investieren“, sagte der Verwalter des Clubs, Francisco Cabrera, gegenüber der Presse über die Bereitschaft der Club-Mitglieder, ihren finanziellen Beitrag zu leisten. „ Aber wir brauchen Garantien, zum Beispiel, dass sie uns 15 Jahre geben oder direkt eine neue Konzession über 30 Jahre.“Das Dilemma des Clubs: Die Konzession, die früher immerhin für ein Jahr vergeben wurde, werde mittlerweile monatlich erneuert. Jegliche Investitionen gehen also in eine unsichere Zukunft.
Ähnliches kann man auch über die Anstrengungen sagen, die etwa Jávea in dem abermals überschwemmten Arenalgebiet leistete. Allein die Kosten für die Sanierung der Promenaden und Küstenstraßen werden auf 235.000 Euro geschätzt, davon entfallen 145.000 Euro auf die Arenal-Promenade.
Über 156.600 Euro werden für beschädigte Beleuchtung, Beschilderung, Bänke, Bäume und Container fällig. „ Gloria“hat nach ersten Schätzungen in Jávea einen Schaden von rund 440.000 Euro an öffentlichen Infrastrukturen verursacht. Bei den Aufräumarbeiten machten Stadtangestellte Doppelschichten und das Rathaus nahm drei Privatfirmen unter Vertrag, deren Bagger Schutt und Schlamm von den Straßen fortschafften.
Auch private Umwelt-Initiativen wie die Facebookgruppen „ Plastic Patrol“und „ Jávea te quiero. Limpia“sammelten säckeweise angeschwemmten Müll, um zu verhindern, das er wieder ins Meer gelangt. „ Es ist fast alles wieder in Ordnung“, sagte Bürgermeister José Chulvi am Dienstag. „ Man kann Jávea wieder besuchen und auch die Gastronomie wieder genießen, weil die Lokale in Rekordzeit wieder geöffnet haben.“
In Calp erwischte es vor allem den Fossa-Strand. Das Rathaus beziffert den Schaden auf 1,3 Millionen Euro. Derweil hat „ Gloria“in Altea erneut das Trinkwasser verdorben. Die Aufräumarbeiten sind auch dort noch lange nicht abgeschlossen. Verwüstete Strände und ein übervoller Río Algar bleiben nach dem Unwetter ebenso wie ein Palau mit fehlenden Dachziegeln.