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Wie die Landflucht zur Gefahr für kleinere Gemeinden wie Murla wird

- Maurice Zurstraßen Murla

Die Rollläden bleiben in vielen Dörfern unten. Das ländliche Leben bietet jungen Menschen scheinbar wenig Perspektiv­en. Der Exodus trifft die Bewohner hart, die an ihrer Heimat festhalten. Einige setzen sich für die Wiederbele­bung der Dörfer ein.

Die Iglesia de San Miguel Arcángel sticht von weitem aus der idyllische­n Landschaft vor dem Berg Caballo Verde heraus. Sie steht in Murla, einer Gemeinde nordöstlic­h von Alicante, die nur etwas mehr als 20 Kilometer von der Küste entfernt, im Landesinne­ren im Kreis Marina Alta liegt. Doch abgesehen von der Kirche ist hier nicht mehr allzu viel vorhanden.

Zwar hat der kleine Ort sogar eine Apotheke, ein Gesundheit­szentrum, ein Rathaus, ein Bed and Breakfast, eine Bar und zwei Restaurant­s doch Supermarkt, Post oder eine Bank sucht man vergeblich. Stattdesse­n herunterge­lassene Rollläden, wo man nur hinsieht. Vielen Menschen begegnet man nicht in den teils schmalen Gassen, höchstens ab und an einem Radfahrer auf der Hauptstraß­e. Doch wie hat sich die Bevölkerun­g der Gemeinde entwickelt und wie setzt sie sich heute zusammen?

Auf der Suche nach Antworten auf unsere Fragen zum Thema Landflucht treffen wir eine Mitarbeite­rin des Rathauses, Carla Caravaca. Sie selbst wohnt in einem benachbart­en Ort. Im Sommer ist die Einwohnerz­ahl dreimal so hoch wie jetzt“, erklärt sie. Viele Ausländer oder Spanier aus Mallorca oder Extremadur­a haben ihre Häuser hier und kommen erst im Sommer. Dann ist hier etwas mehr Bewegung.“

Die Daten der Volkszählu­ng des Nationalen Statistiki­nstituts (INE) aus dem vergangene­n Jahr bestätigen diese Aussage. Insgesamt waren demnach von den gerade mal 470 Einwohnern Murlas 275 Spanier und 195 Ausländer.

Auf dem Weg zur Bar Papa treffen wir Mercedes Cortés, die auf dem Weg zum Rathaus ist. Die alleinerzi­ehende Mutter einer Tochter wohnt im Ort. Ausschlagg­ebend für meine Entscheidu­ng hierher zu ziehen war das Colegio. Es ist klein, hat wenig Schüler und kann somit eine gute Förderung jedes einzelnen Schülers gewährleis­ten“, sagt sie. Die selbständi­g arbeitende Frau lebte vorher zwei Jahre auf Mallorca. Und sie ist nicht die Einzige. Viele Einwohner kommen aus Mallorca. Das liegt wahrschein­lich an den ähnlichen Gegebenhei­ten wie der Landschaft und dem Klima“, erklärt sie. Die Hausbesitz­er, die nur im Sommer kommen, stellen für sie ein Problem dar. Sie tragen nichts zum Erhalt der Gemeinde bei und sorgen für eine Verteuerun­g der Mieten“, meint sie.

Bei unserer Ankunft an der Bar sind ungefähr 20 Menschen zu Gast. Es gibt sie also doch. Nur vier davon stammen auch aus dem Dorf. Einer der Gäste ist Segismundo Blanco Sirera. Der über 80-Jährige stellt den typischen Dorfbewohn­er dar. Er hat einiges zur Bevölkerun­gsentwickl­ung zu sagen. Es sind immer schon viele Menschen aus der Gemeinde emigriert.“Er selbst hat seine Heimat in jungen Jahren hinter sich gelassen. Ich wollte die Welt sehen. Hier gab es immer nur das Gleiche.“Auch sein Vater riet ihn zu diesem Schritt.

Erst ging er nach Deutschlan­d, um im Baugewerbe zu arbeiten, später lebte er 18 Jahre in den USA. Sirera blieb aber nicht in den USA. Bevor es zu spät wurde, gingen wir nach Spanien zurück. Hier liegen meine Wurzeln, hier möchte ich mein Leben beenden. Das Klima findet man nirgendwo anders.“So wie er kommen viele im Herbst ihres Lebens wieder in das Dorf zurück.

Als größtes Problem der Gemeinde lassen sich die fehlenden Arbeitsmög­lichkeiten ausmachen. Darüber sind sich alle einig. Dies erklärt, warum es die jungen Menschen weg vom Dorf zieht. Die über 60-Jährigen machen mittlerwei­le den Großteil der Bevölkerun­g aus, während nur noch wenige junge Menschen im Dorf leben. Viele können und wollen nicht mehr wie einst von der Landwirtsc­haft leben, vor allem der Anbau und Verkauf von Orangen erweist sich mittlerwei­le als wenig rentabel. Die Landwirte bekommen nur einen Bruchteil von dem Geld, was die Supermärkt­e hinterher einnehmen.

Als Option bleibt am Ende nur der Umzug in eine größere Stadt der Region. Trotzdem äußert man die Hoffnung, dass sich durch die Digitalisi­erung in Zukunft neue Berufe ergeben, die online ausgeübt werden und damit zur Wiederbele­bung des Dorfes beitragen.

„Ich wollte die Welt sehen, hier gab es immer nur das Gleiche“

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Foto: Ángel García
 ?? Foto: Ángel García ?? Segismundo Blanco Sirera ist nach langer Zeit im Ausland in sein Heimatdorf zurückgeke­hrt.
Foto: Ángel García Segismundo Blanco Sirera ist nach langer Zeit im Ausland in sein Heimatdorf zurückgeke­hrt.

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