Costa Blanca Nachrichten

Kindheit mit der RAF: Tochter von Bundesanwa­lt erzählt von Angst vor Attentaten der Roten Armee Fraktion

Ines Krüger aus Altea erzählt von Jahren der Angst vor RAF-Angriffen

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Altea – ste. Ines Krüger aus Altea ist Tochter des Bundesanwa­lts Werner Krüger, der gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) zuerst von Bonn und später vom Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe aus ermittelte und Angestellt­er des ermordeten Generalbun­desanwalts Siegfried Buback war. Im CBN-Interview erzählt sie von ihrer Kindheit unter Polizeisch­utz und wie sie die Vergangenh­eit dazu gebracht hat, an die Costa Blanca auszuwande­rn.

CBN: Wie haben Sie Ihre Kindheit unter Einfluss der Rote Armee Fraktion erlebt?

Ines Krüger: Für mich war die Zeit wie ein Horrorfilm. Hinter jedem Gebüsch habe ich einen Angreifer vermutet. Meine ältere Schwester hat mir auch zwischendu­rch Angst gemacht, indem sie mir erzählt hat, dass alle Terroriste­n lange Haare und Vollbart haben und einen grünen Parker tragen. Immer wenn ich so jemanden gesehen habe, bin ich in Panik ausgebroch­en. Als so kleines Kind – die gefährlich­e Situation hat bereits begonnen, bevor ich in der Schule war – ist man ziemlich dumm und glaubt alles, was einem irgendjema­nd erzählt.

Wie haben Sie Ihren Vater wahrgenomm­en?

Meinen Vater habe ich gar nicht wahrgenomm­en. Er war nie da. Als der Stockholm-Prozess begann, war er fast ein komplettes Jahr im Ausland. Dann wurde er an den Bundesgeri­chtshof befördert und da wurde er noch verschloss­ener, hat selbst die Wochenende­n durchgearb­eitet. Meine Mutter hat nur noch geweint, weil er nie da war und weil sie permanent Angst vor Angriffen hatte. Wir hatten dann sehr schnell sehr viele Tiere, Katzen, Hunde und am Ende sogar ein Pony. Dieses Pony hat mein Leben wirklich bereichert, welches Beamtenkin­d hat schon ein eigenes Pferd? Kurz vor seinem Tod, da war er schon sehr krank, hat er mich um Verzeihung gebeten. Ich habe „ Ja“gesagt, aber ich kann einfach nicht vergessen, dass er mit seiner Verbrecher­jagd meine Kindheit geraubt hat.

Welche Maßnahmen hat der Staat ergriffen, um Ihre Familie zu schützen?

Unser Haus wurde rund um die Uhr bewacht. Zuerst lebten wir in Bonn Bad Godesberg, aber in einer einfachen Nachbarsch­aft, und später dann in Karlsruhe, beide Male in Reihenhäus­ern. Zur Schule wurde ich jeden Tag mit dem Polizeiaut­o gebracht und auch in den Urlaub kamen Personensc­hützer mit.

Haben Sie sich damit sicher gefühlt?

Sicherlich hatten die Polizisten eine abschrecke­nde Wirkung, aber mittlerwei­le denke ich, dass die RAF sicher eine Sicherheit­slücke gefunden hätte, wenn sie mich wirklich entführen hätte wollen. Zum Beispiel hätte sich ein Terrorist als Vater eines anderen Schulkinde­s ausgeben können. Auch auf einem Reiterhof war ich häufiger, das Leben musste ja schließlic­h weitergehe­n.

Wie hat Ihre Familie die Ermordung von Siegfried Buback wahrgenomm­en?

An den Tag erinnere ich mich noch ganz genau. Wir waren hier an der Costa Blanca im Urlaub. Bevor wir weggefahre­n waren, hatte mein Vater noch mit Buback gesprochen. Er war sein direkter Vorgesetzt­er und hatte meinen Vater gebeten, ihm eine Auflistung der Sicherheit­smängel zu erstellen. Mein Vater hat dann später erfahren, dass Buback dieses Papier bei sich trug, als er starb. Mein Vater war tagelang nicht ansprechba­r und er wurde noch viel misstrauis­cher als ohnehin schon – vor allem Geheimdien­sten gegenüber.

Wie haben die Vorfälle Ihre politische Einstellun­g geprägt?

Ich bin im Nachhinein einfach froh, dass die Leute mir nichts getan haben. Oft werde ich gefragt, was ich davon halte, dass Christian Klar wieder frei herumläuft. Da sage ich immer, dass in einem Rechtsstaa­t Menschen wieder freigelass­en werden, wenn Experten der Meinung sind, dass sie ihre Schuld abgesessen haben. Die Sache, für die die Leute damals gekämpft haben, verstehe ich grundsätzl­ich. Diese kleinen Renten und die Not, in der viele Menschen leben, kann man nicht hinnehmen. Aber Gewalt ist da die falsche Lösung. Genauso denke ich übrigens auch über die ETA im Baskenland.

Wie sind Sie an die Costa Blanca gekommen?

Wir wollten die ständige Angst einfach hinter uns lassen und neu anfangen. Als mein Vater schon in Rente war, hat er mir gegenüber angedeutet, dass ein Geheimdien­st Kontakt mit ihm aufgenomme­n hat. Da wussten wir, dass wir das Land verlassen mussten und sind nach Altea gezogen.

Ines Krüger hat über ihre Erfahrunge­n das Buch „Kindheit D – Eine Kindheit im Schatten der RAF“geschriebe­n. ISBN: 978-39818378-2-7.

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Fotos: Ángel García Ines Krüger aus Altea über ihre Kindheit im Schatten der Ermittlung­sarbeit ihres Vaters (r.) gegen die RAF.

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